Baustelle:Hauspartys

Der Bau einer Immobilie ist oft kräftezehrend. Wie gut, dass es viele Feste und Bräuche gibt, die den stressigen Alltag ein wenig auflockern. So kann man auch schon mal die neuen Nachbarn kennenlernen. Ein Überblick.

Von Felicitas Wilke

Ein Haus zu bauen ist eine große, oft nervenaufreibende Sache. Viele Menschen verschulden sich, um in die eigene Immobilie ziehen zu können und erleben über Monate, manchmal Jahre hinweg kleine und größere Katastrophen auf der Baustelle. Davor, zwischendrin und danach gibt es aber auch immer wieder Bräuche und Feste, die den stressigen Alltag auflockern. "Sobald Emotionen im Spiel sind, brauchen Menschen ein Ventil dafür", erklärt Heidrun Alzheimer, Inhaberin des Lehrstuhls für Europäische Ethnologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Und emotional werde es häufig, wenn ein neuer Lebensabschnitt beginne. Bei der Geburt eines Kindes, zum Schuleintritt, zur Hochzeit oder eben beim Hausbau gibt es viele Bräuche. "Jeder Anfang schreit nach einem Brauch", sagt die Professorin. Ein Überblick über die Feierlichkeiten rund ums Bauen.

Der erste Spatenstich

Im feinen Zwirn und bestens gelaunt stecken Klaus Wowereit, Matthias Platzeck und Hartmut Mehdorn auf dem Foto vom 5. September 2006 ihre Schaufeln in den Sand. Ziemlich genau zehn Jahre ist es her, dass sie mit den ersten Spatenstichen ganz offiziell die Bauarbeiten für den neuen Hauptstadtflughafen BER eingeleitet haben. Die drei Herren, einst als Regierender Bürgermeister, Ministerpräsident sowie Bahn- und Flughafen-Chef verantwortlich für den Bau, sind längst nicht mehr in Amt und Würden - und der Flughafen hat bekanntlich noch immer nicht eröffnet. Was bleibt, ist das Bild vom ersten Spatenstich. Ein Brauch, der vor allem bei öffentlichen Bauprojekten üblich ist und an Zeiten erinnert, als die Arbeiter die Böden tatsächlich noch mit Schaufeln umgruben. Dank Baggern geht es heute schneller. Auch, wenn der Fall des Flughafens dafür nicht gerade ein gutes Beispiel ist.

Die Grundsteinlegung

Auch die Grundsteinlegung markiert den offiziellen Beginn eines Bauprojekts. Ähnlich wie der erste Spatenstich wird auch dieser Brauch vor allem bei öffentlichen Großprojekten begangen. Der Grundstein muss nicht immer im wahrsten Sinne des Wortes ein Stein sein. So erinnert zum Beispiel am Münchner Nordfriedhof bis heute ein im Boden befestigter Stahlträger an den Tag, als die Bauarbeiten für die U-Bahn der Stadt begannen: den 1. Februar 1965. "Manchmal legt man auch noch eine Zeitkapsel, bestückt mit paar Münzen oder einer Zeitung vom Tag des Baubeginns, in die Grube, um der Nachwelt einen Eindruck von der Bauzeit zu hinterlassen", sagt Heidrun Alzheimer.

Das Richtfest

Wenn Bauherren und Handwerker das Richtfest feiern, dann ist das Gröbste schon geschafft. Das Richtfest gehört zu den bekanntesten Bräuchen rund ums Bauen und ist nicht nur bei Großprojekten, sondern auch bei Einfamilienhäusern eine Institution. Mindestens seit dem 18. Jahrhundert wird das Fest schon begangen, wenn das Dach aufgerichtet und damit eine der teuersten und aufwendigsten Arbeiten beim Hausbau erledigt ist. Die Bauherren spendieren zu diesem Anlass Essen und Getränke und laden die Handwerker und die zukünftigen Nachbarn ein. Zum Richtfest gehört auch ein kleiner Baum, in der Regel eine Fichte oder Birke, den die Zimmerleute auf dem Dachfirst anbringen. Heute ist das Bäumchen meist mit Kreppbändern geschmückt, früher waren es damals kostbare Taschentücher oder sogar Hemden. "Das waren Geschenke des Bauherrn an die Handwerker, mit denen er seine Zufriedenheit mit ihrer Arbeit ausdrücken wollte", erklärt Alzheimer. Bis heute ist das Richtfest ein Brauch, mit dem sich die künftigen Hausbewohner bei den Handwerkern bedanken. Und die feiern gerne mit: Es ist üblich, dass der Zimmermeister vom Dach aus einen Richtspruch vorliest und dann ein Glas an einem Holzbalken zerschellen lässt. Scherben bringen schließlich Glück. Manchmal müssen sich auch die Bauherren selbst an die Arbeit machen und den letzten Nagel ins Holz schlagen. "Es gibt den Brauch, dass der Bauherr für jeden Hammerschlag, den er braucht, bis der Nagel versenkt ist, einen Schnaps ausgeben muss", sagt Alzheimer.

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Die Professorin beobachtet aber, dass das Richtfest in den vergangenen Jahren ein Stück weit an Bedeutung verloren hat. Als Grund macht sie fest, dass Häuser zunehmend in Fertigbauweise produziert werden. "Dadurch ist das Dach oft schon innerhalb eines Tages aufgerichtet, und man verpasst das Ereignis schnell einmal", sagt sie. Immer öfter hinterließen die Bauherren den Handwerkern heute einfach ein großzügiges Trinkgeld anstatt ein Fest auszurichten.

Der Haussegen

Die Redensart ist bekannt: Der Haussegen hängt schief. Damit genau das nicht passiert, gibt es schon seit Jahrhunderten den christlichen Brauch, ein Haus oder eine Wohnung zu segnen. "Das soll das Haus und dessen Bewohner vor Krankheiten, Unwetter oder Naturkatastrophen schützen", erklärt Christoph Kürzeder, Leiter des Diözesanmuseums in Freising. Den Segen gibt es sowohl in greifbarer als auch in immaterieller Form. "In vielen Haushalten hing beispielsweise ein Bild vom heiligen Florian, der im Brandfall als himmlischer Feuerlöscher angerufen wurde und deshalb bis heute der Schutzpatron der Feuerwehr ist", sagt Kürzeder. Auf anderen Bildern standen fromme Sprüche. Vom 19. Jahrhundert an, als es bereits das Druckverfahren der Lithografie gab, wurde der Segen fürs Wohnzimmer zum Massenprodukt und zu einem beliebten Hochzeitsgeschenk, weiß Alzheimer. Den immateriellen Segen kann entweder der Pfarrer zum Einzug ins neue Heim spenden - oder die Sternsinger kommen am 6. Januar ins Haus und schreiben mit geweihter Kreide an den Türstock: Christus Mansionem Benedicat, Christus segne dieses Haus. Bei der Erzdiözese München und Freising heißt es, dass manche Gemeinden sich zuletzt eine neue Form des Haussegens haben einfallen lassen und gemeinsam mit Geistlichen eine Segensandacht unter freiem Himmel für ein ganzes Neubaugebiet abhalten.

Ein Segen fürs Haus sei in vielen Religionen üblich, sagt der Theologe und Ethnologe Kürzeder. So gibt es im Judentum beispielsweise die Mesusa, einen Behälter mit Texten aus der Tora, der an fast allen Türrahmen des Haushalts hängen sollte.

Brot und Salz

Wenn das Haus endlich steht oder die Wohnung bezugsfertig ist, schenken Freunde und Verwandte den neuen Bewohnern oft Brot und Salz zum Einzug. Ein Brauch, der Heidrun Alzheimer zufolge nicht nur zu diesem Anlass üblich ist. "Auch Brautpaare bekommen zur Hochzeit öfter Brot und Salz geschenkt", sagt sie. "Salz war früher ein sehr wertvolles Gut", erklärt die Professorin, was hinter dem Brauch steckt. Kühlschränke gab es nicht, also nutzte man Salz, um Lebensmittel wie Fleisch haltbar zu machen. Noch heute ist Salz daher ein Zeichen der Wertschätzung. In der Kombination mit dem satt machenden Brot stehe es beim Einzug für eine bestimmte Botschaft, sagt Alzheimer: "Wir wünschen euch, dass es euch hier gutgeht und ihr lange hier lebt."

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