Beipackzettel für Finanzprodukte:Zu Risiken und Nebenwirkungen ...

... fragen Sie Ihren Berater oder Beipackzettel. Etliche Banken veröffentlichen übersichtliche Produktinfos - doch die lösen das Grundproblem nicht.

H. Freiberger

Wie können Banken das verloren gegangene Vertrauen wiedergewinnen? Das war am Mittwoch das zentrale Thema beim "6. Berliner Bankentag", auf dem die Bankengruppen ihre Rezepte für die Zukunft vorstellten. Ihr Ruf hat nicht nur durch die Finanzkrise gelitten, sondern auch durch einen Test zur Beratungsqualität, den die Stiftung Warentest vor kurzem durchführte. Das Ergebnis war verheerend. Kein einziges Institut bekam die Note gut. Schlimmer geht es fast nimmer.

Beipackzettel, Grafik: SZ

Ein Fortschritt sind sie - aber lange noch nicht ideal: Die neuen Beipackzettel für Finanzprodukte, die Banken wie ING-Diba anbieten.

(Foto: Foto: SZ-Grafik)

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) verliert langsam die Geduld. Schon vor Monaten hat sie eine Art "Beipackzettel" für Geldanlagen angeregt, in dem die wichtigsten Eigenschaften und Risiken der Produkte für Anleger aufgelistet sein sollen. Wenn sich die Banken dazu nicht durchringen könnten, dann müsse eben ein Gesetz her, drohte die Ministerin kurz vor Weihnachten.

Deutliche Verbesserung

Zwei Institute haben den Beipackzettel schon eingeführt. Die Direktbank ING-Diba trat damit bereits im September an die Öffentlichkeit. Sie führt auf ihrer Internetseite (www.ing-diba.de) auf jeweils gut einer DIN-A4-Seite in zehn Stichpunkten die wichtigsten Informationen für 22 Anlageprodukte auf. Die Deutsche Bank startete im neuen Jahr mit dem Beipackzettel. Er listet über sieben grafische Symbole die zentralen Informationen zu einem Produkt auf und soll nach und nach 2010 für alle Investmentfonds und Zertifikate eingeführt werden.

Niels Nauhauser, Anlageexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, hat sich die Beipackzettel der beiden Institute angesehen. Positiv findet er, dass sie "viel aussagekräftiger sind als das sonst übliche Werbematerial". Auch dass die wesentlichen Kosten dargestellt sind, zum Beispiel der Ausgabeaufschlag bei Fonds, die Bestandsprovision oder die Orderkosten beim Börsenhandel, rechnet er den Instituten positiv an. Insofern sei das Formblatt eine Verbesserung im Vergleich zur vorherigen Situation.

Kriterien für gute Beratung

Allerdings, und das ist für Nauhauser das Entscheidende, ändert auch ein Beipackzettel nichts an der grundsätzlichen Malaise bei der Anlageberatung: "Der Berater ist gleichzeitig der Verkäufer", sagt der Verbraucherschützer. Das sei so, als wenn es im Gesundheitsbereich keinen Arzt mehr gäbe, der die Medikamente verschreibt, sondern der Patient die Arznei gleich vom Apotheker bekäme. "Da nützt auch der Beipackzettel nichts, ich brauche eine unabhängige Instanz, die mir vorher sagt, ob ein Medikament für mich geeignet ist."

Übertragen auf die Geldanlage, würde das bedeuten, dass eine Beratung nötig ist, die nicht von der Bank oder der Versicherung selbst kommt, sondern am besten von einer unabhängigen Stelle, die auf Honorarbasis arbeitet und nicht am Verkauf der Produkte selbst verdient. Nach Nauhausers Vorstellung müssten diese Honorarberater auch staatlich kontrolliert werden, zum Beispiel von der Finanzaufsicht Bafin. Sie müsste Kriterien für gute Beratung entwickeln und die Berater kontrollieren. Diese könnten demnach auch ihre Lizenz verlieren.

Mit dem Beipackzettel erfährt der Verbraucher zwar die wesentlichen Merkmale eines Produkts. Er weiß aber noch nicht, ob sich das Produkt für seinen persönlichen Bedarf wirklich eignet. "Er hilft nur gut informierten Anlegern, und wer kann das schon von sich behaupten?", fragt Nauhauser. Kaum jemand könne alle Informationen auf dem Blatt objektiv richtig interpretieren. Das Problem flächendeckend mangelhafter Beratung werde es deshalb nicht lösen.

Auch an Details der Zettel übt Nauhauser Kritik: Die ING-Diba habe zum Beispiel beim Tagesgeld das Zinsänderungsrisiko nicht angegeben. Schließlich könne man das Produkt nicht nur täglich kündigen, auch die Zinsen könnten täglich fallen.

Kein Ersatz für Beratungsgespräch

Bei der Deutschen Bank hält der Verbraucherschützer die Zuordnung zu den Anlageklassen für problematisch. So fällt ein Zertifikat, das den Aktienindex Euro-Stoxx 50 abbildet, im Beipackzettel der Anlageklasse "Aktien" zu. "Das ist irreführend, weil sich nur die Rendite auf Aktien bezieht, von der Anlageform her bleibt das Zertifikat aber eine Schuldverschreibung, schließlich besteht das Risiko, dass die Bank pleite geht und das ganze Geld weg ist", sagt Nauhauser.Gerade Anleger, die eine breite Streuung des Risikos über alle Vermögensklassen erzielen wollten, würden getäuscht.

Im Extremfall könnte das dazu führen, dass sie nur Zertifikate einer Bank im Depot haben und damit einem einseitigen Risiko ausgesetzt seien. Anderes Beispiel: Bei einer Schatzanleihe hat die Deutsche Bank im Formblatt Renditebalken angegeben, ohne dabei die Kosten einzurechnen. "Das halte ich für unseriös, gerade vor dem Hintergrund, dass der Beipackzettel die Transparenz erhöhen soll", sagt Nauhauser.

Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht die Beipackzettel kritisch. Das Info-Blatt könne kein Beratungsgespräch ersetzen, weil aus ihm nicht hervorgehe, ob sich ein Produkt für einen Anleger eignet. Und solange es nicht alle Banken einführen, könnten die Verbraucher auch nicht vergleichen. Schließlich, so die Verbraucherschützer, solle das Formblatt "kein Marketing-Gag einzelner Banken bleiben". So fällt das Fazit über den Beipackzettel, den Ministerin Aigner notfalls per Gesetz durchsetzen will, nicht gerade berauschend aus: Er ist nur besser als nichts.

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