Bundesbank:Dumpfer Phantomschmerz in Frankfurt

Bundesbank-Chef Weber hatte einst angekündigt, seinem Haus einen neuen Auftrag zu geben. Eingelöst wurde das bislang nicht.

Guido Bohsem

Nach einer Amputation fühlen die meisten Betroffenen die fehlenden Körperteile häufig noch nach Jahren. Die fehlenden Hände, Füße und Beine bereiten oftmals höllische Schmerzen. Phantomschmerz heißt das Phänomen, das die Patienten jahrelang heimsucht und ihnen schreckliche Qualen bereitet.

Weber, AP

Gut zehn Jahre ist es nun her, dass die einstmals mächtigste geldpolitische Instanz des europäischen Kontinents ihre zentrale Aufgabe und Bestimmung verlor. Chef Axel Weber wollte das ändern.

(Foto: Foto: AP)

Am Beispiel der Bundesbank lässt sich dieser Tage gut beobachten, dass nicht nur Menschen, sondern auch Institutionen unter Phantomschmerz leiden können. Gut zehn Jahre ist es nun her, dass die einstmals mächtigste geldpolitische Instanz des europäischen Kontinents ihre zentrale Aufgabe und Bestimmung verlor.

Seit Einführung des Euro und der Einrichtung der Europäischen Zentralbank (EZB) spielt die Frankfurter Einrichtung auf der internationalen Bühne keine Rolle mehr.

Auch das Ansehen im Inland leidet. Zwar zehrt die Bundesbank weiterhin von ihrem Nimbus als Hüter des stabilen Geldes und Hort der Ordnungspolitik. Tatsächlich spielt nur noch ihr Präsident Axel Weber eine herausgehobene Rolle, weil er nämlich gleichzeitig eine wichtigere Funktion bekleidet: Er ist Mitglied im EZB-Rat.

Es ist diese verloren gegangene Bedeutung, die die Bundesbank nicht ruhen lässt. Es gibt kaum etwas, was so schmerzt wie die Erinnerung an alte Zeiten, in denen die internationalen Finanzmärkte jede noch so absurde Bemerkung aus Frankfurt ernsthaft auf ihre Auswirkungen auf das Spiel der Wechselkurse untersuchten.

Zu seinem Amtsantritt vor fast sechs Jahren hat Weber angekündigt, dem Haus einen neuen Auftrag, eine neue Richtung zu geben. Weber hat dieses Versprechen bislang nicht einlösen können. Noch immer sucht die Bundesbank nach einem Aufgabengebiet, das ihrer Größe und Bedeutung gerecht wird. Die makro-ökonomische Denkfabrik, die Weber vorschwebte, ist sie jedenfalls nicht geworden.

Das Institut macht stattdessen weiter wie bisher. Knapp 11000 Mitarbeiter hat die Bundesbank immer noch. Das Problem daran ist, dass es oftmals die falschen sind. So verdienen viele Beschäftigte beispielsweise ihr Geld damit, den Geldtransport für Supermärkte und Kaufhäuser zu übernehmen. Was daran eine hoheitliche Aufgabe sein soll, vermag kaum ein Mensch zu erkennen.

Die Politiker in den Ländern und in der Bundesregierung tun ihr Bestes, um die Malaise zu verschlimmern und den Phantomschmerz zu vergrößern. Wenn es gilt, den Vorstand der Bundesbank zu besetzen, rufen sie nicht die Besten der Besten, sondern berücksichtigen bestenfalls die zweite Reihe.

Dass nun der liberale Finanzpolitiker Carl-Ludwig Thiele als Kandidat in den Vorstand der Bundesbank gehen soll, zeigt, dass es auch FDP-Chef Guido Westerwelle nicht besser machen möchte als seine Kollegen in der Union und in der SPD: Parteipolitisch verdienten Veteranen wird ein schöner Titel mit auskömmlichem Salär zugeschanzt. Ob die Institution darunter leidet, interessiert nicht.

Dabei waren es gerade die Liberalen, die nach der Finanzkrise am heftigsten auf eine stärkere Rolle der Bundesbank pochten. Laut Koalitionsvertrag soll der Finanzaufsicht Bafin die Zuständigkeit für die Banken entzogen werden und nach Frankfurt wandern. Auch in der Bundesbank gefällt man sich in der Rolle des obersten Bankenaufsehers. Ob die ehemalige Zentralbank dieser Aufgabe gewachsen ist, steht jedoch auf einem völlig anderen Blatt. So wird oft vergessen, dass es nicht nur die Bafin war, die die Banken vor der Krise kontrollierte, sondern auch die Bundesbank. Es ist fraglich, ob Deutschland weniger hart getroffen worden wäre, hätte die Bundesbank die alleinige Verantwortung getragen.

Eine wirklich starke Bankenaufsicht wird also nicht entstehen, indem man Verantwortlichkeiten von hier nach dort und zurück schiebt. Nein, nur wenn diese Frage zu einem zentralen Anliegen des politischen Denkens und Handelns wird, kann etwas daraus werden. Wer dieser neuen Bankenaufsicht personalpolitisch so wenig Respekt erweist wie die Länder und der Bund, darf sich nicht wundern, wenn die Bundesbank 2020 immer noch ihre neue Rolle sucht.

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