Baustoff: Steinzeug:Fliese, Fliese an der Wand

Wartungsarm, pflegeleicht, strapazierfähig und langlebig: Keramik an Gebäudefassaden ist eher eine Sache für Stararchitekten, Eigenheimbesitzer setzen das Material meist im Badezimmer ein.

Lars Klaaßen

Das schwarz-orangefarbene Muster erstreckt sich kleinteilig über die gesamte Wand. Warme Farbtöne auf kühlem Grund: Die Wand ist gefliest. Davor eine große, schwarze Ledercouch. Was an eine hippe Lounge im Retro-Look für junges Szene-Publikum erinnert, ist das Wohnzimmer der Familie Schwalenberg. Schon seit Mitte der sechziger Jahre wohnen die beiden mit diesem Wanddekor.

Während die Tapeten mit den Moden wechselten, blieb die geflieste Wand bestehen - und ist mittlerweile wieder modern. Für Keramik im Wohnzimmer gab nicht zuletzt ein pragmatischer Grund den Ausschlag: "Wir hatten damals einen Ölofen, der die Wand immer verdreckt hat", erzählt Helga Schwalenberg. Den Ofen gibt es schon lange nicht mehr. Dass man die Wand einfach mal schnell mit einem feuchten Lappen reinigen kann, freut die 66-Jährige aber noch heute.

"Keramik ist einfach nicht totzukriegen." Damit meint Architekt Rainer Köllner zwar nicht explizit die Wohnzimmerwand der Schwalenbergs, aber auch sie ist ein Beispiel für die hervorstechende Eigenschaft des Materials: Bei entsprechendem Umgang ist es sehr langlebig. Das gilt im Innen- wie im Außenbereich.

So wie in der Wohnung regelmäßig neu tapeziert und gemalert werden muss, ist an Hauswänden immer wieder neuer Putz oder zumindest neue Farbe gefordert. Für Eigentümer sind das Betriebskosten, mit denen gerechnet werden muss.

Wer hingegen Keramik an die Fassade anbringen lässt, spart langfristig. Das Material ist wartungsarm und pflegeleicht. Der Haken: Die Montage ist deutlich teurer als simpler Putz. Die Unterkonstruktionen sind aufwändig. An Eigenheimen sind Keramikfassaden daher selten zu finden.

Weiter verbreitet sind sie an Industrie-, Gewerbe- und Bürogebäuden. Und das nicht nur, weil sich das Verhältnis von Anschaffungs- zu Betriebskosten für Facilitymanager rechnet. Die ästhetische Wirkung des Materials hat schon Architekten wie Antoni Gaudí und Hans Scharoun begeistert. Die repräsentative Note von Keramikfassaden wird bis heute geschätzt: Renzo Piano hat seine Gebäude am Potsdamer Platz damit eingekleidet.

Fliese, Fliese an der Wand

Keramik ist nicht nur ein Design-Klassiker: Der Name stammt aus dem Altgriechischen. "Keramos" war die Bezeichnung für Ton und die aus ihm durch Brennen hergestellten formbeständigen Erzeugnisse.

Die Produktion von Keramik gehört zu den ältesten Kulturtechniken. Die Möglichkeit, Lebensmittel in Behältern aus diesem Material lange aufbewahren zu können, sorgte für eine weite Verbreitung der Keramik. Das Ausgangsmaterial Ton bot zudem sehr früh schon Anreize zu künstlerischer Gestaltung. In den vergangenen Jahrzehnten hat Keramik in technischen Anwendungen große Bedeutung erlangt. Technische Weiterentwicklungen des Materials wirken sich auch am Bau aus: Die Fliesen sollen sauber bleiben.

Hydrotect, eine Oberflächen-Veredelung für keramische Fliesen, ist die neueste Entwicklung, die für Sauberkeit sorgt und gleichzeitig strapazierfähig ist. Sie fußt auf der so genannten Photokatalyse: In die Glasur der Fliesen ist Titandioxid als Katalysator eingebrannt, der eine Reaktion zwischen Licht, Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit auslöst. Diese photokatalytische Wirkung wird schon bei normaler Raumbeleuchtung ausgelöst.

Der Effekt: Die Fliesenoberfläche wird "wasserfreundlich" und dadurch pflegeleicht. Wasser wird nicht abgestoßen, sondern verteilt sich als dünner, flächiger Film. So wird Schmutz unterspült und lässt sich mühelos entfernen.

Die Veredelung wird nicht einfach nur aufgesprüht oder anderweitig "kalt" aufgebracht, sondern bei hoher Temperatur in die Glasur eingebrannt. Im Vergleich zu herkömmlichen Versiegelungen, Imprägnierungen oder Beschichtungen ist Hydrotect dadurch so robust, dass neben Wand- auch Boden-Fliesen damit ausgestattet werden können. Die ursprünglichen Eigenschaften wie etwa Abriebfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit werden dadurch nicht beeinflusst, sondern bleiben erhalten.

Dort, wo Keramik bislang am häufigsten eingesetzt wird, spielen solche Eigenschaften eine große Rolle. Das ist zum einen im öffentlichen Raum: In U-Bahnhöfen etwa werden Fliesen nicht zuletzt deshalb benutzt, weil sie gut gereinigt werden können.

Das gleiche gilt fürs heimische Badezimmer - weil Keramik wasserabweisend und zugleich einfach zu pflegen ist. Und gerade das Bad gewinnt für viele Bauherren an Bedeutung. Die Unternehmensberatung BBE hat errechnet, dass das Marktvolumen für die private Badausstattung von 1995 bis 2005 um 10,2 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro gestiegen ist. Die spartanische Nasszelle ist out. Wellnesszonen sind angesagt. Es muss also nicht unbedingt die Keramikwand im Wohnzimmer sein.

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