Baukultur:Ideen aus der Bierkiste

Wie temporäre Kunstprojekte die Stadtplanung bereichern können, zeigt das Projekt "Raum auf Zeit".

Von Lars Klaaßen

Etwa 1500 Bierkisten, 5000 Kabelbinder und zehn Stableuchten hatten die 16 Studierenden in Paderborn gebraucht, um im Mai 2013 eine große Skulptur zu bauen. Die Stadt hatte sich auf das Modellvorhaben "Baukultur in der Praxis" des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung beworben. Einen Anstoß gaben in Paderborn Studierende der Alanus Hochschule in Alfter. Im Projekt "Raum auf Zeit" befassen sich dort Künstler, Wissenschaftler und Studierende seit 2005 mit dem Zusammenspiel von Kunst, Architektur und Stadtplanung.

"Welche Rolle können zeitlich begrenzte künstlerische Aktionen bei der Gestaltung von Stadträumen spielen? Das ist eine der zentralen Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen", erläutert Willem-Jan Beeren, Professor der Alanus Hochschule im Fachbereich Architektur und einer der drei Leiter des Projekts. In Paderborn schufen die Studierenden aus den Bierkisten eine begehbare Skulptur, die gewohnte Sichtweisen aufbrechen und neue Blickwinkel eröffnen sollte. Anfangs ergriffen die Kisten teppichartig Besitz vom Paderborner Franz-Stock-Platz. Sie veränderten dadurch Wege, weckten Aufmerksamkeit und ließen ein neues Raumgefüge entstehen. Langsam ließen die Studenten die Skulptur dann in die Höhe wachsen. Der Franz-Stock-Platz erfuhr eine Aufmerksamkeit wie lange nicht mehr: Die Paderborner fragten sich, was er ist und was er sein könnte.

"Solche zeitlich begrenzten künstlerischen Aktionen verändern den Raum, in dem sie stattfinden. Mit den Eingriffen erzielen die Planer, Architekten und Künstler vorübergehende Effekte, die den Dialog mit Passanten anregen, Erkenntnisse über den Raum bringen und neue Fragen aufwerfen", sagt Beeren. Gerade, wer sich lange mit einem Ort befasse, werde betriebsblind. "Daher profitieren auch professionelle Planer von solchen Interventionen, die nicht berechenbar sind." Die Teilhabe interessierter Bürger bei solchen Kunstprojekten macht den Stadtraum ein Stück weit öffentlicher. Die Auseinandersetzung und damit Planung bleibt nicht nur Sache von Experten, die selbst oft keine Alltagserfahrung zum konkreten Ort mitbringen. "Jedes Projekt bringt für den jeweiligen Ort überraschende Ergebnisse", so Beeren. Die Ergebnisse von "Raum auf Zeit" wurden unter diesem Titel in zwei Buchbänden zusammengefasst. Während die ersten Bände der Buchreihe eine Auswahl von jeweils elf konkreten Projekten beleuchtet haben, geht der kürzlich erschienene dritte Band weiter: Gemeinsam mit elf weiteren Autoren entwickelten die Herausgeber eine theoretische Auseinandersetzung, die temporäre Interventionen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet. Zu Wort kommen Künstler, Forscher, Theoretiker und Planer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: