Berlin:Ungebremst

Panorama von Berlin Mitte mit dem Fernsehturm Berliner Dom Berlin Deutschland

Beim Stichwort "Steueroasen" kommt den meisten eher das Panorama einer Stadt im Karibik in den Sinn - doch Berlin scheint genauso angebracht zu sein.

(Foto: Jochen Tack/imago)

Die Mieten in der Hauptstadt steigen wieder schneller, wie eine Studie zeigt. Wohnungen werden im Durchschnitt für neun Euro je Quadratmeter angeboten. Das Interesse am Immobilienmarkt in Berlin wächst - und ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht.

Von Steffen Uhlmann 

Grau und ausgesprochen trübe findet Henrik Baumunk das Wetter dieser Tage in Berlin. Die Miene des Geschäftsführers vom weltweit größten Immobiliendienstleister CBRE hellt sich aber sofort wieder auf, wenn er auf die Entwicklung des Miet- und Neubaumarktes sowie der Kaufpreise in der Hauptstadt zu sprechen kommt. "Da ist eine Dynamik drin, die in Deutschland einmalig ist", sagt er und schnalzt dabei beinahe mit der Zunge. Schließlich gebe es, so Baumunk, trotz dieser rasanten Entwicklung bei Mieten und Kaufpreisen "noch immer Luft nach oben".

Aktuelle Marktdaten dazu liefert der Wohnmarktreport Berlin 2017, den sein Unternehmen gemeinsam mit dem Immobilienfinanzierer Berlin Hyp nun vorgelegt hat. Demnach wurden Wohnungen in Berlin im vergangenen Jahr für durchschnittlich neun Euro je Quadratmeter und Monat (kalt) angeboten. Damit lagen sie 5,6 Prozent oder 50 Cent höher als im Jahr zuvor und damit wieder auf dem Wachstumsniveau von vor zwei Jahren. 2015, im Einführungsjahr der Mietpreisbremse, waren sie lediglich um 2,3 Prozent gestiegen.

Auch Immobilienkäufer müssen mit deutlich höheren Preisen rechnen

Noch deutlich höher falle die Mietsteigerung aus, wenn man bei den Berechnungen möblierte Wohnungen berücksichtige, die mittlerweile mehr als 27 Prozent des gesamten Mietangebots ausmachten, ergänzt CBRE-Marktbeobachter Michael Schlatterer. "Dann kommen wir sogar auf 9,6 Prozent Steigerung."

Um den gleichen Wert angezogen haben dem Report zufolge auch die Preise für Wohneigentum. Über alle Marktsegmente hinweg stiegen die durchschnittlichen Angebotspreise für Eigentumswohnungen auf knapp 3300 Euro je Quadratmeter. Noch weit übertroffen wurde dieser Anstieg von den Preissteigerungen für Mehrfamilienhäuser. Für diese erhöhte sich der mittlere Angebotspreis über alle Marktsegmente hinweg um 15,7 Prozent auf nunmehr 2253 Euro pro Quadratmeter.

Entsprechend wächst auch das Interesse am Investitionsstandort Berlin. 2016 wurden in der Stadt Investments ab 50 Wohneinheiten für circa 3,4 Milliarden Euro getätigt - mithin knapp ein Viertel des bundesweiten Transaktionsvolumens von 13,7 Milliarden Euro. "Deutschland und dabei insbesondere Berlin gelten für die global weiterhin liquiden Investoren unverändert als sicherer Hafen und damit als höchst attraktiv", konstatiert Schlatterer nüchtern.

Die Ursachen für die deutschlandweit einmalige Dynamik bei Miet- und Kaufpreisen in der Hauptstadt aber sind vielfältiger. Berlin-Hyp-Vorstand Gero Bergmann hat vor allem die rasante Bevölkerungsentwicklung bei gleichzeitig unzureichendem Neubau in der vergangenen Dekade als Preistreiber ausgemacht. So wuchs die Einwohnerzahl der Stadt seit 2005 um 270 000 Menschen. Trotz Neubauboom von aktuell 32 000 Wohnungen (geplant oder bereits im Bau) sei der wachsende Bedarf an Wohnungen nicht zu befriedigen, ist Bergmann überzeugt. Auch damit wächst der Druck auf den Wohnungsmarkt. Zumal die Leerstandsquote mittlerweile auf einen neuen Tiefpunkt von 1,2 Prozent gesunken ist. "Das Angebot", so Bergmann, "wird immer geringer, denn bei Verknappung und Verteuerung sinkt stets auch die Umzugsbereitschaft."

Für Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins (BMV), spiegelt der Report überaus deutlich die "schonungslose Marktrealität" in Berlin wider. Zu dieser Realität gehört, dass die Mietpreisbremse, wie die Mietervereine befürchtet haben, nicht wirkt. Schließlich ist 2016, im ersten vollständigen Jahr seit ihrer Einführung, der Mietanstieg sogar noch deutlich höher ausgefallen als im Jahr zuvor. Das trifft die Berliner hart. Zwar liegen die Angebotsmieten noch immer deutlich unter dem Niveau westdeutscher Großstädte wie Stuttgart (7,4 Prozent höher), Hamburg (16,2 Prozent), Frankfurt/Main (37,9 Prozent) und dem Spitzenreiter München (67,8 Prozent), zugleich aber fallen Einkommen und Kaufkraft der Berliner fast genauso deutlich hinter die der Bewohner dieser Städte zurück. Baumunk aber glaubt, dass durch Zuzug einkommensstarker Neuberliner und steigender Wirtschaftskraft der Stadt die Dynamik am Markt bis auf Weiteres anhält. "Sicherlich wird der Abschwung irgendwann kommen", sagt er. "Aber erst einmal noch nicht."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: