Auf den ersten Blick gibt es keine großen Unterschiede zwischen dem Deuten von Sternen und Aktienkursen. Linien, Graphen, Zahlen, unlesbare Abkürzungen und Namen sind beiden Disziplinen gemein - und der erwartungsvolle Blick in die Zukunft. Doch zumindest eine, die Aktienprognose, hat geirrt. Da halfen die ganzen Widerstände und Unterstützungslinien nichts - wer sich nur auf die Chartanalyse verlassen hat, ist in den vergangenen Monaten mit Aktien auf die Nase gefallen.
Karl-Heinz Waldenberger hat trotzdem beides mitgebracht an diesem Abend im VIP-Raum der Bamberger Sporthalle. Sternbilder und Aktiencharts legt er nebeneinander. Er will aufzeigen, wie sogenannte Konjunktionen hoch oben am Himmel zeitlich gleichlaufen mit Kursstürzen an den Börsen. Angeblich geht das -"nur der Weizenpreis hat letztens nicht so reagiert, wie ich mir das ausgemalt habe", sagt er. Vielleicht kann dieser Mann mit dem Blick in die Sterne Ordnung hineinbringen in das derzeitige menschengemachte Chaos auf der Erde, kann vorhersagen, wie sich die Zahlen entwickeln, die Kurse und die Wirtschaft im Allgemeinen.
"Ich glaub' ned an Ufos, muss man dazusagen."
Nennt er sich doch vielversprechend "Spica", nach dem hellsten Stern im Bild Jungfrau. Klingt gut und ist wohl naheliegend bei dem Job: Spica ist Finanzastrologe, bringt Solarwinde und Sternenkonstellationen mit den Gründungsterminen von Börsen zusammen und eben auch ihren Abstürzen. Und liegt damit nach eigenen Angaben oft richtig. Wobei er, so versichert Waldenberger, dabei durchaus bodenständig sei: "Ich glaub' ned an Ufos, muss man dazusagen."
Normalerweise verbreitet Spica seine Prognosen in einem Internetforum, heute ist er nach Bamberg gekommen. Der Unterstützerkreis des örtlichen Bundesligisten "Brose Baskets" hat ihn zum gemeinsamen Blick in die Sterne geladen. Mit dabei die lokale Prominenz: Oberbürgermeister Andreas Starke, ein Mann von der SPD. Mehrere Autoverkäufer, ein lustiger, glatzköpfiger Fondsmanager, der Filialchef einer großen deutschen Bank, viele Damen mit Perlohrringen. Und eine Frau, die mit ihrem Mann Hyaluronsäure vertreibt, zum Unterspritzen von Falten. Mit ihrem Mittel könne man herunterhängende Mundwinkel gealterter Geschäftsmänner in Form bringen, sagt sie der neugierigen Tischrunde. Und dass sie sich sehr dafür interessiere, zu welcher Anlagestrategie nun ein Finanzastrologe rät in diesen Krisenzeiten.
Zumindest klingt es nach Erfolg, was Spica sagt. "Ich arbeite auf die erste Milliarde hin", sagt er. Die Leute sind still. Irgendwie arbeitet ja jeder auf seine erste Milliarde hin. Auch wenn man es vielleicht nicht so offen sagen würde wie der selbstbewusste Astrologe auf der Bühne in seinem T-Shirt, Sakko und Jeans.
Finanzastrologie als Kunst
Sein wichtigster Ratschlag an die Leute, die es ihm gleichtun wollen: nicht den Astrologen glauben. Mit den selbstgestrickten Vorhersagen in Frauenzeitschriften habe Finanzastrologie nichts zu tun. "Und ein Merkur-Horoskop für Ihr Geld, sowas existiert auch nicht." Ihm gehe es nicht um Schicksale oder konkrete Prognosen. Vielmehr könne man durch aufwendige Berechnungen gewissermaßen "Landschaften der Zeit" entdecken, meint Spica und lässt Grafiken mit Sternbildern über die Leinwand flimmern. "Das, was ich mache, ist eine künstlerische Form, so etwas wie Musik." Die Frau vom Faltenvertrieb wird später begeistert meinen: "Ich finde den gut. So wie diesen Beuys, der Kloschüsseln verkauft hat."
Lesen Sie auf der folgenden Seite, auf welche Weise Karl-Heinz Waldenberger die Sterne deutet.
Der Aktienkurs steht in den Sternen
So unbekannt die Methode hierzulande ist - "ich habe davon noch nicht viel gehört, aber es interessiert mich", sagt etwa der örtliche Bankchef, - so prominent ist der Blick in die Sterne anderswo. Die Börsenbibel "Barrons" bescheinigte dem New Yorker Astrologen Henry Weingarten 1990, er habe den Crash der Tokioter Börse richtig vorhergesagt. Und der TV-Sender Fox News beschwor seine Zuschauer gar einmal: "Glauben Sie ihm!"
Auch der Bankengründer J. P. Morgan soll von Astrologen beraten worden sein, immer wieder zitiert die Sternendeuter-Szene den ihm zugeschriebenen Satz: "Millionäre engagieren keine Astrologen, Milliardäre tun es." Ob er wirklich gefallen ist, ist ungewiss, aber der Mythos hat zumindest einen Markt geschaffen: Für 1300 Dollar gibt es im Internet etwa das Programm "Financial Astrological Research" zu kaufen. Es verspricht quantitative Analysen auf der Grundlage von Marktpreisen und Sternbildern. Die Ergebnisse werden in Tabellen oder Kuchendiagrammen präsentiert. Auch Waldenberger alias Spica nimmt den Computer zu Hilfe. Er arbeitet mit den langsam laufenden Planeten, hat Rohstoff- und Warenterminbörsen im Blick, überhaupt Handelsplätze auf der ganzen Welt. Der Beamer wirft die Bahnen von Pluto und Neptun an die Wand, die sich in seinem Schaubild im Jahr 1918 schneiden ("Sie wissen: Kriegsende!"), ebenso 1989 - und 2006. Er habe damals bereits gesagt, dass "eine Zeit zu Ende gehen wird", gibt Spica zu bedenken.
"Die Derivatblase wird bis 2012 platzen."
Wie man das jetzt privat nutzen könnte, fragt die Dame mit der Hyaluronsäure von rechts. Dazu könne er nichts sagen, sagt Spica. Sein einziger zukunftsgerichteter Tipp an diesem Abend: "Die Derivatblase wird bis 2012 platzen." Mehr wolle er nicht preisgeben, dazu seien gute Finanzberater besser geeignet, meint Spica und nennt einen Schweizer Professor. Während der Fondsmanager eifrig mitschreibt, gibt der Astrologe zu bedenken, dass es natürlich auch nicht schade, die Sonnenwinde im Auge zu behalten. Und zu versuchen, "dass man häufiger auf der richtigen Seite liegt". Da nicken die Bamberger beifällig.