Banken knausern mit Krediten:Ein beklemmendes Gefühl

Für Unternehmen ist es schwer, an frisches Kapital zu kommen - unmöglich ist es nicht. Mittelständler erzählen, wie es ihnen geht.

Dagmar Deckstein, Elisabeth Dostert, Martin Hesse und Stefan Weber

"Manchmal denke ich schon, wie dämlich bin ich eigentlich gewesen", sinniert Karl Leistner, 47. "Ich hätte einfach bei der Bundeswehr bleiben sollen. Ein sicherer Job. Mein Vater hätte das gerne gesehen, wenn ich Berufssoldat geworden wäre", erzählt Leistner. Aber er hat Maschinenbau studiert und ist dann in die elterliche Firma eingestiegen.

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(Foto: Grafik: Stefan Dimitrov)

Die heißt so wie die Familie und ist auf Kunststoffbeschichtungen spezialisiert. Damit schützt man Metallteile vor Korrosion. Leistner arbeitet für Firmen wie MAN Nutzfahrzeuge oder Heidelberger Druck. Denen geht es nicht besonders gut. Deshalb laufen auch die Geschäfte von Leistner schlecht. Auf mehr als eine halbe Million Euro summieren sich die Verluste in diesem Jahr schon, erzählt der Firmenchef.

"Es ging immer Auf und Ab. Aber so einen Einbruch habe ich noch nicht erlebt", sagt seine Mutter Elfriede Leistner, 69. "Dieses Jahr können wir froh sein, wenn wir nur ein blaues Auge bekommen", sagt der Sohn. "Vergangenes Jahr haben wir noch 70.000 Euro vor Steuern verdient." Die Firma hat Liquiditätsprobleme. Es fehlt Geld, um Ware für die Produktion zu kaufen. Leistner bekommt keinen Kredit. "Ich habe nicht mal Geld, um Leute zu entlassen. Ich kann mir die Abfindungen nicht leisten", sagt Leistner. 90 Mitarbeiter hat er.

Er darf auch keinen entlassen, denn sie arbeiten kurz. "Ich bin von allen verlassen", sagt er irgendwann, "von der Politik und von den Banken". Den Kreditrahmen bei seiner Hausbank, der Volksbank Dachau, hat er fast ausgeschöpft. Die Bank hat der Familie im Februar noch einmal eine halbe Million Euro geliehen, das Geld floss in die Firma. Die Sparkasse München hat das Grundstück finanziert, mehr will sie nicht geben. Die bayerischen Förderbank LfA fühlt sich nicht zuständig. "Wer sagt, es gibt keine Kreditklemme, der lügt", sagt Leistner.

Nach Umfragen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform im Mittelstand spüren die Unternehmen seit einem Jahr, dass Banken und Sparkassen bei der Kreditvergabe härter vorgehen. Vor allem Firmen mit einer schwachen Bonität müssen oft höhere Zinsen zahlen, bekommen nur kurzfristig Geld oder müssen strengere Auflagen akzeptieren.

Die Kreditkonditionen hätten sich in den vergangenen Monaten kontinuierlich verschlechtert, stellt auch die Europäische Zentralbank fest. Immer häufiger klagen Creditreform zufolge Mittelständler darüber, dass die Banken einen Kredit gänzlich verweigern. Jedem sechsten Unternehmen sei zuletzt ein Antrag abschlägig beschieden worden.

Das seien doppelt so viele wie vor einem Jahr. Politiker bedrängen die Institute nun, mehr Kredite an Firmen zu vergeben. Doch der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, weist die Kritik an den Banken zurück. "Man darf sich das nicht zu einfach machen", warnte er jüngst und verwies auf steigende Risiken für die Banken durch die Krise. Vor diesem Hintergrund sei "es schwierig, das Niveau an Ausleihungen zu halten", sagte der Bankchef.

Die Statistiken geben beiden recht - den Unternehmern, die klagen, und den Bankern, die sich verteidigen. Nach Angaben der Bundesbank haben die Finanzinstitute die Vergabe von Krediten an Unternehmen und Selbstständige im ersten Quartal des Jahres um fünf Prozent ausgeweitet. Was die Bundesbank-Zahlen aber auch zeigen: Es gibt kein einheitliches Bild. Während die Großbanken die Kreditvergabe einschränkten, dehnten Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken das Volumen aus.

Von solchen Statistiken aber will Unternehmer Karl Leistner nichts mehr hören. Er ist verbittert. "Bis ins letzte Jahr haben Politiker und Banker den Finanzmarkt als Spielkasino genutzt", wettert er. "Und jetzt hat der Staat den Banken ein Kissen hingelegt, damit sie weich fallen." Er ist mehr als einmal von den Banken enttäuscht worden. Wann immer die Firma Geld brauchte, musste die Familie persönliche Sicherheiten liefern.

Wie die Zuneigung der Banken schwankt

Elfriede und Karl Leistner sitzen im Besprechungsraum ihrer Firma im Gewerbegebiet von München-Allach. An der Wand hängt eine gerahmte Urkunde der Gesellschaft zur Förderung der sozialen Marktwirtschaft aus dem Jahr 1990 - ein Dank an Firmengründer Hans Leistner für seine Verdienste.

Es gibt Kaffee aus geblümten Tassen, Würfelzucker, zwei Portionen Kaffeesahne, Schokolade. Die Gardinen am Fenster sind zur Seite geschoben, trotzdem brennt Neonlicht. Manchmal starrt Karl Leistner über die Plastikblumen auf der Fensterbank hinweg hinaus auf den Parkplatz.

Die Familie hat grauenvolle Wochen hinter sich. Ihr Wohl hängt von der Firma ab. Der Bruder, die Schwägerin, die Mutter und seine Frau arbeiten in dem Betrieb. Besonders schlimm war der 26. Juni. Knapp vier Wochen zuvor waren Leistner und seine Mutter bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer in München.

LfA-Vorstandschef Michael Schneider und Jochen Ihler von der Commerzbank haben über den bayerischen Mittelstandsschirm geredet. "Die haben uns richtig Hoffnung auf Fördergeld gemacht", sagt Elfriede Leistner. Deshalb hat ihr Sohn ein paar Tage später ihren Volksbanker angerufen und ihn gebeten, einen Antrag zu stellen. "Wir dachten an eine halbe Million Euro. Wenn die LfA 80 Prozent der Haftung übernimmt, sollte das für die Volksbank kein Problem sein", sagt Leistner.

Am 26. Juni sei dann eine Frau von der LfA vorbeigekommen. Der Volksbanker und Leistners Steuerberater waren auch da. Sie trafen sich im Besprechungsraum bei Kaffee und Schokolade. "Obwohl alle Unterlagen, Jahresabschlüsse, Liquiditätspläne, Selbstauskunft seit Wochen vorlagen, war die Frau schlecht vorbereitet", erzählt Leistner.

Sie hatte schlechte Nachrichten: Die Leistners könnten kein Geld bekommen, schon aus formellen Gründen, denn der Betrieb ist in die Handwerksrolle eingetragen. Für solche Firmen sei die LfA aber nicht zuständig. "In meinen Augen eine Ausrede", sagt Leistner: "Viele Mittelständler sind doch aus Handwerksbetrieben hervorgegangen. Die kriegen dann alle kein Geld. Für wen ist dann eigentlich der Mittelstandsschirm?", fragt Leistner. "Die Hilfen für den Mittelstand, alles nur faules Gerede", sagt Elfriede Leistner. "Bla bla", schiebt ihr Sohn nach.

"Wir haben den Schwamm noch fester ausgequetscht", erzählt er und meint die Familie. "Ich habe meine Fonds verkauft", sagt die Mutter. "Und ich habe meine Lebensversicherung und die Ausbildungsversicherung für die vier Kinder gekündigt", sagt Karl Leistner. Auf diese Weise hat die Familie 320.000 Euro zusammengekratzt. "Mehr geht wohl nicht mehr. Grundstücke und Häuser sind schon lange beliehen. Wenn die Firma jetzt pleite gehen sollte, beantrage ich Hartz IV", sagt der Firmenchef.

So wie Farhad Farassat, 63, wurden die Leistners nie von den Banken hofiert. Der gebürtige Iraner hat Anfang der 90er Jahre gemeinsam mit Said Kazemi die Firma F&K Delvotec von Black&Decker übernommen. Sie stellt Mikroschweißgeräte für die Halbleiterindustrie her. Farassat kämpft wie Infineon oder Motorola, beide sind Kunden, mit extremen Zyklen. "Mal geht das Geschäft ab wie eine Rakete, mal stürzt es ins Bodenlose", erzählt er.

Und mit der Branchenkonjunktur schwankt die Zuneigung der Banken. Noch 2008 hatte ihm seine Hausbank 700.000 Euro für den Aufbau eines Montagewerkes in Singapur geliehen. "Die waren ganz begeistert, weil dort die Lohnkosten ein Drittel niedriger sind", erzählt Farassat. Doch heute steht das Werk still. Als Farassat im Januar den Kredit verlängern und weitere 900.000 Euro aufnehmen wollte, winkte das Kreditinstitut ab. 26 Millionen Euro setzte die Gruppe "normalerweise" um. Aber jetzt ist nichts normal. Im vergangenen Jahr hat die Firma deutlich Verlust gemacht.

Auf einmal ist alles, was er besitzt, weniger wert - auch seine Büros. Farassat eilt die Treppen hinauf, biegt nach links, dann wieder nach rechts. "Alle Räume haben Tageslicht", preist er die Immobilie an.

Das Gebäude war einmal auf 300 Personen ausgelegt. Aber so viele wurden es nie, in der Spitze waren es 130, nun sind es noch 60 in Ottobrunn. "Gutachter haben das Gebäude auf acht bis zehn Millionen Euro geschätzt", sagt Farassat. Die eine Hälfte will er nun verkaufen, wegen der Montage in Singapur. Die Banken bewerten die Immobilie nur mit sechs Millionen Euro, das reicht bestenfalls für drei Millionen Euro Kredit.

Für die neuen Kredite verlangen sie weitere Sicherheiten. Der LfA musste der 63-Jährige sein gesamtes privates Vermögen auflisten. "Die haben sich gewundert, wie wenig ich privat habe. Ich habe immer alles in die Firma gesteckt." Farassat wirkt fast ein wenig amüsiert. Er hat alles, was er noch hatte, als Sicherheit hinterlegt. Nur an die private Rente lässt er die Bank nicht ran. Den Kredit hat er bekommen. "Erst als ich den Vertrag unterzeichnet habe, habe ich realisiert, dass ich mich völlig in fremde Hände gegeben habe", erzählt er.

"Die würden mich mit Geld zuschütten"

Es gibt auch andere. Unternehmer wie Ernst Prost zum Beispiel, 52 Jahre alt und Inhaber des Ulmer Schmierstoffherstellers Liqui Moly. Prost hat keine Probleme mit seinen Banken. Mit seiner "Lieblingsbank", der Sparkasse Ulm, schon gar nicht, und auch nicht mit Deutscher Bank, Commerzbank oder der Raiffeisenbank Oberösterreich. "Wenn die könnten, würden die mich mit Geld zuschütten", sagt Prost.

Von Kreditklemme nichts zu spüren, im Gegenteil. Triumphierend hält er die Bonitätsanalyse der Bundesbank hoch, die ihm Bestnoten erteilt hat. Kein Wunder, bei 250 Millionen Euro Umsatz, zehn bis zwölf Millionen Euro Vorsteuergewinn und einer Eigenkapitalquote von 40 Prozent ist sein Unternehmen kreditwürdig. Prost ist ein gebranntes Kind und hat die Gewinne stets in der Firma gelassen, "da bringen sie mir sowieso die höchste Rendite." Das sehen die Banken offenbar auch so. Prost hat sich aus der Buchhaltung die Unterlagen kommen lassen. "Derzeit haben wir insgesamt 26 Millionen langfristige Betriebsmittelkredite laufen. Die kosten zwischen 2,9 und 4,8 Prozent Zinsen." Davon können viele Mittelständler nur träumen.

Der Unternehmer, der mit Parolen wie "Ulm statt Liechtenstein", "Deutschland statt China" für seine Motorenöle wirbt, kann so manche hartherzige Bank auch verstehen. "Wer seine Gewinne in mallorquinische Fincas und Privatjets steckt, mal gerade sechs Prozent Eigenkapital besitzt und die Firma mit Fremdkapital führen will, muss sich doch nicht wundern." Da würde er auch kein Geld geben.

Probst ist bekannt dafür, dass er gerne Tacheles redet. Und er findet auch, dass derzeit einiges falsch läuft in Deutschland. So richtig aufregen kann er sich über das, was die Banken mit den 442 Milliarden Euro anstellen, die sie unlängst von der Europäischen Zentralbank bekommen haben.

143 Milliarden hätten sie gleich wieder bei der Notenbank angelegt, statt damit das zu tun, wofür es eigentlich gedacht war: Kredite an die Kunden weitergeben. "Sollten die Politiker feststellen, dass die Banken, die uns die Finanz- und Wirtschaftskrise durch ihre maßlose Geldgier erst eingebrockt haben, jetzt auch noch die staatlichen Gelder, sprich unsere Steuern, dafür verwenden, sich erstmal selbst zu sanieren, dann gibt's nur eins: Den Saustall ausmisten."

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