Büros:Einen Schreibtisch, bitte

phanTechnikum zeigt "Schöne schlaue Arbeitswelt´

Die Büros von morgen werden sich stark von den heutigen unterscheiden, wie auf einer Ausstellung zu Ambient Intelligence in Wismar zu sehen ist.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Moderne Arbeitsumgebungen stellen nach dem Einloggen des Mitarbeiters automatisch Licht oder ergonomische Einstellungen ein. Das Büro der Zukunft ist flexibel und vernetzt.

Von Lars Klaaßen

Etwa 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten im Büro. An kaum einem anderen Ort zeigt sich sozialer Wandel durch technischen Fortschritt so deutlich. Früher erledigten Scharen von Sachbearbeitern dort Routineaufgaben und waren in starre Strukturen eingebunden. Weil vieles davon heute Computer erledigen, sind verstärkt kreative Köpfe gefragt. Sie arbeiten meist in kleinen Teams, die je nach Bedarf für bestimmte Projekte zusammengestellt werden. Notebook und Smartphone ermöglichen zeitlich wie räumlich absolute Flexibilität. Wer im Homeoffice oder unterwegs arbeitet, benötigt während dieser Zeit keinen Schreibtisch im Büro. Unternehmen, die weniger Schreibtische als Mitarbeiter brauchen, können Büroflächen reduzieren und damit Immobilienkosten senken. Trotzdem gewinnt die Arbeitsumgebung an Bedeutung: weil wir dort arbeiten können, wo es uns am besten passt, und weil sich Unternehmen im globalen Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte befinden.

"Qualifizierte Mitarbeiter fordern selbstbewusst eine optimale Arbeitsumgebung im Sinne von Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Flexibilität, die es ermöglicht, individuelle Lebensphasen und Lebensstile zu integrieren", sagt Stefan Rief. Er leitet das Team "Workspace Innovation" sowie das Verbundforschungsprojekt "Office21" beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). "Büroarbeit wird hyperflexibel, multilokal und individuell." Die Integration von Arbeit und Freizeit werde sich weiter verbreiten, Personen und Geräte sich umfassend vernetzen, Büroarbeit individueller organisiert und gestaltet.

Das Fraunhofer IAO hat mit sechs Partnern dafür ein Instrument entwickelt: Der multifunktionale Büroarbeitsplatz IWWP Next (Information Worker's Workplace) macht den Schreibtisch zum digitalen Partner mit vielen Fähigkeiten. Mitarbeiter buchen ihn mittels Smartphone oder RFID-Karte. Am Log-in erkennt das System jeden Kollegen und justiert die persönlichen Ergonomie-Einstellungen entsprechend. Damit das Licht immer optimal ist, werden Helligkeit und Lichtfarbe im Tagesverlauf automatisch angepasst - ebenfalls nach individuellen Präferenzen. Durch Kippen verwandelt sich die Arbeitsplatte in ein Whiteboard für Ad-hoc-Besprechungen.

Der Blick ins Büro der Zukunft verheißt eine Reihe technischer Neuerungen, die an Science-Fiction-Filme wie "Star Trek" erinnern: großflächige, digitale Schreibtische, an denen Teams per Fingerwisch arbeiten; OLED-Tapeten, die ganze Wände zu Arbeits- und Darstellungsflächen machen; Computer, denen wir vieles sagen, was wir bisher mühsam eintippen müssen. Nicht so spektakulär, aber ebenso bedeutend sind die Raumstrukturen. Neue Bedürfnisse erfordern ein neues Umfeld. Die Zahl der Einzelarbeitsplätze nimmt tendenziell ab. Der dadurch gewonnene Raum steht damit Funktionen zur Verfügung, die bislang eine eher geringe Rolle spielten - das Büro wird zum Begegnungsraum.

Unternehmen, die ihre Standorte optimieren wollen, sollten dafür zunächst beantworten können, was sie ausmacht: Wer arbeitet hier mit welchem Ziel, und auf welche künftigen Veränderungen kann man sich heute schon einstellen? Dies zu sondieren dauert in Workshops manchmal ein bis zwei Jahre. In aktuellen Bürokonzepten kristallisieren sich generell drei Kernbereiche heraus: ruhige Orte für konzentriertes Arbeiten; Besprechungsräume für Teams, die gemeinsam an bestimmten Projekten arbeiten; Begegnungsstätten zum informellen Austausch. Das kann eine Lounge oder eine Kaffeebar sein, wo auch zufällige Begegnungen Synergieeffekte schaffen.

Der passende Ort zur jeweiligen Tätigkeit ist nicht einmal mehr an ein Unternehmen oder das Homeoffice gebunden. Was Vertreter der Digitalen Bohème mit Notebook im Café vorgemacht haben und bei Fahrrädern wie Autos in Großstädten etabliert wurde, ist mittlerweile auch im klassischen Business etabliert: Sharing. Das Unternehmen Design Offices hat dieses Konzept in sieben deutschen Großstädten auf Arbeitsräume übertragen, in München gleich zweimal. Ob Tagung, Schulung oder Präsentation, ob Sondierungsgespräch, Workshop oder Arbeitstreffen für ein Projekt: Das Angebot reicht vom einzelnen Arbeitsplatz im Co-Working-Space über die intime Lounge, separate Büro- und Konferenzräume bis hin zum Trainingsraum.

In Großraumbüros ist es vielen zu laut. Deckensegel, Stellwände und Akustikbilder sollen helfen

Die Bereiche können einzeln, in Teilen oder komplett gemietet werden, für eine Stunde oder mehrere Tage. Einige Unternehmen haben sich auch langfristig in den Design Offices niedergelassen, sie nutzen ihre Räume als Showroom oder für den Vertrieb. Wer sich hier temporär einquartiert, braucht nichts mitzubringen außer Smartphone und Notebook. Flatscreens, Whiteboards, Stifte, Papier und anderes gehören zur Ausstattung. Auch ein "Virtual Office" können Kunden sich hier einrichten, eine repräsentative Adresse samt Postservice, Beschilderung sowie flexibler Nutzung der Büro- und Tagungsräume.

Dass die Realität meist noch anders aussieht, als Mitarbeiter sich das wünschen, belegt eine Studie des Einrichters Steelcase: 41 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit ihrer Arbeitsumgebung unzufrieden sind. Der hohe Geräuschpegel im Großraumbüro verursache Stress, Bereiche für konzentriertes Arbeiten fehlten.

Obwohl sie meist unbewusst wahrgenommen wird, prägt die Geräuschkulisse jeden Arbeitsplatz enorm. Raumakustik ist eines der komplexesten Beratungsthemen der Bürogestaltung. Laute Schreibmaschinen sind zwar leiseren Computertastaturen gewichen und Telefonate aufgrund von E-Mail und Internet seltener geworden. Dennoch liegen auch in den heutigen offenen Bürostrukturen Kommunikation und Konzentration im permanenten Widerstreit. Hier schaffen akustisch wirksame Elemente Abhilfe, die optisch oft gut kaschiert sind: Hintertischwände, Deckensegel, klassische Stellwandpaneele - und Akustikbilder. Diese können den Schall dämpfen und mit Motiven nach Wahl bedruckt werden. Viele Büros sind der Steelcase-Studie zufolge noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen: Von allen Befragten arbeiten 79 Prozent noch an festen Arbeitsplätzen, und nur 36 Prozent von ihnen haben die Möglichkeit, mit mobilen Geräten zu arbeiten. Immerhin: "Die Möglichkeiten, optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen, sind vielfältig", betont Thomas Stickelbröck, Innenarchitekt bei Steelcase. "Geben Unternehmen ihren Mitarbeitern mehr Freiheiten, die eigene Arbeitsumgebung zu wählen, zu gestalten und zu kontrollieren, erhöht dies die Zufriedenheit und das Wohlbefinden signifikant." Und darauf kommt es an. Arbeitspsychologen wissen: Wer sich im Büro wohlfühlt, arbeitet effektiver.

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