Besichtigung:Führungen im 20-Minuten-Takt

Berlin von unten
!FOTOS NUR FÜR IMMO-SEITEN 1.12.2017.

Holger Happel, Jahrgang 1975, ist seit 2003 beim Verein Berliner Unterwelten tätig und leitet Führungen durch den Berliner Untergrund.

(Foto: Giovanni Lo Curto/Berliner Unterwelten e.V.)

Ein Verein bringt jährlich etwa 330000 Menschen in Berliner Tunnel und Katakomben. Die Zusammenarbeit mit den Eigentümern der unterirdischen Bauwerke ist eine besondere Herausforderung.

Interview von Lars Klaaßen

Seit 1997 erforscht und dokumentiert der gemeinnützige Verein "Berliner Unterwelten" alte Anlagen unter dem Berliner Pflaster. Er erschloss damit brachliegendes Terrain. Ihr Sprecher Holger Happel erläutert, wie es dazu kam und wohin das führt.

SZ: Was sind das für Menschen, die sich zusammentun, um den Untergrund ihrer Stadt zu erkunden?

Holger Happel: Das sind zum einen Leute, die beruflich eine Nähe zum Thema haben, wie Architekten, Historiker oder Stadtplaner. Aber auch Handwerker, Justizbeamte, Lehrer, Pensionäre, Polizisten, Rentner, Schüler und viele andere sind dabei, die ein persönliches Interesse mitbringen. 1997 gründeten elf Interessierte den Verein, heute haben wir rund 500 Mitglieder. In Berlin sind viele Orte im Untergrund verborgen, die von der bewegten Stadthistorie erzählen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, diese Orte zu entdecken, herauszufinden, welche Geschichten sie erzählen, sie zu erhalten und für andere Menschen zugänglich zu machen. Vor 15 Jahren organisierten wir die ersten Führungen. Im ersten Jahr nahmen rund 3000 Menschen daran teil. 2016 haben wir etwa 330 000 Besucher durch den Untergrund geführt.

Wie öffnet man die Türen dorthin?

Anfangs wurde der Verein manchmal noch skeptisch beäugt, ob da nicht vielleicht ein paar Spinner anklopfen. Aber mit den Jahren hat sich herumgesprochen, dass wir ernsthafte Interessen äußern und diese auch seriös vertreten. Mit den wachsenden Aufgaben haben wir uns zunehmend professionalisiert. Das spiegelt sich auch darin wider, dass der Verein 2006 die "Silberne Halbkugel" verliehen bekam, hierzulande die höchste Auszeichnung im Denkmalschutz. Unsere Arbeit erstreckt sich von wissenschaftlicher Recherche in Archiven bis zu Bildungsseminaren, die wir geben. Im letzten Jahr mit rund 700 Teilnehmern. Auch die Führungen müssen wie ein Uhrwerk organisiert sein. Die finden teils im 20-Minuten-Takt statt. Da leisten die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder sehr viel. Ohne Geschäftsstelle mit ein paar Hauptberuflichen geht es mittlerweile aber auch nicht mehr. Unsere Arbeit ist zudem eng verzahnt mit anderen Akteuren wie der Berliner Verwaltung, den Verkehrs- oder den Wasserbetrieben.

Wie funktioniert die Kooperation mit den anderen Akteuren?

In der Regel schließen wir Nutzungsvereinbarungen mit Ihnen ab, die von Fall zu Fall sehr unterschiedlich aussehen. Teils sind wir Mieter der Anlagen, teils zahlen wir Gebühren, um bestimmte Touren zu machen. Einen Weltkriegsbunker, der Berlin gehört, halten wir instand. Das "Museum im Alten Wasserwerk" betreiben wir seit 2014 in enger Kooperation mit den Berliner Wasserbetrieben. In lange unzugänglichen Räumen des U-Bahnhofs Gesundbrunnen zeigen wir die Ausstellung "Mythos Germania - Vision und Verbrechen" über Architektur und Städtebau im Berlin der NS-Zeit. Anders sieht es wieder am U-Bahnhof Pankstraße aus, der parallel als Kernstück eines Atombunkers konzipiert worden ist, aber nach wie vor regulär von der BVG als Haltestelle betrieben wird. Wir haben die Erlaubnis, dort Gruppen durchzuführen und auch jene abgetrennten Bereiche zu nutzen, die Teil des Atombunkers waren. Dafür bestand anfangs die gesetzliche Verpflichtung, eine Ausbildung zur "Schutzrauminstandhaltung" zu absolvieren. Denn der Bunker sollte im Ernstfall ja genutzt werden. Das hat sich mittlerweile erledigt.

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