BGH-Prozess um Zinswetten:Deutsche Bank zu Schadenersatz verdonnert

Herbe Schlappe für die Deutsche Bank. Das Institut muss mehr als eine halbe Million Euro Schadenersatz für spekulative Zinswetten zahlen. Der Kunde sei nicht genügend aufgeklärt worden, entschied der BGH.

Dieses Urteil schlägt Wellen: Im Streit um riskante Zinswetten hat die Deutsche Bank eine Schlappe vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erlitten. Die Karlsruher Richter verurteilten Deutschlands größtes Geldhaus zur Zahlung von 540.000 Euro Schadenersatz an ein mittelständisches Unternehmen. Es hatte bei einem sogenannten Swap-Geschäft mit der Bank einen beträchtlichen Verlust erlitten.

Deutsche Bank veroeffentlicht Quartalsergebnis

Herbe Schlappe: Die Deutsche Bank ist in einem Verfahren um den Verkauf riskanter Zinsswaps an mittelständische Unternehmen höchstrichterlich zu Schadenersatz verurteilt worden.

(Foto: dapd)

"Spread Ladder Swaps" beruhen auf der Differenz (Spread) zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen. Die Erwartung bei den Swaps (englisch: "tauschen") war, dass die langfristigen Zinsen stärker steigen als die kurzfristigen. Doch im konkreten Fall kam es anders: Der Anleger fuhr einen beträchtlichen Verlust ein.

Brisant ist das Urteil, weil viele andere Mittelständler, Städte und kommunale Unternehmen bei Swap-Geschäften mit der Deutschen Bank Verluste gemacht haben (Az. XI ZR 33/10). Es geht um 200 Betroffene, der Gesamtschaden für sie beläuft sich nach Schätzungen auf mehr als eine Milliarde Euro.

Die Schäfchen im Trockenen

Das Institut hat nach Ansicht der Richter seine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kunden, dem Hygienebedarfs-Hersteller Ille aus Altenstadt in Hessen, verletzt. Insbesondere hätte die Bank darüber aufklären müssen, dass bei derartigen Produkten ein "schwerwiegender Interessenkonflikt" bestehe, weil bei solchen Zinswetten der Gewinn der Bank gleichbedeutend mit einem Verlust des Kunden sei.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Wiechers ging mit der Bank hart ins Gericht. "Der Vergleich mit einer Wette ist eine Verharmlosung des Risikos. Hier ist das Risiko unbegrenzt und kann bis zum finanziellen Ruin des Kunden gehen", sagte er in Karlsruhe. Die Deutsche Bank habe die Swaps "bewusst zu Lasten des Anlegers" konstruiert und ihre Schäfchen vorher ins Trockene gebracht.

Der BGH stellt dabei hohe Anforderungen an die Beratungspflichten der Bank: Bei einem "hochkompliziert strukturierten und riskanten Produkt" müsse den Kunden "in verständlicher und nicht verharmlosender Art und Weise insbesondere klar vor Augen geführt werden, dass das für ihn nach oben nicht begrenzte Verlustrisiko nicht nur ein 'theoretisches' ist, sondern (...) real und ruinös sein kann". Die Aufklärung des Kunden müsse gewährleisten, dass dieser "im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank". Nur dann könne der Kunde eigenverantwortlich entscheiden, ob er die ihm angebotene Wette annehme.

Das BGH-Urteil ist nun der erste höchstrichterliche Entscheid in einem solchen Fall. Im Kern musste geklärt werden, ob die Deutsche Bank mit sogenannten Swap-Geschäften Kommunen und Mittelständler über den Tisch zog - oder ob Kämmerern und Finanzverantwortlichen der Firmen klar war, welches Risiko für sie bestand.

Urteil mit erheblicher Tragweite

Deutsche-Bank-Anwalt Reiner Hall hatte das Gericht vor der erheblichen Tragweite eines Urteils gegen die Deutsche Bank gewarnt. Der Dax-Konzern hatte stets betont, er habe die Kunden auf die Risiken der Anlage hingewiesen und angemessen beraten.

Das Urteil dürfte im Streit um derartige Geschäfte Bedeutung für zahlreiche weitere Klagen von Mittelständlern und Kommunen gegen die Deutsche Bank haben. Auch andere Institute haben ähnliche Produkte verkauft.

Die Deutsche Bank allerdings erklärte, sie erwarte keine Klageflut nach dem Urteil. In den Vorinstanzen hatte sie - wie im vorliegenden Fall - die meisten Verfahren für sich entschieden. Viele Urteile seien bereits rechtskräftig oder die Verfahren durch Vergleich erledigt, sagte ihr Anwalt Christian Duve in Karlsruhe. Die Bank habe ausreichend Risikovorsorge für die "überschaubare" Zahl und den Streitwert noch anhängiger Verfahren gebildet.

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