Baustoffe:Die heimliche Gefahr

Nasse Keller sanieren - nicht alles kann der Heimwerker selbst machen

Heimwerken ist beliebt und hilft beim Sparen. Wer beim Kauf der Materialien aber nicht auf Qualität schaut, könnte sich Probleme ins Haus holen.

(Foto: Caparol/picture-alliance/gms)

Viele Materialien, die bei alten und neuen Immobilien zum Einsatz kommen, enthalten schädliche Substanzen. Für Laien ist das kaum zu erkennen.

Von Ingrid Weidner

Einen hartnäckigen Husten schreiben viele Betroffene der kalten Jahreszeit oder der Vireninvasion im Gedränge von Bussen und Bahnen zu. Doch wenn der Reizhusten im Frühjahr noch nervt, kann auch ein ungesundes Raumklima in der Wohnung die Ursache sein. Bis zur richtigen Diagnose haben Betroffene oft eine Odyssee durch zahlreiche Arztpraxen hinter sich. Eva Reinhold-Postina vom Verband der Privaten Bauherren (VPB) kennt solche Geschichten und die schwierige Suche nach den Ursachen. Sie nennt mehrere Faktoren für gesundheitliche Probleme aufgrund des Wohnumfelds: die immer besser isolierten Häuser, das fehlerhafte und zu seltene Lüften, schlechtes Heizen und eine ausgeprägte Heimwerkermentalität.

Wenn Heimwerker Farben und Lacke beim Discounter kaufen und mehr auf den Preis als auf Qualität achten, holen sie sich möglicherweise Probleme nach Hause. Dazu kommt, dass selbst Verbraucher mit guten Chemie-Kenntnissen nicht mehr alle Zusatzstoffe der Bauprodukte auf der Verpackung finden. Früher konnten sich Verbraucher wenigstens darauf verlassen, dass bestimmte Baustoffe auf Gesundheits- und Umweltverträglichkeit überprüft wurden. Zuständig dafür war das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBT) in Berlin, das Zulassungen für Bauprodukte erteilt. Wurde ein Bauprodukt hinsichtlich Gesundheits- und Umweltverträglichkeit geprüft, bewertet und zugelassen, musste es der Hersteller mit einem Ü-Zeichen (Übereinstimmungszeichen) versehen. Nur mit diesem Siegel gekennzeichnete Produkte gelangten in den Handel. Die Prüfungen musste der Hersteller von unabhängigen Prüfinstituten durchführen lassen. Doch mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH-Urteil C-100/13) änderte sich das. Geklagt hatte die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland, das nationale Prüfzeichen schränke den freien Handel von Waren ein. Ein Mitgliedsland dürfe Hersteller nicht verpflichten, Produkte zusätzlich darauf überprüfen zu lassen, ob sie Gesundheit oder Umwelt schädigen. Nur das CE-Zeichen (Communauté Européenne) ist für innerhalb der EU gehandelte Waren verpflichtend. Doch mit "CE" gekennzeichnete Bauprodukte werden weder auf Gesundheits- noch Umweltschutz überprüft.

Viele Baumittelhersteller beschwerten sich immer wieder über die Kennzeichnungspflicht, und deren Lobbyverbände überzeugten die EU-Kommission, eine Klage anzustrengen. Das Urteil vom 16. Oktober 2014 sah eine zweijährige Übergangsfrist vor, die am 15. Oktober 2016 endete.

Heute wird zu schnell gebaut. Das ist meist nur mit chemischen Zusätzen möglich

Und wie sieht es mit der Wohngesundheit im Neubau aus? Auch für das schlüsselfertige Reihenhaus gibt es selten eine Garantie, dass nur gesundheitlich unbedenkliche Baustoffe verwendet wurden. Reinhold-Postina schätzt, dass 90 Prozent schlüsselfertig bauen. Kaum ein Bauträger lege freiwillig eine Liste der verwendeten Materialien, Baustoffe oder Lacke vor. Auch die heute übliche Bauweise begünstige spätere Gesundheitsprobleme: "Es wird schnell gebaut und bezogen", sagt die Ingenieurin. Ein nass gebautes Gebäude bleibe heute nur noch selten eine Saison stehen, um auszutrocknen. Der Innenausbau und Bezug der Immobilie erfolge viel zu schnell. Pausierten früher viele Gewerke am Bau über den Winter, werde heute fast das ganze Jahr über gearbeitet. "Das ist nur mit chemischen Zusatzstoffen in den Baumaterialien möglich", sagt Reinhold-Postina.

Die Münchner Architektin Beatrice Kopff hat sich auf gesundes und ökologisches Bauen spezialisiert. Zu ihr kommen oft Bauherren, die aufgrund von Allergien wissen, dass sie besonders vorsichtig sein müssen. Doch auch Auftraggeber, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen haben, sensibilisiert Kopff für das Thema. "Viele Bauherren denken, wenn sie ein Bauprodukt kaufen, ist es auch gesundheitlich unbedenklich. Doch das ist leider nicht so", sagt Architektin Kopff, "es gibt beispielsweise keine verbindlichen Grenzwerte für die Raumluft von Wohnräumen."

Kopff kritisiert Hersteller von Baustoffen, die bei den Inhaltsstoffen auch geringe Mengen von gesundheitlich bedenklichen Zutaten verwenden. Auch wenn es robusten Menschen kaum schade, so könnten solche Substanzen für sensible und gesundheitlich angeschlagene Menschen zum Risiko werden. Aufgrund der unvollständigen Deklaration sei für Laien oft nicht erkennbar, was für Stoffe im Produkt enthalten sind. Kopff empfiehlt denjenigen, die eine Immobilie schlüsselfertig kaufen wollen, vorher mit dem Bauträger zu vereinbaren, dass alle verwendeten Baumaterialien aufgelistet und auch kontrolliert werden, ob die Vorgaben eingehalten wurden. "Es ist schwierig, sich zu schützen", räumt Kopff ein, "doch es gibt Bauträger, die eine Schadstoffkontrolle und ein zertifiziertes Gebäude anbieten." Wer mit einem Architekten baue und auf gesundheitlich unbedenkliche Baustoffe bestehe, müsse für den gleichen Standard nicht wesentlich mehr zahlen, erklärt Kopff. Der verantwortliche Architekt achte auch bei den unterschiedlichen Gewerken darauf, dass die vereinbarten Materialien verbaut werden und keine unerwünschten Bauschäume, Lacke oder Farben im Haus landen. Wer eine gebrauchte Immobilie erwerben oder das Haus sanieren will, hat mehr Spielraum. Grundsätzlich sei der Ökobaustoffhandel sicherer, aber eine Garantie gebe es auch hier nicht. Der Blaue Engel garantiere beispielsweise emissionsarme Farben, emissionsfrei seien diese Produkte aber trotzdem nicht.

Vor dem Kauf einer gebrauchten Immobilie sollte man einen Gutachter zu Rate ziehen, empfiehlt Eva Reinhold-Postina vom VPB. Sie warnt vor den seit den Sechzigerjahren verbauten Verbundstoffen und den davon ausgehenden Gesundheitsrisiken. Mancher Immobilienkäufer überlege möglicherweise aufgrund des Gutachtens, ob sich der Kauf lohne, weil die Folgekosten unkalkulierbar hoch sein könnten.

Beatrice Kopff sieht aber auch manche Wünsche von Bauherren wie beispielsweise perfekte Oberflächen und ein makelloses Erscheinungsbild kritisch. Die Hochglanzmagazine mit ihren perfekten Wohnwelten trübten den Blick für die Realität. Eine perfekte Illusion lasse sich oft nur mit chemischen Zusatzstoffen erzeugen.

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