Black Jack und Statistik:Der Spieler

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Der Unternehmer Yuchun Lee überlistete beim Black Jack Kasinos mit angewandter Statistik - nun kommt die Geschichte ins Kino. Der Zocker von einst ist heute Unternehmer.

Martina Farmbauer

Bis zum 11. September 2001 kam Yuchun Lee auf dem Rückflug aus dem Wochenende recht einfach durch die Sicherheitskontrolle: 300.000 Dollar am Körper festbinden, dicke Jacke drüber, fertig. Im Gepäck aufgeben können hätte er die Scheine schon damals nicht, weil sie beim Durchleuchten aufgefallen wären. "Die Sicherheitsleute hätten sofort Drogengeschäfte vermutet'', sagt Lee. Waren es aber nicht. Er hatte das Geld an den Tagen zuvor am Spieltisch gewonnen.

Statistik am Spieltisch: Yuchun Lee verdiente Millionen beim Black Jack. (Foto: Foto: dpa)

Yuchun Lee gehörte damals zu einer Gruppe von Studenten und Absolventen der Elite-Universität MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Cambridge, die in den neunziger Jahren statistische Methoden benutzten, um beim Black Jack im Kasino die Bank zu besiegen, und damit mehrere Millionen Dollar abräumten. Genau zu erklären, wie sie das machten, ist natürlich zu kompliziert. Aber im Grunde zählten sie die entscheidenden Karten, die der Bankhalter ausspielte, schlossen daraus, ob ihnen diejenigen von Vorteil sein würden, die noch im Stapel waren, und kalkulierten, was sie wagen könnten.

"Berechnungen im Kopf''

Das ist lange her, aber an diesem Dienstag ging es nochmal um die Vergangenheit. Yuchun Lee, 42, verheiratet, drei Kinder, lud die Belegschaft seiner heutigen Firma ins Kino ein. Denn dort wird eine ganz ähnliche Geschichte seit Freitag unter dem Titel "21'' gezeigt. Noch am ersten Wochenende erreichte der Film des Schauspielers und Regisseurs Kevin Spacey Platz eins in den amerikanischen Kinocharts. Am 10.April startet er auch in Deutschland.

Yuchun Lee sagt: Es gibt Parallelen zwischen Black Jack und Unternehmensführung. "Ich betrachte das, was wir gemacht haben, nicht als Glücksspiel. Ins Kasino zu gehen ist für mich wie arbeiten: Man muss sein Gehirn benutzen und wird nach einer Weile sehr müde." Statistik anwenden, ein Team bilden, langfristig denken - das tut er heute noch und das sollen auch seine Leute in der Software-Firma Unica, die er nahe Boston gegründet hat - wiederum mit anderen MIT-Absolventen. In den USA ist das Unternehmen schon Marktführer, nun fokussiert sich Lee in großem Stil auf Europa, wo etwa die Commerzbank und die Mobilfunkanbieter O2 oder Vodafone zu den Abnehmern zählen.

"Ich bin ein Unternehmer aus ganzem Herzen", sagt Yuchun Lee, der mit 13 aus Taiwan in die USA kam, die erste Firma als Highschool-Schüler eröffnete und die zweite zu Beginn der MIT-Zeit. Dann kam Unica. In deren ersten Jahren, als Lee noch Single war, arbeitete er fast ununterbrochen dafür. Als Beruf in seiner Steuererklärung trug er in seiner Hochzeit als Spieler jedoch "applied statistician" ein - angewandter Statistiker.

Statistik, Datenauswertung und Wahrscheinlichkeitstheorie waren Yuchun Lees Spezialgebiete am MIT, wo er durch Plakate auf ein Black-Jack-Team der Universität aufmerksam wurde. Lee bewarb sich, trainierte dort, Karten zu zählen, und flog fortan regelmäßig am Freitagabend in die Spielerparadiese Las Vegas im Westen oder Atlantic City im Osten der USA. Was er zusätzlich lernen musste: ein Pokerface zu machen. Während viele seiner Kollegen nach kurzer Zeit entdeckt wurden, flog Lee erst nach fünf Jahren im Geschäft auf.

Angst vorm gläsernen Menschen

Seitdem hat er Hausverbot in Kasinos auf der ganzen Welt. "Eine Möglichkeit, sich zu schützen", sagt Dieter Gundro, Geschäftsführer eines privaten Kasinos in München. Es gebe Spieler, die versuchten, sich durch Kartenzählen einen Vorteil zu verschaffen. Das sei legal, "solange die Berechnungen nur im Kopf gemacht werden", sagt der Münchner Anwalt Michael Hettich, Experte für Glücksspielrecht. "Aber die meisten Betreiber behalten sich in den Geschäftsbedingungen vor, Gäste auch ohne Angabe von Gründen des Hauses zu verweisen.''

Yuchun Lee ist auf die Kasinos ohnehin nicht angewiesen. Die Software-Firma Unica entwickelte zunächst allgemeine Lösungen für Statistik und Datenauswertung. Dann erkannten Lee und die anderen Firmengründer vom MIT, dass ihr Produkt im Marketing am nützlichsten ist und konzentrierten sich fortan darauf. Letztlich ist alles Statistik: Wenn ein Unternehmen seine Kunden gezielt ansprechen will, muss es mehrere hundert Kampagnen jährlich steuern. Das geht nur mit automatisierten Verfahren. Für die genaue Ansprache des Kunden wiederum sind Informationen über die Klienten nötig.

Die Datensammlung über die Kunden ist inzwischen so detailliert, dass manche vor dem gläsernen Menschen warnen, den Statistiker und Informatiker wie Yuchun Lee und ihre Computerprogramme schaffen. Lee sagt dazu: "Die meisten Konsumenten sind bereit, Informationen über sich preiszugeben, wenn sie relevante Angebote bekommen. Einige Firmen überschütten sie jedoch. Dabei sollte sich Marketing wie ein Service anfühlen."

© SZ vom 2.4.08/jkf/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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