Proteste gegen den Finanzkapitalismus:Wie die Banken in die Krise geraten sind - und was ihnen bevorsteht

Ein absurdes Spiel: Lange Zeit haben Staaten davon profitiert, dass Banken zügellos ihre Anleihen kaufen konnten. Jetzt aber, in der Not, fangen Regierungen an, den Markt zu regulieren. Fragen und Antworten zur Rolle der Banken in der Krise.

Simone Boehringer und Helga Einecke

Der weltweite Protest richtet sich unisono gegen die Banken. Einige Demonstranten würden die Geldhäuser am liebsten abschaffen, andere sie verstaatlichen oder ihre Geschäfte zumindest stark regulieren. Ganz so radikal sind die Pläne der Politik noch nicht. Hier die wichtigsten Aspekte der Debatte um Macht und Ohnmacht der Banken im Zusammenhang mit der Schuldenkrise.

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Wenn Banken weniger Spielraum für riskante Geschäfte erhalten und mehr für den Ernstfall vorsorgen müssen, könnte künftig das Ausmaß der Finanzkrisen eingedämmt werden.

(Foto: AFP)

Warum brauchen die Banken in Europa schon wieder Geld?

Bankgeschäfte sind eine Frage des Vertrauens. Geldinstitute geben in der Regel weit mehr Kredite aus, als sie über ihre Einlagen refinanzieren können. Den Rest der benötigten Mittel, häufig ist es sogar der überwiegende Teil, leihen sie sich am Kapitalmarkt selbst aus. Solange die Märkte florieren, läuft die Refinanzierung meist reibungslos. Wenn jedoch, wie nach der Lehman-Pleite 2008 oder auch jetzt im Vorfeld eines wahrscheinlichen Schuldenschnitts in Griechenland, die Banken untereinander das Vertrauen verlieren, geben sie sich untereinander kaum noch Darlehen. Der Grund: Keine Bank weiß von den anderen genau, wie viel Geld sie im Zuge einer aktuellen Krise verlieren wird.

Was bedeutet ein Schuldenschnitt in Griechenland für die Branche?

Das hängt davon ab, wie viele griechische Staatsanleihen eine Bank im Portfolio hat und zu welchem Preis sie dort noch angesetzt sind. Praktisch alle Banken haben in den vergangenen Monaten zwanzig Prozent auf den Ursprungswert der Hellenen-Bonds abgeschrieben, einige auch mehr. Deutsche-Bank-Chef Ackermann soll in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Internationalen Bankenverbandes zurzeit mit einigen Häusern über einen freiwilligen Verzicht von 50 Prozent ihrer Forderungen verhandeln. Während viele deutsche Institute sich vom Großteil ihrer Engagements getrennt oder sie abgeschrieben haben, wären französische Banken von einem solchen "Haircut" stärker betroffen.

Was bringt eine Zwangskapitalisierung der Banken?

Bislang müssen Banken wenigstens eine Kernkapitalquote von vier Prozent haben. Sonst werden sie von der Bankenaufsicht geschlossen. In der Regel liegen die Quoten jedoch bei sieben bis zehn Prozent, um für Zahlungsausfälle gewappnet zu sein. Weil große Pleiten, wie die einer Bank (Lehman) oder eines Staates (Griechenlands) sich sehr viel tiefer in die Bilanz fressen können, streben die Regulierungsbehörden für große Geldinstitute eine Kernkapitalquote neun Prozent und mehr an.

Warum haben Banken überhaupt so viele Staatsanleihen?

Wegen der Risiken in ihren Bilanzen können sich einige Banken diese Mittel aber derzeit nicht aus eigener Kraft an den Börsen besorgen. Deshalb denken Politiker darüber nach, die Kapital-Lücke mit Staatsgeld zu füllen, um allen Banken dieselben Voraussetzungen zu geben und gleichzeitig möglichst viele von ihnen am Leben zu erhalten. Denn eine Bankenpleite, so glauben viele, würde wieder einen neuen Dominoeffekt lostreten wie einst die Insolvenz von Lehman.

Warum haben Banken überhaupt so viele Staatsanleihen?

Staatsanleihen galten lange Zeit als die sicherste Anlage der Welt, weil die meisten Staaten immer flüssig waren. Das war praktisch für die Staaten, die sich übermäßig verschuldeten, und war auch praktisch für die Banken, die diese Darlehen bis heute vergeben dürfen, ohne dafür Eigenkapital vorhalten zu müssen. Kredite an Firmen und Privatpersonen dagegen müssen mit eigenem Bankkapital abgesichert werden.

Lassen sich durch Regulierung künftige Krisen vermeiden?

Krisen werden sich nie ganz vermeiden lassen. Wenn die Banken aber weniger Spielraum für riskante Geschäfte erhalten und mehr für den Ernstfall vorsorgen müssen, dann könnte das Ausmaß der Finanzkrisen eingedämmt werden. Das zumindest ist die Hoffnung der Regulierer, die darauf drängen, dass die Banken mehr eigenes Kapital vorhalten. Das Regulierungswerk dazu heißt Basel III.

Was bringt eine Finanztransaktionssteuer in diesem Zusammenhang?

Diese Steuer ist eine Art Mehrwertsteuer auf Finanzgeschäfte. Die EU will sie von 2014 an erheben, verspricht sich jährliche Einnahmen von 55 Milliarden Euro. Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg sind dafür, erbitterter Widerstand kommt dagegen aus London, weil die Briten um ihren Finanzplatz fürchten. Die Steuer soll die Geschäfte eindämmen und Steuergerechtigkeit herstellen.

Was wird aus den unregulierten Finanzfirmen wie Hedgefonds?

Ex-Finanzminister Peer Steinbrück beziffert das Missverhältnis zwischen regulierten und unregulierten Finanzmarktgeschäften auf ein Drittel zu zwei Drittel. Von einem Transaktionsvolumen von 990 Billionen Euro liefen 660 Billionen außerbörslich und damit meist unreguliert. Die USA versuchen, die in diesem Geschäft rege tätigen Hedgefonds stärker zu regulieren. Der berühmte Hedgefonds-Manager George Soros hat deshalb seine Geschäfte nun eingestellt. Andere fügen sich den neuen Berichtspflichten oder weichen auf andere Märkte aus.

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