Bilanz:Papier mit Problemen

Energieausweis

Der Energieausweis soll Aufschluss geben über den energetischen Zustand eines Hauses, ist aber auch umstritten.

(Foto: dena)

Der Energieausweis wird von vielen Vermietern ignoriert. Kontrollen gibt es kaum. In der Kritik stehen auch die Berechnungsformeln.

Von Joachim Göres

Seit 2002 gibt es den Energieausweis für Neubauten, seit 2008 für ältere Wohngebäude. Der Ausweis soll Miet- und Kaufinteressenten ermöglichen, verschiedene Angebote hinsichtlich der künftig entstehenden Heizkosten besser miteinander zu vergleichen. Vermieter sollen durch den Ausweis veranlasst werden, in moderne Heiztechnik und in die Dämmung zu investieren, um sich bei der Mietersuche einen Vorteil zu verschaffen - und so zur Energieeinsparung im Sinne des Klimaschutzes beitragen. Seit 2014 ist der Energieausweis für Vermieter und Verkäufer Pflicht. Sie müssen ihn unaufgefordert vorlegen und schon in Inseraten über die Werte informieren. Die Praxis sieht anders aus.

Viele Mieter fragen lieber nicht nach. Sie wollen schließlich die Wohnung bekommen

Nach einer Stichprobe des Deutschen Mieterbundes (DMB) in verschiedenen Großstädten wird der Energieausweis bei 80 Prozent der von Maklern und 75 Prozent der von Wohnungsunternehmen angebotenen Wohnungen nicht von sich aus präsentiert. Selbst auf Nachfrage der Mietinteressenten lege nur ein Viertel der Vermieter beziehungsweise Makler einen Energieausweis vor. "Wo der Wohnungsmarkt angespannt ist, zögern viele Wohnungssuchende, das Thema überhaupt anzusprechen, um nicht ihre Chancen zu verschlechtern", sagt Agnes Sauter, Leiterin Verbraucherschutz der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Nach einer DUH-Untersuchung von Immobilienanzeigen Anfang dieses Jahres gaben 66 Prozent der gewerblichen Anbieter den Endenergiewert an, nannten das Baujahr des Objektes, die Art der Heizung und - bei seit dem 1. Mai 2014 ausgestellten Ausweisen - die Energieeffizienzklasse. Bei den privaten Anzeigen fanden sich diese Pflichtangaben bei ganzen 14 Prozent. Werden sie nicht gemacht, gilt dies seit Mai dieses Jahres als Ordnungswidrigkeit, bei der ein Bußgeld droht.

In vielen Anzeigen fehlen jedoch die Angaben. Für Sauter kein Wunder, gibt es doch ein rechtliches Schlupfloch: Die Werte des Energieausweises müssen in einem Inserat nicht veröffentlicht werden, wenn er zum Zeitpunkt der Anzeigenschaltung nicht vorliegt. "Es ist sehr ärgerlich, dass dieses Schlupfloch von vielen gewerblichen Anbietern schamlos ausgenutzt wird. Spätestens zum Zeitpunkt der meist wenige Tage später stattfindenden Besichtigung muss ja der Energieausweis vorhanden sein", sagt Sauter.

Der eigentliche Skandal sei allerdings, dass sich niemand darum kümmere. In keinem Bundesland werde kontrolliert, ob der Pass wirklich vorgelegt und seine Werte in Inseraten angegeben werden. Nur in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen würden die Behörden tätig, wenn sich Bürger beschwerten. Laut Sauter sind dafür meist die unteren Bauaufsichtsbehörden zuständig.

Solche Beschwerden sind laut DUH die seltene Ausnahme. Von verhängten Bußgeldern ist Sauter nichts bekannt. Die DUH hat inzwischen in 67 Fällen Gerichtsverfahren gegen Makler eingeleitet, die gegen die Informationspflicht verstoßen haben - davon wurden 28 Fälle abgeschlossen, in denen die Makler dazu verurteilt wurden, die Vorgaben einzuhalten. Ihnen drohen allerdings erst im Wiederholungsfall Geldstrafen. Die anderen Verfahren sind noch nicht entschieden.

Ob sich wie erhofft durch die Einführung des Energieausweises Vermieter zu Investitionen entschlossen haben, wie bekannt die Energieausweispflicht bei Mietinteressenten ist, wie oft gegen sie verstoßen wird - das sind alles Fragen, die die Bundesregierung in einer kleinen Anfrage der Grünen im Mai nicht beantworten konnte. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern: Erst 2017 sollen die Länder die bis dahin gemachten Erfahrungen mit dem Energieausweis für die Bundesregierung zusammenfassen und dabei auch über ihre Ergebnisse aus Stichprobenkontrollen informieren. Solche Kontrollen ohne einen konkreten Anlass gibt es laut DUH bisher in keinem Bundesland. Lediglich bei Neubauten verlangen Sachsen, Baden-Württemberg und Hamburg die Vorlage eines Energieausweises.

Das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin hat mehr als 600 000 Energieausweise erfasst, die seit Mai 2014 ausgestellt wurden. Durch elektronische Kontrollen sollen bei Stichproben die Angaben auf ihre Plausibilität hin überprüft werden. Wie häufig es bisher zu groben Auffälligkeiten gekommen ist, darüber gibt das Institut keine Auskunft. Auf das Nachrechnen der Werte verzichtet es.

Energieberater kommen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen - beim selben Haus

Der Verband Haus & Grund hat kürzlich zehn Energieberater aus der Expertenliste der Deutschen Energie-Agentur sowie über ein Online-Portal damit beauftragt, für zwei Häuser Energieausweise auszustellen. Ergebnis: Die von den Fachleuten ermittelten Werte unterschieden sich um bis zu 46 Prozent. Die Klassifizierung für ein und dasselbe Haus reichte von "energetisch gut saniert" bis "energetisch nicht wesentlich modernisiert". Die Schlussfolgerung von Kai Warnecke, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes der Hausbesitzer und Vermieter: "Der Energiekennwert gibt keinen Hinweis darauf, ob ein Mieter mit hohen oder niedrigen Heizkosten zu rechnen hat. Deshalb hat er in Anzeigen nichts zu suchen."

"Diese Pflicht muss bestehen bleiben, denn damit setzt Deutschland nur EU-Recht um, und für Mietsuchende ist dies ein Anhaltspunkt hinsichtlich künftig zu erwartender Heizkosten", erwidert Sauter. In einem Punkt stimmt sie der Kritik von Haus & Grund allerdings zu: "Die Berechnungsmethoden müssen präzisiert und vereinheitlicht werden. Da besteht ein großer Handlungsbedarf."

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