Börsen brechen weltweit ein:Dax schließt mit größtem Verlust seit drei Jahren

Schlechte Konjunkturdaten aus den USA treffen auf einen ohnehin schon nervösen Markt: Der Dax stürzt um fast sechs Prozent ab und schließt mit dem größten Tagesverlust seit November 2008, an der Wall Street geht es ebenfalls steil bergab. Die Angst vor einer Rezession steigt weiter.

Nikolaus Piper, New York, und Markus Zydra, Frankfurt

Flucht von der Börse, Furcht vor einer weltweiten Rezession: Anleger sind am Donnerstag in Scharen aus den internationalen Aktienmärkten geflohen. Der Deutsche Aktienindex (Dax) gab zwischenzeitlich um fast sieben Prozent nach und schloss mit minus 5,82 Prozent, bei 5602,80 Punkten. Ein schwarzer Tag: Das war der größte Tagesverlust seit November 2008. Auch an der Wall Street ging es steil bergab: Der US-Standardwerteindex Dow Jones verlor zwischenzeitlich 4,6 Prozent und schloss mit einem Minus von 3,7 Prozent.

Bei den Rohstoffen wurden vor allem Rohöl und Industriemetalle abgestoßen. Auslöser für den Ausverkauf waren offenbar die schlechter als erwartet ausgefallenen US-Konjunkturdaten. Aber auch ein Report des Wall Street Journals spielt wohl eine Rolle, wonach sich die US-Notenbank die Kapitalstärke der europäischen Banken in den USA näher anschauen will. Ihr Heil suchten Investoren unter anderem im Gold, das auf ein neues Rekordhoch kletterte. Es war mit 1825,99 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) so teuer wie noch nie. Auch die sicheren Anlagehäfen Bundesanleihen und Schweizer Franken waren sehr gefragt.

Auch wenn niemand das Wort Rezession in den Mund nehmen will, schüren solche Daten wie aus den USA natürlich die Ängste vor einer deutlichen Abkühlung der Wirtschaft. "Das war jedenfalls das letzte, was die Märkte heute noch gebrauchen konnten", sagte Analystin Jana Meier von HSBC Trinkaus. Der Konjunkturindex der Federal Reserve Bank von Philadelphia (Philly Fed) war im August auf minus 30,7 Punkte - von plus 3,2 Zählern im Vormonat - eingebrochen. Experten hatten mit einem leichten Anstieg gerechnet. Und die wöchentlichen Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe waren überraschend stark auf 408.000 (Vorwoche: 395 000) gestiegen.

Bei den Rohstoffen verbilligte die Furcht der Anleger vor einer rückläufigen Nachfrage die US-Rohölsorte WTI um bis zu 5,8 Prozent auf 82,54 Dollar je Barrel (159 Liter). Der Preis für das wichtige Industriemetall Kupfer rutschte zeitweise um 2,3 Prozent auf 8757,25 Dollar je Tonne ab. Auch die Schweizer Währung war als sicherer Hafen beliebt. Dollar und Euro verbilligten sich auf 0,7888 beziehungsweise 1,1271 Franken. Am Vormittag noch hatte die Schweizer Valuta nachgegeben, nachdem die Schweizer Nationalbank eingegriffen hatte.

Die schlechten US-Daten trafen auf einen ohnehin schon nervösen Markt. Vor allem die Debatte um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sorgte für Verunsicherung unter den Anlegern. Darunter litten vor allem die Börsenbetreiber. Die Kurse an der Deutschen Börse, ihrem Fusionspartner Nyse Euronext und der Londoner Börse LSE fielen zwischen 3,5 und 5,5 Prozent. Im Sog des fallenden Gesamtmarktes verbuchten die Banken teilweise zweistellige prozentuale Verluste. Zu den schwächsten Werten gehörten Barclays und Société Générale , die um bis zu zwölf Prozent einbrachen. Deutsche Bank und Commerzbank gaben um 7,0 Prozent beziehungsweise um 10,4 Prozent auf 1,89 Euro nach.

Der Preiseinbruch bei Finanzaktien mag überraschen, denn seit Freitag gibt es ein Leerverkaufsverbot für Bankaktien aus sechs Ländern. Die europäische Finanzmarktaufsicht ESMA geht davon aus, dass Leerverkäufe - hier verkaufen Spekulanten Aktien, die sie nicht besitzen - für die jüngsten Börsenturbulenzen mitverantwortlich waren. Allerdings können diese Verbote umgangen werden, indem die Leerverkäufe in anderen Ländern durchgeführt werden.

Es deutet nun alles auf den Ernst der ökonomischen Lage, wenn Börsenkurse ohne wirklich triftigen Grund so abstürzen. Das abflauende Wirtschaftswachstum, flankiert vom Schulden-Desaster in der Euro-Zone und den USA, sind der Grund, die Verkaufstaste zu drücken. "Wahrscheinlich mussten einige Hedgefonds verkaufen, weil sie sich auf Pump verspekuliert haben", sagt Oliver Roth, Chefhändler in Frankfurt bei der Bank Close Brother Seydler zum Dax. Das ist die eine Erklärung.

Die andere Erklärung ist eben jenseits des Atlantiks zu verorten. Zudem war die Inflation in den USA seit Juni um 0,5 Prozent gestiegen - auch damit war nicht gerechnet worden. Auch das: keine klassische Horrornachricht. Aber in der Summe reichen die News aus, um die US-Aktienmärkte in die Verlustzone zu drücken. Der Dax folgte.

Nach dem Crash der vergangene Woche hatte sich der Dax in den letzten Tagen wieder erholt, von 5600 auf 6000 Punkte. Mancher mag da auf weitere Kursgewinne spekuliert haben, doch diese Optimisten wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Sie mussten deshalb am Donnerstag verkaufen, was wiederum andere Händler zu Verkäufen stimulierte. So agiert die Börsenherde. Es kam zur ersten Verkaufswelle. Für den Rest sorgten die USA. "Die USA und die Euro-Zone sind ganz nah dran an einer Rezession, dazu braucht es keinen großen Schock mehr", erklärt Joachim Fels, Ökonom bei der US-Bank Morgan Stanley. In den nächsten sechs bis zwölf Monaten könne die Wirtschaft zwei Quartale hintereinander schrumpfen.

Zuletzt ging es an den Aktienmärkten im Frühjahr 2009 so turbulent zu, wie ein Blick auf den Volatilitäts-Dax - das Angstbarometer der Börse - belegt; der VDax stieg am Donnerstag um knapp ein Drittel. "Angesichts des Einbruchs flüchten Investoren in sichere Anlagen wie Gold", erklärt Rohstoffexperte Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg. Was immer sicher in diesen Zeiten bedeutet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: