Boni-Steuer in Großbritannien:Banker auf der Flucht

Wird die neue Boni-Steuer zum Rohrkrepierer? Immer mehr Londoner Banker packen wegen der umstrittenen Abgabe die Koffer. Am Ende könnte die "Super Tax" dem Land mehr schaden als nutzen.

Andreas Oldag, London

Der britische Finanzminister Alistair Darling gerät wegen der Bonus-Steuer für Banker immer stärker unter Druck. Der Londoner City droht ein Exodus hochbezahlter Banker. So hat beispielsweise die Broker-Firma Tullett Prebon ihren Mitarbeitern angeboten, künftig ihre Geschäfte von einer ihrer Auslandsfilialen zu betreiben. Dieses sei auch im Interesse der Anteilseigner, um hochqualifiziertes Personal in der Firma zu halten, erklärte ein Sprecher des 140 Jahren alten Finanzhauses.

Banker, Foto: AP

Immer mehr Banker fliehen aus Großbritannien - Grund dafür ist die Steuer auf Boni.

(Foto: Foto: AP)

Schützenhilfe erhält Tullett Prebon von der renommierten Londoner Personalberatungsfirma Robert Walters. Die Steuer würde die besten Talente aus der City vertreiben, warnte Walters-Manager Alan Bannatyne. Die Schockwellen der Finanzkrise 2007 und 2008 haben ohnehin schon in London ihre Spuren hinterlassen. Von 350.000 Jobs sind bislang etwa 50.000 verlorengegangen.

Gepackte Umzugskisten

Noch hofft die Regierung, dass es alles nicht so schlimm kommt und die Bankenbranche letztlich die "Super-Steuer" schlucken wird. Doch das Beispiel Tullett Prebon zeigt, dass Broker und Banker bereits auf gepackten Umzugskisten sitzen. Zugute kommt den Steuerflüchtlingen, dass sie in der international geprägten Finanzbranche meistens problemlos in eine Filiale in den Nahen Osten oder nach Asien wechseln können. Experten halten es deshalb auch für unrealistisch, dass die britische Bonussteuer dem Finanzminister die erhofften 550 Millionen Pfund (etwa 660 Millionen Euro) an Einnahmen einbringen wird.

In Großbritannien müssen Banker auf ihre Boni ab sofort eine Sondersteuer zahlen. Demnach werden Bonuszahlungen von mehr als 25.000 Pfund mit einer einmaligen Steuer von 50 Prozent belegt, die zunächst bis April 2010 gilt. Dabei werden die Banken selbst auf ihren Bonus-Pool besteuert. Die Banker müssen dann anschließend noch auf ihr Gehalt plus Bonus den bisherigen Steuersatz zahlen. Viele Banken wollen jetzt offenbar ihre Bonuszahlung um ein Jahr aufschieben und 2011 eine doppelte Summe auszahlen, um der Steuer zu entgehen. Im britischen Finanzministerium heißt es, man werde dann eventuell die Abgabe über 2010 hinaus verlängern.

Steuerberater haben derzeit Hochkonjunktur im Londoner Finanzviertel. Nach Meinung von Experten ist das neue Steuergesetz mit heißer Nadel gestrickt und enthält viele Ungereimtheiten. So ist beispielsweise davon die Rede, dass sich die Abgabe auf Mitarbeiter von Finanzfirmen bezieht, die ihre Geschäfte komplett oder teilweise in Großbritannien abwickelten.

Misstrauischer Blick nach Brüssel

Doch der Begriff "teilweise" lässt unterschiedliche Interpretationen offen. "Die Gesetzesvorlage ist unbefriedigend. Wir führen Gespräche mit unseren Klienten, die über die weiteren Folgen sehr beunruhigt sind", erklärt Arun Birla von der Steuerkanzlei Paul Hastings. Kein Zufall, dass der Chef der Investmentsparte der Großbank Barclays, Bob Diamond, davor warnt, die für London lebenswichtige Finanzbranche aus der Themsemetropole zu vertreiben. Sein dezenter Hinweis, dass die internationalen Finanzzentren ein ausgewogenes Verhältnis zueinander haben müssten. Das heißt: Weder Hongkong noch New York sollten sich jetzt auf Kosten Londons profilieren.

Mit wenig Begeisterung sieht die britische Bankenlobby auch der Tatsache entgegen, dass der Franzose Michel Barnier künftig in Brüssel als mächtiger Binnenmarktkommissar für die Regulierung der Finanzmärkte zuständig sein soll. Paris wird dabei unterstellt, den traditionellen Marktliberalismus der Briten zu torpedieren. "Wir werden in die Zange genommen. Brüssel will strengere Regeln. Downing Street macht uns mit höheren Steuern das Leben schwer", klagt ein Banker eines Londoner Kreditinstituts.

Die Labour-Regierung, die sich noch zu Zeiten Tony Blairs gegen jede überzogene staatliche Kontrolle des Londoner Finanzmarkt London wandte, hat mittlerweile längst einen Kurswechsel eingeleitet. Statt Regulierung "light" wie man das in London nannte, lanciert die Finanzmarktaufsicht Financial Services Authority (FSA) nun fast im Wochentakt neue Vorschriften und Verordnungen. Dazu gehören höhere Eigenkapitalregeln ebenso wie mehr Transparenz bei den Geschäften der Hedgefonds. Zudem will die FSA die Boni an die Banker unter die Lupe nehmen.

Bonussteuer als Rohrkrepierer

Die Bonussteuer oder "Super Tax", wie sie in London genannt wird, hat jedoch aus Sicht der Banker das Fass zum Überlaufen gebracht. Finanzminister Darling ersticke mit seiner "Steuerwut" jeden Leistungsanreiz, so der Vorwurf. So hob der Labour-Politiker erst vor kurzem die Einkommensteuererhöhung für Top-Verdiener von 40 auf 50 Prozent an. "Das britische Bankenmodell ist zerbrochen", lautet der harsche Befund von Stephen Hedgecock, Gründer des milliardenschweren Londoner Hedgefonds Altis. Hedgecock hat seine Firma mit 35 Mitarbeitern nun auf die britische Kanalinsel Jersey verlegt. In London unterhält er nur noch eine kleine Dependance.

Einem Bericht der britischen Zeitung Sunday Times zufolge packen pro Woche etwa zehn Unternehmer und Spitzenkräfte aus der Finanzbranche ihre Umzugskisten, um sich dem Zugriff des Fiskus zu entziehen. Steueroasen, wie die britischen Kanalinseln, erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie liegen vor der Haustür und locken mit konkurrenzlos günstigen Abgabensätzen.

So könnte sich die Bonussteuer für die Labour-Regierung zu einem Rohrkrepierer entwickeln. Etwa neun Prozent der Wirtschaftskraft der Insel hängen von der Finanzbranche ab. Das ist ein Spitzenwert unter den großen Industriestaaten. Sollte die Finanzindustrie jetzt tatsächlich angesichts der Steuer- und Abgabenlast weiter schrumpfen, könnte dies Großbritannien noch weiter in die Wirtschaftskrise treiben, warnt der britische Bankenverband British Bankers Association. Doch ob die Kritik Finanzminister Darling zum Einknicken veranlasst, ist unwahrscheinlich. Der Minister hat einen starken Verbündeten: Umfragen zufolgen unterstützen fast 80 Prozent der Briten die "Super Steuer". Und im nächsten Jahr sind Unterhauswahlen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: