Bankenaufsicht und Basel III:Jetzt geht's los

Die Regulierung der Banken tritt in die entscheidende Phase: Bald steht fest, wie viel Eigenkapital sie künftig brauchen. Die Branche fürchtet eine 100-Milliarden-Lücke.

Helga Einecke und Harald Freiberger

Drei Jahre lang wurde nur geredet und debattiert, nun wird es ernst: Die internationalen Bankenaufseher stellen am Dienstag ihre Pläne für die Regulierung der Kreditinstitute vor. Es geht dabei um den bedeutendsten Teil der Regulierung, nämlich darum, wie viel Eigenkapital und flüssige Mittel die Banken künftig bereithalten müssen, um gegen Finanzkrisen gewappnet zu sein. Die Auswirkungen sind gewaltig, besonders für die deutschen Landesbanken.

Bankenaufsicht

Die Banken müssen bald voraussichtlich mehr haftbares Eigenkapital vorweisen.

(Foto: dpa)

Auch die Privatbanken schlugen am Montag Alarm. Die zehn größten Institute rechnen damit, dass sie 105 Milliarden Euro frisches Kapital benötigen, wenn die Eigenkapitalregeln so kommen, wie sie unter dem Stichwort "Basel III" im Gespräch sind. Sie sollen im November auf dem G20-Gipfel beschlossen werden.

Dirk Jäger, Regulierungsexperte beim Bankenverband BdB, geht davon aus, dass die internationalen Aufseher künftig eine harte Kernkapitalquote (Core Tier 1) von acht Prozent und eine Kernkapitalquote (Tier 1) von zehn Prozent vorschreiben werden, einschließlich von Kapitalpuffern für besondere Risiken. Das heißt: Acht und zehn Prozent der risikogewichteten Kredite und Wertpapiere müssen Banken mit Eigenkapital hinterlegen. Damit würde sich die Quote um zwei Prozentpunkte erhöhen.

Banken haben mehrere Möglichkeiten, die Eigenkapitalquote nach oben zu schrauben: Sie können Gewinne zurücklegen und so das Eigenkapital stärken, sie können sich auf dem Kapitalmarkt Geld besorgen, und sie können die Basis verringern, also Kredite zurückfahren.

Zehn bis zwölf Jahre Übergangsfrist gefordert

"Da die Ertragssituation der deutschen Banken schlecht ist und viele keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben, droht die Gefahr, dass die Kreditvergabe massiv eingeschränkt wird", sagte Hans-Joachim Massenberg, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BdB. Deswegen plädiert er für lange Übergangsfristen, bis die neuen Regeln ihre volle Wirkung entfalten. "Wir halten zehn bis zwölf Jahre für sinnvoll", sagte er.

Ein Schreckensszenario malte Massenberg an die Wand, was die Basler Pläne für die Schuldenobergrenze der Banken betrifft. Wenn diese nur noch drei Prozent der Bilanzsumme betragen dürfe, wie vorgesehen, hätten die deutschen Banken einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 36 Milliarden Euro. Dafür müssten sie im Gegenzug Kredite über eine Billion Euro abbauen, wenn sie kein neues Kapital aufnehmen können.

Für deutsche Banken besonders heikel ist die Frage, was künftig noch als hartes Kernkapital anerkannt wird. Die deutschen Verhandlungsführer in Basel werden auf lange Übergangsfristen und Ausnahmen bei stillen Einlagen pochen. Stille Einlagen haben in Deutschland Tradition. "Still" bedeutet, dass die Geldgeber keinen Einfluss auf das laufende Geschäft nehmen, dafür aber regelmäßig Zinsen kassieren. Inwieweit sie für Verluste haften, ist unterschiedlich geregelt. Angelsächsische Länder kennen keine stillen Einlagen, sind entsprechend skeptisch. Sie pochen auf hartes haftbares Kapital, um Banken krisenfest zu machen.

Landesbanken mit vielen stillen Einlagen

Karl-Heinz Boos, Geschäftsführer des Verbandes der öffentlichen Banken, schätzt die stillen Einlagen aller deutschen Banken auf 50 Milliarden Euro. Sollten sie künftig nicht mehr als Eigenkapital anerkannt werden, müsse ein Viertel bis zu einem Drittel des Geldes neu beschafft werden. Das sei kurzfristig nicht zu machen. "Wir brauchen eine Übergangsperiode bis 2040", forderte der Lobbyist der Landesbanken.

Die einzelnen Landesbanken sind unterschiedlich betroffen, auch nach ihrer Rechtsform. Die WestLB zum Beispiel weist ein Kernkapital von 5,4 Milliarden Euro aus. Drei Milliarden davon hat der Rettungsfonds Soffin still eingelegt, weitere 1,4 Milliarden Euro große Geldgeber, auch Sparkassenverbände. Die drei Milliarden des Soffin bleiben hartes Kernkapital, denn staatliche Hilfen während der Finanzkrise sind bei Basel III ausgenommen.

Bei der WestLB steht der von der EU auferlegte Verkauf an, deshalb könnte diese Landesbank bald neue Formen des Kapitalzugangs finden. Die Bank schweigt, auch die LBBW in Stuttgart will sich nicht zu "ungelegten Eiern" äußern. Sie beziffert ihr Kernkapital mit 15,1 Milliarden Euro, darunter 4,58 stille Einlagen. Von wem die Einlagen kommen, sagt sie nicht. Sie muss sich aber bis 2013 in eine AG wandeln, dann würde ein Drittel ihrer Kapitalbasis nicht mehr als Eigenkapital anerkannt.

Die Helaba firmiert als Anstalt öffentlichen Rechts. Deshalb gilt auch für sie eine Ausnahmeregelung, obwohl mehr als die Hälfte ihres Kapitals stille Einlagen sind, meist vom Land Hessen. Weitere Voraussetzungen für die Ausnahme sind die langen Laufzeiten der Einlagen sowie die Möglichkeit, sie gegen Verluste aufzurechnen.

Was ist Kernkapital?

Klassisch beinhaltet das Kernkapital (auch Tier1 genannt) das Geld der Aktionäre und einbehaltene Gewinne. Man spricht hier vom "harten" Kernkapital (Core Tier 1). Doch zuletzt galt auch Hybridkapital als Kernkapital, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind (Artikel rechts). Nun wollen die Aufsichtsbehörden das "weiche Kernkapital" nicht mehr im bisherigen Umfang anerkennen. Die Bankenaufsicht schreibt eine Mindest-Kernkapitalquote von vier Prozent vor. Wenn das weiche Kernkapital nicht mitzählt, sinkt aber die Quote bei vielen Banken. Die Institute müssen ihre Kapitalbasis stärken.

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Was ist Hybridkapital?

Hier handelt es sich um Fremdkapital, das aber eigenkapitalähnliche Eigenschaften besitzt. Ob es zum Kernkapital zählt oder Ergänzungskapital ist, hängt von folgenden Faktoren ab: Kann es die Bank zum Verlustausgleich heranziehen, welche Kündigungsrechte gibt es für den Kapitalgeber, wie lange ist die Laufzeit? Je stärker der vertragliche Einfluss der Bank, desto eher taugt Hybridkapital als Eigenkapital. Stille Einlagen, Genussscheine und nachrangige Anleihen sind Beispiele für hybrides Kapital. Die Verträge unterscheiden sich stark, deshalb ist zur Klärung der Eigenkapitaltauglichkeit eine Einzelfallprüfung nötig.

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Was ist die Schuldenobergrenze?

Die Bank besitzt einen Euro Kernkapital und darf damit Geschäfte im Wert von 33 Euro tätigen. Ist das sicher? Der Baseler Ausschuss meint ja. Die Schuldenobergrenze für Finanzinstitute (Leverage Ratio), soll bei drei Prozent liegen. Der Wert wird berechnet, indem man das Kernkapital einer Bank ins Verhältnis zur Bilanzsumme setzt - die Risikogewichtung der Einzelgeschäfte in der Bilanz bleibt außen vor. "Das benachteiligt Hypothekenbanken, die relativ sichere Kredite vergeben und bevorzugt Investmentbanken, die riskantere Positionen halten", so Martin Faust, Bankenprofessor der Frankfurt School of Finance.

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Was ist die Eigenkapitalquote?

Für die Risiken, die ein Geldinstitut im Kreditgeschäft oder bei der Anlage in Wertpapieren eingeht, ist ein angemessenes Eigenkapital erforderlich. Die Finanzaufsicht unterscheidet zwischen qualitativ hochwertigem Kernkapital und Ergänzungskapital geringer Qualität.

Die Eigenkapitalquote ergibt sich aus dem Verhältnis von Eigenkapital zu den gewichteten Risikoaktiva in der Bilanz. Hintergrund: Je nach Schuldner ist das Ausfallrisiko eines Kredites unterschiedlich. "Wenn eine Bank dem deutschen Staat einen Kredit gibt, dann ist das weniger riskant als wenn man die Anleihe von Griechenland zeichnet", erklärt Martin Faust, Bankbetriebswirt der Frankfurt School of Finance. "Man setzt also nicht den Nominalbetrag bei der Berechnung der Eigenkapitalquote an, sondern nur den, nach eigener Ansicht, im Risiko stehenden Betrag."

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Was sind Basel I, II und III?

Dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht gehören Zentralbanker und Finanzaufseher aus 27 Ländern an: Der Ausschuss entwickelt Aufsichtsstandards und Empfehlungen für die Bankenaufsicht. Den Anfang machte 1988 die Einführung von BaselI: Kreditinstitute mussten im Verhältnis zu ihren gewichteten Risikoaktiva acht Prozent haftendes Eigenkapital zur Abdeckung von Ausfallrisiken vorhalten. Hintergrund von BaselI war die Pleite des Kölner Bankhauses Herstatt im Jahr 1974. Basel II trat im Januar 2007 in Kraft. Die Eigenkapitalanforderungen sollten stärker am tatsächlichen Risiko der Geschäfte ausgerichtet werden. Die Bonität des Kreditnehmers war nun entscheidend, die Noten von Ratingagenturen wurden in der Folge sehr wichtig - zu wichtig, wie die Finanzkrise zeigte. Nun soll mit BaselIII das globale Finanzsystem stabiler gemacht werden.

(zyd)

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