Bayern-LB Chef Kemmer:"Der Markt ist zurzeit hysterisch"

BayernLB-Chef Michael Kemmer über die Milliarden-Belastungen seiner Bank, die Rolle des Freistaats Bayern und seine Pläne für den Mittelstand.

Marc Beise und Thomas Fromm

Michael Kemmer, 50, sitzt seit einem Monat auf dem Chefsessel der BayernLB. Er übernahm den Posten von dem langjährigen Landesbank-Chef Werner Schmidt, dem Kommunikationsfehler vorgeworfen wurden. Kemmer muss nun die Rolle des Krisenmanagers übernehmen: Die Milliardenbelastungen aus der Kreditkrise steigen zurzeit im Wochenrhythmus, gleichzeitig muss sich der Ex-Hypo-Vereinsbank-Manager Kemmer mit seinen Anteilseignern, allen voran dem Freistaat Bayern, arrangieren. Und: Er soll die Bank nach außen hin besser darstellen, als es sein Vorgänger getan hat.

Bayern-LB Chef Kemmer: Michael Kemmer: "Wir tun alles Menschenmögliche."

Michael Kemmer: "Wir tun alles Menschenmögliche."

(Foto: Foto: Reuters)

SZ: Herr Kemmer, die BayernLB muss Milliardenbelastungen aus der US-Hypothekenkrise verdauen; Sparkassen und der Freistaat Bayern übernehmen Milliardengarantien. Schlimmer hätte es kaum kommen können, oder?

Michael Kemmer: Das ist übertrieben. Wir haben uns entschieden, offen zu kommunizieren und die Lage aktiv zu managen, bevor andere Druck auf uns ausüben.

SZ: Den Eindruck hatten wir zuletzt nicht. Die ganze Wahrheit kam doch nur scheibchenweise ans Tageslicht. Zuerst hieß es, es sei alles nicht so schlimm, dann war von 1,9 Milliarden Euro die Rede, inzwischen sprechen wir von einer Bürgschaft von sechs Milliarden Euro.

Kemmer: Die Höhe der Bürgschaft bedeutet ja nicht, dass die BayernLB tatsächlich eine so hohe Summe verlieren wird. Das große Problem ist, dass der Markt zurzeit hysterisch ist und nicht mehr differenziert. Deswegen ist es vernünftig, dass unsere Anteilseigner die Risiken abschirmen. Das bringt allen Beteiligten Ruhe und Entlastung.

SZ: Wie kommen Sie eigentlich auf die Zahl sechs Milliarden? Die Belastungen betragen zurzeit doch "nur" 4,3 Milliarden Euro.

Kemmer: Das ist rund ein Viertel unseres Bestandes an kritischen Wertpapieren, der etwa 24 Milliarden Euro beträgt. Wir glauben, dass es diese Garantien braucht, um den Markt zu beruhigen.

SZ: Woher können wir wissen, dass es bei den sechs Milliarden Euro bleibt und nicht noch der ganz große Knall kommt?

Kemmer: Absolute Gewissheit gibt es nicht, niemand kann derzeit vorhersehen, was noch alles passiert. Die Märkte sind nach wie vor hochnervös.

SZ: Insgesamt haben Sie 24 Milliarden Euro in kritischen Papieren investiert. Schließen Sie aus, dass der Steuerzahler am Ende nicht für die gesamten 24 Milliarden aufkommen muss?

Kemmer: Zunächst steht die BayernLB für Verluste von bis zu 1,2 Milliarden Euro gerade. Danach müssten die Anteilseigner für maximal 4,8 Milliarden Euro einstehen. Das macht summa summarum sechs Milliarden Euro oder etwa 25 Prozent des Portfolios aus. Damit haben wir eine weitreichende Abschirmung vorgenommen.

SZ: Können Sie verstehen, dass die Steuerzahler sauer darüber sind, dass nun sie die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen die Landesbanker eingebrockt haben?

Kemmer: Selbstverständlich, das ist aus Sicht jedes einzelnen Bürgers absolut nachvollziehbar, aber wir tun alles Menschenmögliche, um dem Steuerzahler Lasten zu ersparen. Bislang hat der Steuerzahler für die BayernLB keinen Cent zu zahlen gehabt.

SZ: Vielen Sparkassenvorständen treibt das Ganze die Zornesröte ins Gesicht - wie wollen Sie das Vertrauen dieser wichtigen Gruppe wiedergewinnen?

Kemmer: Ich kann die Sparkassenvorstände gut verstehen, mir würde es an deren Stelle ja genauso gehen. Es ist daher wichtig, dass wir alle konstruktiv und offen miteinander reden und kooperieren.

SZ: Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass Sie 24 Milliarden Euro in wackelige Anlagen investiert haben?

Kemmer: Diese Papiere sind heute wackelig, aber über viele Jahre waren sie sichere und ertragreiche Investments mit sehr guter Bewertung der Rating-Agenturen. Die strategischen Überlegungen, die damals angestellt wurden, sind heute noch absolut nachvollziehbar.

SZ: Sie haben jetzt Ihren Risikovorstand Gerhard Gribkowsky entlassen. Dürfen wir also annehmen, dass Risiken bei Ihnen im Hause nicht richtig eingeschätzt wurden?

Kemmer: Das sind Themen, über die ich in der Öffentlichkeit nicht spekuliere. Zuständig ist hier im Übrigen der Verwaltungsrat.

SZ: Sie selbst waren seit 2006 Finanzchef der BayernLB - und damit an verantwortlicher Position. Müssen Sie sich den Schuh nicht auch selbst anziehen?

Kemmer: Alle Entscheidungen waren Entscheidungen des gesamten Vorstandes, dem ich seit 2006 angehöre. Da werden Sie von mir keinerlei Distanzierungen hören. Mit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise im Sommer 2007 haben wir den Ankauf solcher Positionen komplett gestoppt.

"Der Markt ist zurzeit hysterisch"

SZ: Von privaten Banken ist zu hören, dass die sich schon vorher von eigenen kritischen Anlagebeständen getrennt hätten - und gerade unter den Landesbanken dankbare Abnehmer für ihre Ramsch-Papiere gefunden hätten.

Kemmer: Ich kann nicht für andere Landesbanken sprechen. Sollte es so sein, könnte die Erklärung sein, dass es unterschiedliche Einschätzungen der Marktentwicklung gab. Im ersten Halbjahr gab es noch sehr starke Stimmen, die davon ausgegangen waren, dass es sich nur um eine kleine Marktdelle handelt, die sich bald wieder ausbügelt.

SZ: Sie haben seit Sommer 2007 keine riskanten Geschäfte mehr getätigt. Wann steigen Sie wieder ein?

Kemmer: Die Frage stellt sich im Moment nicht; der Markt für diese Papiere ist zusammengebrochen. Aber es kann sein, dass in einigen Monaten die ersten Institute wieder zukaufen. Hedge-Fonds nutzen angeblich schon jetzt für sie günstige Einstiegspreise. Aber schon allein aus psychologischen Gründen würde ich zurzeit ausschließen, dass sich die BayernLB an einer solchen Rally beteiligen würde. Wir werden aber auch nicht überstürzt aussteigen, wenn sich erste Erholungstendenzen zeigen.

SZ: Das heißt, solche Papiere kommen Ihnen nicht mehr ins Haus?

Kemmer: Vollständig ausschließen will ich für die Zukunft gar nichts. Aber ich halte es für unwahrscheinlich.

SZ: Warum wollen Sie eine neue Gesellschaft gründen, um dorthin Ihre riskanten Anlagen in Höhe von 24 Milliarden Euro auszulagern?

Kemmer: Ziel ist, die wirtschaftlichen Risiken aus unserer Bilanz herauszunehmen. Dafür ist eine Zweckgesellschaft das geeignete Mittel.

SZ: Als Anteilseigner hätten wir Angst, dass Sie bei der BayernLB jetzt wieder leichtsinnig werden und das Geld verzocken.

Kemmer: Das können Sie ausschließen. Wir werden mit der Garantie sehr verantwortungsvoll umgehen.

SZ: Sie könnten alternativ eine Kapitalerhöhung durchführen und private Kapitalgeber mit aufnehmen. Dies würde dann nicht auf Kosten des Steuerzahlers gehen.

Kemmer: Dafür ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.

SZ: Warum nicht?

Kemmer: Weil Sie für Anteile an Landesbanken zurzeit einen starken Abschlag hinnehmen müssten.

SZ: Mit anderen Worten: Sie müssten die BayernLB verramschen.

Kemmer: So könnten Sie es volkstümlich formulieren. Aus Sicht der Anteilseigner wäre es nicht klug, jetzt die BayernLB zu privatisieren.

SZ: Sie wollen das Geschäftsmodell der BayernLB verändern. Weg von riskanten Anlagen, hin zum klassischen Geschäft mit Privatkunden und Mittelständlern. Wie soll das gehen?

Kemmer: Es gibt in Bayern rund 3700 Mittelständler mit einem Umsatz von 20 Millionen Euro und mehr. 13 Prozent dieser Unternehmen haben schon mit der BayernLB zu tun; bei drei Prozent sind wir Hausbank. Das zeigt ganz deutlich unser Potential. Der Name BayernLB strahlt bei den Mittelständlern nach wie vor Vertrauen und Solidität aus.

"Der Markt ist zurzeit hysterisch"

SZ: Vertrauen? Angesichts der jüngst veröffentlichten Zahlen klingt das doch wie blanker Hohn.

Kemmer: Es ist trotzdem so. Mittelständler vertrauen uns auch wegen unserer Anteilseigner. Unsere Chance besteht darin, gemeinsam mit den Sparkassen dieses Vertrauen in Zukunft besser zu nutzen.

SZ: Aber für die Sparkassen sind Sie doch eigentlich Konkurrenz.

Kemmer: Wir profitieren alle davon, wenn wir stärker zusammenarbeiten. Es gibt viele Kunden, da lohnt sich für die Sparkassen die Zusammenarbeit.

SZ: Sie haben Interesse an der Mittelstandsbank IKB angemeldet - rechnen Sie sich dabei wirklich Chancen aus?

Kemmer: So weit sind wir noch lange nicht. Wir haben ein unverbindliches Angebot abgegeben und schauen uns die Bank an. Wir wollen ja im Mittelstandsgeschäft wachsen, da wäre es fahrlässig, wenn wir das nicht täten.

SZ: Kritiker sagen, da würden sich zwei Lahme zusammentun, um besser gehen zu können.

Kemmer: Wir interessieren uns nur für den gesunden Teil der IKB. Angesichts der aktuellen Marktlage - und des - wenn man glauben kann, was man in der Zeitung liest - überschaubaren Bieterkreises, darf man auch auf den Preis gespannt sein.

SZ: Wäre es nicht die bessere Alternative, sich in die Arme der wirtschaftlich erfolgreicheren Landesbank Baden-Württemberg zu flüchten?

Kemmer: Das Bild, in die Arme eines anderen zu flüchten, ist nicht schön. Fusionen, die aus der Schwäche eines Partners heraus entstehen, sind nicht sinnvoll. Erst wollen wir die Belastungen aus der Finanzkrise aufarbeiten, dann sehen wir weiter.

SZ: Aber irgendwann werden Sie sich der Debatte stellen müssen.

Kemmer: Der Konsolidierungsprozess unter den Landesbanken ist schwierig. Da möchte ich mich noch nicht festlegen.

SZ: Ihr Vorgänger Werner Schmidt hat wenig kommuniziert, CSU-Chef Erwin Huber als Mitglied des Verwaltungsrates umso mehr. Dann hat Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein zur Bank Stellung bezogen - stört es Sie, wenn Politiker ständig mitreden?

Kemmer: Wenn die Bank selbst transparent und offen über ihr Geschäft redet, besteht keine Notwendigkeit, dass es ein anderer tut.

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