Börsen:Krise an der Wall Street lässt Weltbörsen abstürzen

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Der Dax sackte auf den tiefsten Stand seit Oktober 2006, in New York mussten vor allem Finanzwerte Kursverluste hinnehmen. Und die neuesten US-Konjunkturdaten versprechen nichts Gutes.

Eine dramatische Zuspitzung der Finanzkrise in den USA hat weltweit die Börsenkurse ins Minus gerissen. Der deutsche Aktienindex Dax stürzte am Montag auf den tiefsten Stand seit Oktober 2006, auch in New York wurden Kursverluste vor allem bei Finanzwerten verzeichnet.

Die Wall Street in New York eröffnete am Montag im Minus, in den ersten 20 Handelsminuten verlor sie 1,1 Prozent. Der Dollar setzte seinen Abwärtstrend fort, während auf den Rohstoffmärkten weltweit neue Höchstpreise erreicht wurden. In Asien wurde der Euro zeitweise mit 1,5905 Dollar bewertet, ein neuer Rekordstand. In Europa stand er am Nachmittag bei 1,5717 Dollar, am Freitagabend war der Euro noch mit 1,5669 Dollar bewertet worden. Der Ölpreis erreichte in New York im elektronischen Handel vor Marktöffnung ein neues Rekordhoch von 111,80 Dollar pro Barrel, fiel dann aber auf knapp über 107 Dollar. Der Goldpreis stieg mit 1032 Dollar pro Feinunze auf einen neuen Höchststand.

Mit den Turbulenzen reagierten die Märkte auf die Nachricht von der Übernahme der vom Kollaps bedrohten US-Investmentbank Bear Stearns durch JP Morgan Chase für einen Bruchteil ihres bisherigen Werts.

Die US-Notenbank flankierte die Rettungaktion in einer ungewöhnlichen Eilentscheidung mit einer Senkung des Diskontsatzes; die Maßnahme zur Schadensbegrenzung konnte die Märkte aber nicht beruhigen.

Der Ausverkauf von Bear Stearns wurde weltweit als beunruhigendes Indiz für das wahre Ausmaß der Krise an der Wall Street gewertet.

Lob von Bush

US-Präsident George W. Bush würdigte das "schnelle Handeln" der Fed. Er räumte erneut ein, dass die US-Wirtschaft derzeit "eine herausfordernde Zeit" durchlebe.

Die Schockwellen von der Wall Street ließen den deutschen Dax um mehr als drei Prozent sinken, er unterschritt zeitweise die Marke von 6200 Punkten. Zu den großen Verlierern zählten Finanz- und Immobilienwerte. Hypo Real Estate verzeichnete zeitweise ein Minus von mehr als zwölf Prozent, die Aktie der Deutschen Börse verlor über acht Prozent, die der Commerzbank mehr als sechs Prozent.

Die Bundesregierung riet zu Besonnenheit. "Wir sind zuversichtlich, dass Deutschland mit diesen Belastungen fertig werden kann", sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Stefan Olbermann, in Berlin. Zu Panik gebe es keinen Anlass.

Schwache Wirtschaftsdaten

Überraschend schwache Wirtschaftsdaten aus den USA haben das Bild eines Konjunkturabschwungs in Übersee bekräftigt. Die Produktion in der Industrie sank im Februar unerwartet stark um 0,5 Prozent zum Vormonat, wie die US-Notenbank am Montag mitteilte. Auch die Industrietätigkeit im Bundesstaat New York, die als zuverlässiger Vorläufer für die landesweite Entwicklung gilt, brach im März auf ein Rekordtief ein.

"Es ist ein weiteres Zeichen, dass die Wirtschaft in einer Rezession ist", sagte Mark Zandi von Moody's. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe fiel auf minus 22,23 von minus 11,72 Punkten im Februar und so auf den tiefsten Stand seit Einführung des Index im Juli 2001. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten im Schnitt einen Anstieg auf minus 8,0 Zähler erwartet.

Die von der Finanzkrise gebeutelte US-Wirtschaft droht nach Einschätzung von Experten in eine Rezession zu rutschen, einigen Fachleuten zufolge schrumpft sie bereits. Die Regierung in Washington und die US-Notenbank Fed versuchen mit einem Konjunkturprogramm in Milliarden-Höhe und mit drastischen Zinssenkungen gegenzusteuern. Experten gehen davon aus, dass die Notenbank am Dienstag ihren Leitzins von drei Prozent noch einmal deutlich senkt.

Die Währungshüter dürften mit Interesse verfolgen, wie die Industrie in der größten Volkswirtschaft der Welt an Schwung verliert.

Die Kapazitätsauslastung - ein wichtiger Faktor für die Geldpolitik der US-Notenbank - lag im Februar bei 80,9 Prozent und damit so niedrig wie seit November 2005 nicht mehr.

Als positives Signal werteten Experten, dass sich das Defizit in der US-Leistungsbilanz im vierten Quartal 2007 überraschend verringerte. Der Fehlbetrag sank auf 172,9 Milliarden Dollar von revidiert 177,4 Milliarden Dollar im dritten Vierteljahr 2007. Analysten hatten im Schnitt mit einem Defizit von 184 Milliarden Dollar gerechnet. Auch im Gesamtjahr 2007 ging das Defizit zurück - zum ersten Mal seit 2001.

Das US-Leistungsbilanzdefizit gilt als eines der größten Risiken für die Weltwirtschaft, da die USA zur Finanzierung des in den vergangenen Jahren gewachsenen Fehlbetrags immer mehr ausländisches Kapital benötigen. Zuletzt zeigten sich Anleger allerdings vorsichtiger: Die ausländischen Investitionen in den USA brachen auch im Januar ein. Netto verbuchte die US-Wirtschaft einen Zufluss von 37,4 Milliarden Dollar. Damit halbierte sich die Summe bereits den zweiten Monat in Folge: Im Dezember waren es noch revidiert 72,7 Milliarden Dollar.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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