Finanzberatung bei Geldinstituten:Brüssel will Bankprovisionen kippen

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Wenn ein Kunde zur Bank geht, hofft er auf faire Behandlung - oft allerdings vergebens. Die Kundenberater stehen unter Verkaufsdruck und empfehlen darum häufig Papiere, die den Banken besonders üppige Provisionen einbringen. Das will die Europäische Union nach SZ-Informationen nun radikal ändern. Dabei geht es ihr um mehr als nur die Rechte der Kunden.

Markus Zydra

Viele glauben, die Finanzberatung beim Bankexperten sei kostenlos; schließlich wird dem Kunden, anders als beim Steuerberater, keine Rechnung für die Leistung präsentiert.

"Banken könnten ihren Kunden natürlich sagen, ihre Beratung sei nicht unabhängig. Dann dürften sie die Provisionen wohl auch behalten." (Foto: dpa)

Doch der Schein trügt. Banken kassieren Provisionen, wenn sie Finanzprodukte verkaufen. Meist weiß der Kunde davon gar nichts - und genau das ist das Problem. Denn möglicherweise hat die Bank bei dem Verkauf ihres Investmentfonds weniger an das Wohl des Anlegers gedacht, sondern mehr ihr eigenes Umsatzziel vor Augen gehabt, wie der Bundesgerichtshof schon 2006 in einem Grundsatzurteil räsoniert hat.

Fünf Jahre später nun will die EU-Kommission die Zahlung von Provisionen an Banken und Vermögensverwalter deshalb grundsätzlich und ausnahmslos verbieten. Das geht aus einem internen Arbeitspapier der Behörde zur Neufassung der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Hohe Verluste

Investmentfirmen dürfen für ihre unabhängige Beratung keine Gebühren, Kommissionen oder andere monetäre Vorteile akzeptieren", heißt es in dem Entwurf. Die EU-Kommission will ihre endgültigen Pläne am Donnerstag in Brüssel der Öffentlichkeit präsentieren.

Dass dies ausgerechnet jetzt geschieht, ist wohl kein Zufall: Gerade durch die Finanzkrise sind die Schwächen der bisherigen Beratungspraxis offen zutage getreten. Viele Kunden haben hohe Verluste erlitten, weil ihnen riskante Finanzprodukte verkauft wurden - meist mit hohen Verkaufsprovisionen. In der Folge ist es - Beispiel Lehman-Zertifikate - zu vielen Schadenersatzprozessen gegen Banken gekommen, die zum Teil bis heute andauern. Anleger fordern eine Rückabwicklung der Geschäfte, doch die Institute wehren sich. Folge: Das über Jahrzehnte gewachsene Vertrauen in die Bankberatung schwindet.

Ein Verbot für Wertpapierdienstleister, Verkaufsprovisionen anzunehmen, würde den Finanzberatungsmarkt komplett verändern. "Das wäre ein revolutionärer Schritt, denn der Kunde würde fortan merken, dass Finanzberatung Geld kostet", sagt der Tübinger Kapitalmarktrechtler Andreas Tilp.

Konkret bedeutet das: Banken müssten auf eine Honorarberatung umstellen. Kunden bezahlen dann eine Gebühr dafür, dass ihnen der Bankexperte gute Ratschläge erteilt. Der Anleger, so das Argument, könne dann auch sicherer sein, dass die Beratung in seinem Interesse geschieht - schließlich bezahlt er ja direkt dafür. In Großbritannien ist ein solches Provisionsverbot bereits umgesetzt. Das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat müssen die Vorschläge der EU-Kommission noch absegnen.

Wider den Hochfrequenzhandel

Die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid (Markets in Financial Instruments Directive ) ist für den Kapitalmarkt das bedeutendste europäische Gesetz der vergangenen Jahre. Sie regelt seit November 2007 die Bedingungen für den Wertpapierhandel europaweit. Mit der jetzt geplanten Novelle will die Kommission auch Spekulationspraktiken in den Griff bekommen, die an den Finanzmärkten für große Unruhe sorgen. So soll der Hochfrequenzhandel - hier werden Wertpapiere im Millisekundentakt gehandelt - kontrolliert werden. Zudem plant die Kommission mehr Transparenz im Inter-Bankenhandel von Derivaten (OTC-Geschäft). "Das Finanzsystem muss verantwortlicher für die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft arbeiten", heißt es in dem Mifid-Gesetzesentwurf.

Doch die Tücken dieser hehren Pläne liegen in den Details. So bezieht sich das Verbot für Provisionen auf die "unabhängige" Finanzberatung. Die Branche rätselt schon, ob so das ungeliebte Verbot umschifft werden kann. "Banken könnten ihren Kunden natürlich sagen, ihre Beratung sei nicht unabhängig. Dann dürften sie die Provisionen wohl auch behalten", sagt Anwalt Tilp. Ob der Sparer dann aber Kunde bleiben will?

© SZ vom 19.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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