Berkshire Hathaway:"Herr Buffett, was soll ich mit meinem Leben anfangen?"

Warren Buffett, Chef von Berkshire Hathaway und reichster Mann der Welt, sagt bei der Aktionärsversammlung harte Zeiten voraus und umwirbt den deutschen Mittelstand.

Nikolaus Piper

Vor seinen Hauptversammlungen überrascht Warren Buffett die Aktionäre gerne. Dieses Mal waren es schlechte Nachrichten, die er nur wenige Stunden vor Beginn des Treffens veröffentlichte. Um nicht weniger als 64 Prozent sei der Gewinn im ersten Quartal eingebrochen, teilte Buffetts Firmenholding Berkshire Hathaway mit - statt 2,6 Milliarden sind es jetzt nur noch 940 Millionen Dollar.

Berkshire Hathaway: Popstar der Investmentbranche: Warren Buffet auf der Hauptversammlung seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway.

Popstar der Investmentbranche: Warren Buffet auf der Hauptversammlung seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway.

(Foto: Foto: Reuters)

Das war am Freitag Abend, die Wall Street hatte schon geschlossen und auf dem Eppley Airfield von Omaha landeten die letzten Gäste aus aller Welt. Auch die Details aus dem Quartalsbericht von Berkshire sind nicht schön: Das Unternehmen muss 1,7 Milliarden Dollar auf eine hochspekulative Verkaufsoption abschreiben, die Einnahmen aus Versicherungsprämien sinken.

Woodstock des Kapitalismus

Andere werden bei solchen Zahlen nervös, nicht so Buffetts Aktionäre. Am Samstag Morgen schlotterten die ersten bereits um sechs Uhr in der Kälte vor den noch verschlossenen Türen des Qwest Centers, der großen Sporthalle von Omaha, um einen guten Platz beim Jahrestreffen zu ergattern. Als sich dann dreieinhalb Stunden später Buffett und sein Vize Charlie Munger den Fragen der Anteilseigner stellten, gab es praktisch keine kritischen Wortmeldungen.

Das Aktionärstreffen im Westen Nebraskas ist, was es schon immer war: eine Pop-Veranstaltung, ein Woodstock des Kapitalismus. Über 31.000 Besucher aus aller Welt sind nach Omaha gekommen, so viel wie noch nie. Einige landeten mit erheblicher Verspätung, weil ein Unwetter den Flugverkehr über dem Mittleren Westen der USA eine Stunde lang lahmgelegt hatte.

Eine Gruppe von Wirtschaftsstudenten war aus Westbengalen angereist, um "die amerikanische Investitionskultur kennenzulernen", wie einer von ihnen, Sarath S. Nair, sagte. Der Bonner Verleger Norman Rentrop brachte einen Trupp von 35 Anlegern aus dem Rheinland mit. Mütter mit Kinderwagen, alte Männer im Rollstuhl, Studenten in kurzen Hosen, Herren im dunklen Anzug - sie alle wollten vor allem eines: hören, was das Orakel von Omaha zur Lage der Aktienmärkte und darüberhinaus zu sagen hat. Die Verehrung, die dem Chef von Berkshire Hathaway entgegenschlägt, drückte ein Gymnasiast aus Bonn so aus: "Herr Buffett, was soll ich mit dem Rest meines Lebens anfangen?" fragte er.

Bedeutungslose Abschreibungen

Es gibt auch Besucher wie Eileen Sawyers, eine Hausfrau aus Omaha. "Ich habe gar keine Aktien," bekennt sie am Rande der Veranstaltung, "aber ich habe reiche Freunde, die mich mitgenommen haben. Ich finde Warren einfach toll." Heute, da die Finanzmärkte von der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg heimgesucht werden, scheint die Faszination Buffetts eher noch zu wachsen. Der Meister hatte sich schon immer über die gescheiten Leute an der Wall Street und deren Theorien vom "effizienten Kapitalmarkt" lustig gemacht.

Die komplizierten Wertpapiere, die sie entwickelten, nannte er einmal "Massenvernichtungswaffen". Dass sich ein paar von diesen Waffen auch in seinen Büchern wiederfinden, stört niemanden. Die Leute glauben ihm, wenn er behauptet, die Abschreibungen dieses Jahres seien "bedeutungslos" und dass die Papiere bei Fälligkeit in den Jahren 2019 bis 2027 Gewinn abwerfen werden.

Trotz Krise hat Buffett seinen Freund Bill Gates überholt und ist jetzt mit einem Vermögen von 62 Milliarden Dollar der reichste Mann der Welt. Auch seinen Aktionären ging es dabei nicht schlecht: Der Kurs der Berkshire-Aktie stieg gegen den Trend an der Wall Street um elf Prozent.

Buffett zeigt, wo der Hammer hängt

Es sieht so aus, als fördere die Krise bei Buffett geradezu die Produktion von Geschäftsideen. Vor zwei Wochen übernahm er zusammen mit dem Mars-Konzern den Kaugummi-Hersteller Wrigley. Zuvor hatte er Berkshire Hathaway Assurance Inc gegründet. Sie versichert Anleihen amerikanischer Städte und Bezirke. Nun konnte er den Aktionären mitteilen, dass die junge Firma schon im ersten Quartal mehr als 400 Millionen Dollar an Prämien eingenommen und damit die komplette, von der Finanzkrise gebeutelte Konkurrenz überholt hat.

Wieder einmal hat er den anderen gezeigt, wo der Hammer hängt. Ein wenig Ärger bringt der Erfolg aber mit sich: Die Ratingagentur Moody's hatte Berkshire Assurance die Bestnote AAA gegeben, wobei offenbar niemand daran dachte, dass Buffett mit 19,1 Prozent Großaktionär von Moody's ist. Jetzt vermutet ein Staatsanwalt in Connecticut Interessenkonflikte und ermittelt. Unwahrscheinlich allerdings, dass daraus eine Anklage wird, schließlich behauptet niemand, Buffetts Leute hätten Moody's Entscheidung beeinflusst.

Im übrigen schafft Buffett dadurch Vertrauen, dass er gezielt Erwartungen dämpft. "Die Party ist vorbei", hatte er schon im März in einem Brief an die Aktionäre geschrieben. Beim Aktionärstreffen wurde er konkreter: Berkshire Hathaway (Bilanzsumme: 273,2 Milliarden Dollar) sei so groß, dass es immer schwerer werde, attraktive Akquisitionsobjekte in der richtigen Größenordnung zu finden. Der Kurs der Berkshire-Aktie war seit 1965 in jedem Jahr durchschnittlich um 21,1 Prozent gestiegen. "Jeder der glaubt, die Vergangenheit könnte sich wiederholen, der sollte seine Aktien verkaufen", sagte Buffett jetzt. "Es wird nicht passieren."

Interesse an Familienunternehmen

Berkshire Hathaway war ursprünglich ein bankrottes Textilunternehmen, dessen Mantel Buffett nutzte, um nach und nach eine Holding mit über 70 Beteiligungen aufzubauen. Dazu gehören viele in Amerika populäre Marken: Eiscreme von Dairy Queen, Schokolade von See's Candies, Staubsauger von Kirby, Fertighäuser von Clayton. An Coca Cola, Kraft Foods und der Washington Post hält Berkshire nennenswerte Anteile.

Bei weitem am wichtigsten ist jedoch das Versicherungsgeschäft. Mit General Re besitzt Buffett die drittgrößte Rückversicherung der Welt, mit Geico einen der wichtigsten Autoversicherer Amerikas. Und hier liegt einer der Gründe für die Warnungen des Berkshire-Chefs: Die Rückversicherungs-Branche befindet sich weltweit in einem zyklischen Abschwung, dem sich auch der Meister aus Omaha nicht entziehen kann.

Um so wichtiger sind neue Geschäfte. Ende Mai wird Buffett zu einer Werbetour durch vier europäische Staaten reisen. Vor allem scheint ihn dabei der deutsche Mittelstand zu interessieren. "Ich fände es schön, wenn deutsche Familienunternehmer, die sich mit dem Gedanken tragen, ihr Geschäft zu verkaufen, uns auf ihrem Radarschirm hätten", sagte er am Samstag.

Nichts Neues zur Nachfolge

Es hörte sich an, als sehe er Berkshire Hathaway als Alternative zu den in Deutschland als "Heuschrecken" verpönten Finanzinvestoren. Buffett steht im Ruf, das Management von Firmen, die er kauft, weitgehend unbehelligt zu lassen. Für einen "Unternehmer, dem sein Geschäft am Herzen liegt" sei er ein guter Partner, versicherte Buffett einem Frager aus München.

Zu einem anderen wichtigen Thema allerdings sagte Buffett nichts Neues - zur Frage, wer ihn einmal ablösen soll. Immerhin ist er 77 Jahre alt, sein Vize Charlie Munger 84. Einer seiner Söhne, Howard Buffett, sitzt im Verwaltungsrat. Buffett wiederholte mit fast denselben Worten, was er schon in seinem letzten Aktionärsbrief mitgeteilt hatte: Es gebe drei interne Kandidaten, die jederzeit bereitstünden, seine Aufgabe als Vorstandschef zu übernehmen. "Der Board weiß genau, wen er auswählen muss, sollte ich ausfallen, entweder wegen Todes oder wegen nachlassender Fähigkeiten." Vier externe Kandidaten gebe es für den Job des Investmentmanagers. Sie seien "wohlhabend bis reich" und sicher nicht durch ein hohes Gehalt zu motivieren.

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