Börse und Testosteron:Wall Street, bitte dopen!

Britische Forscher der Universität Cambridge haben herausgefunden, dass Broker mit hohem Testosteronspiegel an den Börsen mehr Geld machen. Können Hormonpillen die Finanzkrise bekämpfen?

Nina Jauker

Wenn beim Mann der Hormonpegel steigt, winkt an der Börse das große Glück. Börsenhändler können dann tatsächlich mit guten Gewinnen am Aktienmarkt rechnen. Wenn das männliche Sexualhormon Testosteron besonders stark ausgeschüttet wird, ist das folglich gut für das Portfolio.

Börse und Testosteron: Testosteronaufruhr an der Chicagoer Börse.

Testosteronaufruhr an der Chicagoer Börse.

(Foto: Foto: dpa)

Das haben jedenfalls Forscher der britischen Universität Cambridge herausgefunden. Sie begleiteten17 Aktienmakler acht Tage lang auf dem Londoner Börsenparkett und analysierten zweimal am Tag den Speichel der Börsianer - die Menge der Hormone Testosteron und Cortisol interessierte sie. Die Ergebnisse wurden abgeglichen mit den Gewinnen oder Verlusten, die sie am jeweiligen Tag eingefahren hatten.

Das Resultat der Professoren John Coates und Joe Herbert: Börsianer mit hohen morgendlichen Testosteronwerten verdienen oft mehr Geld als Kollegen mit niedrigeren Werten.

Den Zusammenhang zwischen Börsenkurve und Hormonspiegel erklären die Wissenschaftler damit, dass Testosteron das Selbstvertrauen stärke und Lust auf Risiko wecke. "Das Steigen des Testosterons verführt die Börsenmakler zu riskanteren Entscheidungen", urteilt Studienautor John Coates aus Cambridge. Die Risikobereitschaft könne sich durch höhere Gewinnmargen bezahlt machen.

Die unsichtbare Hand verteilt Pillen

Das Ende der Finanzkrise ist absehbar, könnte man meinen. Die amerikanische Notenbank Fed wird nicht mehr den Leitzins dosieren müssen, sondern ganz einfach morgens an der Wall Street mit unsichtbarer Hand eine Ladung Hormonpillen ausgeben - und alles geht wieder aufwärts. Und wenn die Broker gutgelaunt zu Werke gehen, kommt bestimmt auch das Vertrauen der Anleger zurück.

Die Professoren der Studie bekräftigen: "Unsere Arbeit legt nahe, dass die Entscheidungen der Börsenmakler durch emotionale und hormonelle Faktoren beeinflusst wurden, die bislang noch nicht genau genug untersucht worden sind". Experte Herbert: "Jede Theorie zur Entscheidungsfindung in der höchst anspruchsvollen Umgebung des Finanzhandels sollte künftig auch den Faktor hormoneller Veränderungen berücksichtigen."

In Zukunft werden an der Börse also nicht mehr nur die Aktienkurse auf großen Tafeln angezeigt, sondern am besten die Hormonspiegelschwankungen der Händler. Der Pillenumsatz an der Wall Street wird geradezu explodieren, wenn die Ergebnisse der Wissenschaftler befolgt werden - und irgendwann wird man dann halt Dopingkontrollen einführen müssen.

In ihrer Studie fanden die Forscher auch heraus, dass das Hormon Cortisol, ein körpereigener Gegenspieler des Testosterons, ebenfalls Börsenentscheidungen beeinflussen kann. Cortisol wird bei Stress ausgeschüttet und kann die gute Laune dämpfen - eine Gefahr, die gerade angesichts der aktuellen Konjunktureintrübung besteht. "Die gegenwärtige Kreditkrise könnte bei Händlern Unwohlsein auslösen und sie in einen Zustand psychischer Verzweiflung stürzen, weil sie einen hohen Cortisol-Überschuss haben", erklärt Coates. In solchen Fällen würden auch gutgemeinte Leitzinssenkungen der Zentralbanken nicht helfen, weil die Männer unter dem Diktat ihrer Hormone zu irrationalen Börsenentscheidungen neigten, welche die Krise noch verschärfen.

Auch die komplexen marktpsychologischen Faktoren, die bei Börsen-Crashs oder Spekulationsblasen wirksam werden, sollen hormonell beeinflusst sein. Der Cambridger Hirnforscher Joe Herbert erläutert: "Die Aktienmakler arbeiten unter extremem Druck, der sie selbst tiefgreifend beeinflussen kann und mit ihnen die gesamten Märkte."

Die im US-Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie wird hässliche Szenen auf dem Börsenparkett nach sich ziehen. Verlieren ist schlimm genug, nun kommen noch dumme Bemerkungen dazu: "Kleines Hormontief, Kollege?"

Exzessiver Testosteronstand führt zu Spekulationsblasen

Außer kursabhängigem Doping scheint keine Lösung in Sicht. Wer nach weiblichen Brokern ruft, die nicht nur Getriebene ihres Hormonspiegels wären und damit Vernunft ins Börsengeschehen zurückbringen würden, stößt auf ein grundlegendes Problem: Wenn Testosteron der Schlüssel zum Erfolg ist, dann sind weibliche Makler die geborenen Verlierer.

Tröstend ist nur, dass Börsenerfolg nicht ausschließlich mit Intelligenz zu tun hat. Dramatisch tritt zutage, wovon der Wohlstand aller Anleger abhängt: Laut Herbert und Coates setzt das Siegergefühl bei den erfolgreichen Börsenmaklern wiederum weiteres Testosteron frei - das kann letztlich auch zu Selbstüberschätzung führen, mit riskanten Konsequenzen. "Wenn der Testosteronstand exzessiv wird, wie dies etwa bei Spekulationsblasen der Fall ist, kann die Lust auf Risiko obsessiv werden", warnt Coates. Ein Befund, der die Gefahren von extremem Doping aufzeigt: Möglicherweise ist übermäßige Hormonpillen-Futterei in Übersee die wahre Ursache für den sträflichen Börsenleichtsinn und damit für die Finanzkrise.

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