Banken:Störfaktor Dresdner Bank

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Wegen der Kreditkrise fordern Experten die Allianz zu einer Trennung von der Bank auf. Doch dazu ist es bereits zu spät.

Thomas Fromm

Als die Allianz im Jahr 2001 die Dresdner Bank kaufte, war Thomas Weckerle von Anfang an mit dabei. Für den Mitgesellschafter einer Allianz-Agentur in Unterschleißheim am Stadtrand von München brachte die 24-Milliarden-Euro-Übernahme seines Versicherungskonzerns große Veränderungen mit sich - denn fortan führte der Vertriebsprofi auch die Produkte der zugekauften Bank im Angebot: "Wir haben das damals positiv gesehen, dass wir die gesamte Produktpalette im Hause haben", erinnert sich Weckerle.

Sieben Jahre nach der Übernahme haben 500 seiner insgesamt 3500 Kunden auch ihr Girokonto bei ihm unter Vertrag. "Es ist für uns sehr wichtig, dass der Kunde sein Hauptgirokonto bei uns hat", sagt der Versicherungsexperte. "Denn so haben Sie eine viel bessere Basis, um den Kunden gemäß seiner finanziellen Situation gut beraten zu können." Wichtig sei der erste Kundenkontakt, beschreibt Weckerle die Arbeit seiner Agentur. "Die Philosophie ist dann, mehr daraus zu machen - gleichermaßen über Versicherungs- und Bankprodukte."

Eine Million Neukunden

Den 20. Dezember 2007 dürften sich die Strategen von Allianz und Dresdner Bank daher rot im Kalender angestrichen haben - es war der Tag, an dem die Dresdner Bank ihren millionsten Neukunden über die Agenturen der Allianz geworben hatte. Für Allianz-Chef Michael Diekmann der Beleg dafür, dass sich Versicherungs- und Bankgeschäfte im Verbund organisieren lassen - und dass sich seine Milliardeninvestition vor sieben Jahren gelohnt hat.

Trotz der wachsenden Verzahnung von Allianz und Dresdner Bank rumort es im Konzern. Schon seit Jahren monieren Kritiker, Dresdner und Allianz würden nicht zueinander passen - und das Institut sei besser bei einem großen Wettbewerber wie der Deutschen Bank aufgehoben.

Seit die Kreditkrise internationale Großbanken zu hohen Abschreibungen zwingt, haben Kritiker des Allfinanzverbundes ein zusätzliches - zurzeit nur schwer zu widerlegendes - Argument in der Hand: Acht Milliarden Euro Gewinn hat der Konzern im vergangenen Jahr eingefahren, ein Rekordergebnis. Wären da nicht die 900 Millionen Euro, die man wegen der Dresdner Bank und ihrer Belastungen durch die Kreditkrise abschreiben musste - nach ersten Abschreibungen von 575 Millionen Euro eine neue Hiobsbotschaft.

"Vor dem Hintergrund der Kreditkrise waren die Zahlen, die die Allianz vorgelegt hat, gar nicht schlecht", meint etwa der Analyst Konrad Becker von Merck Finck. "Aber hätten wir die Dresdner Bank nicht dabei gehabt, wäre es natürlich besser gewesen." Besser wäre es nach Meinung von Experten zurzeit vor allem ohne die Investmentbanking-Tochter Dresdner Kleinwort, die mit ihren Geschäften wie strukturierten Produkten oder Verbriefungen der Kreditkrise voll ausgesetzt ist.

"Warum eine Kuh kaufen?"

Investoren setzen daher auf einen raschen Verkauf der Dresdner Bank - nicht zuletzt, um den Aktienkurs des Versicherers, der in der vergangenen Woche innerhalb kürzester Zeit von 142 auf 110 Euro abstürzte, wieder nach oben zu bringen. "Warum soll man eine ganze Kuh kaufen, wenn man nur ein Glas Milch möchte?", fragt ein Insider. "Vor allem dann, wenn man mit der kompletten Kuh überhaupt nichts anfangen kann?"

Die Milch, das waren für das Allianz-Management von Anfang an die Milliarden-Synergien im Vertrieb, die man sich von der Übernahme der Dresdner Bank erhoffte. Dass damals gleich auch eine Investmenttochter mit dem mondän klingenden Namen Dresdner Kleinwort Wasserstein mit im Verkaufspaket lag, störte seinerzeit nicht weiter.

Während die Strategen mit der Integration begannen und erstmals Allianz-Produkte über Bankschalter der Dresdner Bank und umgekehrt verkauft wurden, wurde die Investmentsparte der Dresdner Bank mit dem Firmenkundengeschäft der Allianz verschmolzen.

Dresdner Kleinwort mit seinen Zentralen in Frankfurt und London und seinen weltweit 6000 Mitarbeitern ist seitdem jedoch ein Fremdkörper im Allfinanzkonzern geblieben. Die Kultur der Millionen-Verdiener im Investmentbanking sei "meilenweit von der eines Schalterverkäufers entfernt", heißt es in Arbeitnehmerkreisen.

"Dazwischen liegen Welten. Von kleinen Vertriebsmitarbeitern in Deutschland kommt häufig die Frage, was die Investmentbanker in London und Frankfurt eigentlich so den ganzen Tag machen, um so viel Geld zu verdienen", so ein Arbeitnehmervertreter. Die Stimmung sei daher spürbar angespannt. "Wir stellen eine Entfremdung fest", heißt es.

Für den Finanzanalysten Becker "hat es sich nun gerächt, dass man die Dresdner nicht gleich nach der Übernahme filetiert und das Investmentbanking-Geschäft ausgegliedert" habe. Die Geschäfte hätten wenig bis gar nichts mit dem eigentlichen Kerngeschäft der Gruppe gemein. So verweisen Allianz-Manager gerne auf den Vertriebsanteil der Dresdner am Neugeschäft mit Lebensversicherungen, der im letzten Jahr bei 13,4 Prozent lag. Allein im dritten Quartal 2007 zog die Dresdner Bank über Agenturnehmer als 50.000 neue Bankkunden zu sich. "Was aber hat die Allianz davon, wenn Dresdner Kleinwort mit verbrieften Kreditforderungen handelt?", fragt Analyst Becker.

Angst vor Vertrauensverlust

Das Kundengeschäft behalten, die Integration des Allfinanzkonzerns weiter vorantreiben - und das Investmentbanking verkaufen. So könnte nach Meinung vieler eine Lösung aussehen. Allerdings dürfte auch dies nicht leicht sein. "Käufer von Investmentbanken sind äußerst rar gesät", sagt Analyst Becker. "

Interesse daran könnten höchstens Banken haben, die bislang nicht im Investmentbanking vertreten sind." Und dies sind nur wenige. Immer wieder wurden daher Wettbewerber wie die Deutsche Bank als möglicher Käufer für das Investmentbanking ins Spiel gebracht. Angesichts der dramatischen Situation an den Finanzmärkten gilt dies zurzeit jedoch als unrealistisches Szenario.

In Münchner Branchenkreisen heißt es daher: "Großbanken kaufen in dieser Zeit keine teure Investmentbank, die suchen sich einfach die besten Manager aus und kaufen die dann." Wohl auch deswegen fällt es der Allianz zurzeit leicht, sich hinter ihre Investmentbank zu stellen. Dresdner Kleinwort sei ein "integraler Bestandteil" des Konzerns, machte der Versicherer Anfang der Woche klar. Ob es bei dieser Ansage bleibt, dürfte am Ende davon abhängen, ob dem Konzern ein interessantes Angebot gemacht wird oder nicht.

Allianz-Vertriebsmann Weckerle geht davon aus, dass er in seiner Agentur auch künftig Dresdner- und Allianz-Produkte anbieten wird. "Wenn wir den Kunden jetzt plötzlich erklären müssten, dass es fortan keine Dresdner-, sondern beispielsweise Deutsche-Bank-Produkte bei uns gibt, wäre dies nicht nur sehr arbeitsintensiv - wir würden viel Vertrauen und auch Kunden verlieren", sagt er.

Man habe " sehr viel Zeit und Geld in das Zusammenwachsen investiert, das zahlt sich erst langfristig richtig aus."

© SZ vom 30.01.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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