Bankenaufsicht feuert unfähige Aufsichtsräte:Und raus bist du

In der Finanzkrise haben die Aufsichtsräte vieler Banken versagt. Jetzt durchkämmt die Finanzaufsicht Bafin die Kontrollgremien der Banken, sortiert aus - und hofft auf freiwillige Rücktritte.

Harald Freiberger und Markus Zydra, Frankfurt

Eigentlich versteht es sich von selbst, dass Jobs mit kompetenten Bewerbern ausgefüllt werden müssen. Bei Aufsichtsräten, gerade im Finanzbereich, hat es da jedoch in der Vergangenheit einige Inkompetenzen gegeben. Schließlich hätten die Kontrolleure genauer hinschauen können, als sich viele deutsche Banken kaum kalkulierbare Risiken aufluden. Sie taten es nicht, weil sie von der Materie wenig verstanden.

Frankfurt City Feature

Die Bankentürme in der Frankfurter City: Die Bankenaufsicht untersucht nun, wer die Institute kontrolliert.

(Foto: Getty Images)

Der Gesetzgeber hat auf diesen Missstand durch eine Ergänzung des Kreditwesengesetzes reagiert: Seit 1. September 2009 überprüft die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin auch die Qualität der Banken-Aufsichtsräte. Vorher wurden nur Bankvorstände überprüft, sie können bei mangelnder Eignung abberufen werden.

Die Kompetenz-Checks der Aufsichtsgremien fallen allerdings deutlich oberflächlicher aus als die der Manager. Zunächst gilt nur der schriftliche Lebenslauf als Basis der behördlichen Entscheidung. Ist die Behörde unzufrieden, legt man dem Kandidaten eine Weiterbildung nahe. Schlägt dieser das Angebot aus, fällt er durch. Der neue Gesetzespassus gilt nicht rückwirkend. "Eine Bestandsaufnahme der schon im Amt befindlichen Aufsichtsräte findet nicht statt", sagte ein Bafin-Sprecher.

Zehn Kandidaten müssen mit Jobverlust rechnen

Rund 3000 Lebensläufe hat die Behörde in den letzten zwölf Monaten untersucht: Zehn Kandidaten müssen damit rechnen, ihren Job zu verlieren. In einem Fall fehlt dem Aufsichtsrat die fachliche Kompetenz. In drei Fällen habe der Aufsichtsrat schon zu viele andere Mandate. Sechs Aufsichtsräte befinden sich in einem Interessenkonflikt: Sie haben als Bank-Organ einen Kredit der Bank erhalten, was nur so lange rechtmäßig ist, wie der Kredit bedient wird. In den sechs Fällen ist das Darlehen laut Bafin allerdings ausfallgefährdet oder bereits ausgefallen. Das sei mit dem Aufsichtsmandat nicht vereinbar.

Manuel René Theisen, Professor und Herausgeber des Fachblatts Der Aufsichtsrat, sieht das neue Gesetz grundsätzlich positiv: "Allein durch seine Existenz wird sich schon ein anderes Verantwortungsprofil für Aufsichtsräte herausbilden", sagt er.

Die Gefahr, dass die Bafin einen Bewerber ablehne, sorge dafür, dass die Banken bei einer Neubesetzung genauer hinschauen. "Auch viele Aufsichtsräte werden sich jetzt über ihre eigene Qualifikation Gedanken machen", glaubt Theisen. Niemand wolle sich schließlich blamieren. Noch besser wäre es seiner Meinung nach allerdings, wenn die Eigentümer selbst für gute Kontrolle sorgen würden. Schließlich gehe es um ihr Geld. "Die Vorstände dürfen nicht nur Freunde, Abnicker und abgehalfterte Ex-Vorstände in das Kontrollgremium berufen", sagt Theisen.

Stephan Paul, Bankenprofessor in Bochum, sieht in der mangelnden Qualifikation der Bankenkontrolleure einen wichtigen Grund für die Finanzkrise. "Viele Kontrolleure konnten die komplizierten Produkte nicht im Detail beurteilen und deshalb das Risiko einer Bank nicht abschätzen" sagt er. Er hält es deshalb für wichtig, Aufsichts- und Verwaltungsräte zu schulen, damit sie auf einer Augenhöhe mit den Vorständen verhandeln können.

Kurzes Wochenendseminar reicht nicht

Auch sollten mehr Profis wie Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in die Kontrollorgane einziehen. Seit diesem Jahr muss im Kontrollgremium jedes kapitalmarktnahen Unternehmens mindestens ein sogenannter "Financial Expert" sitzen, also ein Mitglied mit besonderen Kenntnissen in der Rechnungslegung.Im Corporate-Governance-Kodex ist zudem geregelt, dass die Aufsichtsräte die für ihre Aufgaben erforderlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen eigenverantwortlich wahrnehmen. Für Banker reiche da ein kurzes Wochenendseminar nicht, teilt die Bafin mit.

"Gerade für Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist das Thema Kontrolle ein Riesenproblem", sagt Experte Theisen. Bei den Sparkassen säßen häufig Kommunalpolitiker im Verwaltungsrat sitzen, die vom Bankgeschäft wenig Ahnung hätten. Im bayerischen Sparkassengesetz heißt es deshalb explizit, dass langjährige politische Erfahrung allein für das Amt eines Verwaltungsrats nicht ausreicht. Er sollte eine Tätigkeit ausüben, die der eines Geschäftsführers vergleichbar ist.

Bei den Genossenschaftsbanken spielt nach Ansicht von Theisen das Thema Interessenkonflikt eine Rolle. Häufig säßen Unternehmer in den Aufsichtsräten, die mit der Bank auch in Kundenbeziehung stehen. Der Bundesverband BVR sieht das anders: "Gerade die Finanzkrise hat gezeigt, dass die Volks- und Raiffeisenbanken gut gewirtschaftet haben und auch gut kontrolliert werden", sagte eine Sprecherin.

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