Bund erhöht Druck:Berlin will rasch deutsche Stromnetz AG

Das Wirtschaftsministerium will einen Moderator für den Konflikt zwischen den Versorgern einsetzen. Unklar ist, wer Eigentümer wird.

Michael Bauchmüller

Die Schaffung einer bundesweiten Netzgesellschaft für das Stromnetz rückt immer näher. Nach SZ-Informationen will das Wirtschaftsministerium einen Moderator einsetzen, der die vier großen Stromkonzerne an einen Tisch bringen soll. Sie sollen ihre Leitungen in die neue, unabhängige "Netz AG" einbringen. Nicht alle wollen das.

Bund erhöht Druck: Die Branche selbst ist tief zerstritten über die Zukunft des Stromnetzes

Die Branche selbst ist tief zerstritten über die Zukunft des Stromnetzes

(Foto: Foto: dpa)

Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete die "Deutsche Netz AG" bei einer Veranstaltung in Berlin am Donnerstag als vordringliches Ziel. "Wir können es nicht sich selbst überlassen, wie sich das deutsche Stromnetz organisiert", sagte Gabriel.

Anbindung neuer Windparks

Die deutsche Netzgesellschaft solle die Modernisierung der Stromleitungen vorantreiben. Dazu gehöre unter anderem die Anbindung neuer Windparks und der Bau einer Gleichstromleitung, mit der sich Strom ohne große Verluste von Nord nach Süd transportieren ließe. "Wir brauchen eine deutsche Netzgesellschaft, die all das voranbringt." Auch sollten Anbieter erneuerbarer Energien sich am neuen Netzbetreiber beteiligen können. "Es ist höchste Zeit, dass wir die Voraussetzungen schaffen", sagte er.

Die Debatte um die Zukunft der deutschen Stromautobahnen schwelt seit Monaten. Derzeit unterhalten Eon, RWE, Vattenfall und EnBW jeweils ein eigenes Übertragungsnetz. In vier separaten "Regelzonen" sorgen sie für lückenlose Stromversorgung. Dazu fahren sie Kraftwerke herauf oder herunter, oder sie vereinbaren mit großen Stromkunden, dass diese im Notfall auch einmal kurzzeitig auf Strom verzichten. Eine Koordination fand bislang nicht statt. Kritiker beklagen schon lange, diese Vierfach-Struktur berge erhebliche Ineffizienzen. Die Bundesnetzagentur hatte zuletzt die Mehrkosten auf einen dreistelligen Millionenbetrag beziffert; sie strebt ebenfalls eine neue Instanz an, die das Geschehen im deutschen Stromnetz besser koordiniert.

Der Zeitdruck ist groß. Sowohl Eon als auch Vattenfall wollen ihr Stromnetz verkaufen. Eon entgeht im Gegenzug Sanktionen der EU-Kommission, Vattenfall hält es schlicht für eine "sinnvolle Lösung".

Mehrere Interessenten für Vattenfall-Netz

Parallel arbeitet die EU an neuen Vorgaben für die Stromnetze. Nach SZ-Informationen sind die Gespräche bei Vattenfall schon weit gediehen, noch in diesem Herbst könnten sie konkreter werden. Gerüchten zufolge sind unter anderem der tschechische Netzbetreiber CEPS und der US-Finanzinvestor Blackstone an dem 9500 Kilometer langen Vattenfall-Netz interessiert. Letzteres allerdings gilt in Branchenkreisen als sehr unwahrscheinlich. Vattenfall selbst wollte sich nicht dazu äußern.

Die Branche selbst ist tief zerstritten über die Zukunft des Stromnetzes. Während Eon auf eine deutsche Netz AG drängt und Vattenfall zumindest nichts dagegen hat, ist der Karlsruher EnBW-Konzern strikt dagegen. "Es gibt keine vernünftige Begründung für die deutsche Netz AG", hieß es am Donnerstag bei dem Unternehmen. Auch so gebe es genügend Investitionen und genügend Austausch von Strom, die Regulierung durch die Bundesnetzagentur reiche aus. Zudem lasse sich die Stabilität des Netzes in vier kleineren Zonen leichter gewährleisten als in einer großen.

Der Essener RWE-Konzern wiederum kann sich zwar ein gesamtdeutsches Netz vorstellen, würde aber gerne dessen Betrieb übernehmen. Technisch wäre das Unternehmen mit seiner Netzwarte bei Köln darauf eingerichtet. Zwischen diesen Positionen müsste nun der Moderator vermitteln, den das Wirtschaftsministerium einsetzen will. Nach Informationen der Financial Times Deutschland soll Infineon-Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley diesen Posten übernehmen.

Völlig offen ist noch, wem die Netz AG gehören wird. So könnten RWE und EnBW ihr Netz in die Gesellschaft einbringen und entsprechend Anteile daran erhalten. Mit den Eigentümern der Eon- und Vattenfall-Netze kämen zudem Unternehmen in den Eigentümerkreis, die das Netz vor allem als Investment betrachten.

Theoretisch könnte sich aber auch die Staatsbank KfW beteiligen, um staatlichen Einfluss zu wahren.Zumindest die Industrie schaut mit Wohlwollen auf die Entwicklung. "Es wird höchste Zeit, dass wir einen Markt bekommen, den wir auch Markt nennen können", sagte Alfred Richmann, Chef des Großverbraucher-Verbands VIK.

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