Banken:Fiese Falle beim Geldabheben

Und plötzlich sind die Scheine weg: Mit einem hässlichen Trick sacken Betrüger am Geldautomaten die Banknoten ein - kurz bevor sie der Kunde entnehmen will.

Harald Freiberger

Der Bankkunde denkt an nichts Böses. Er hat am Geldautomaten die Geheimzahl eingetippt und den Betrag, den er abheben möchte. Im Hintergrund macht das Gerät auch das vertraute Geräusch. Doch dann öffnet sich die Blende vor dem Ausgabeschlitz nicht. Auf dem Display zeigt der Automat an: "Bitte entnehmen Sie Ihr Geld." Nach einiger Zeit leuchtet der Spruch "Ihr Geld wird wieder eingezogen" auf. Der Kunde ist zwar irritiert, denkt sich aber immer noch nichts Böses. Er verlässt den Vorraum seiner Bank. Vielleicht will er bei seinem Berater morgen einmal nachfragen, was da los gewesen sein könnte.

Banken: Beim "Cash-Trapping" nutzen Betrüger Klebestreifen, um an das Geld anderer zu kommen.

Beim "Cash-Trapping" nutzen Betrüger Klebestreifen, um an das Geld anderer zu kommen.

Morgen ist es aber zu spät, denn der Kunde ist in diesem Moment Opfer einer neuartigen Betrugsmethode geworden, die sich in den vergangenen Wochen in Deutschland ausgebreitet hat. Die Täter warten ganz in der Nähe darauf, bis der Kunde den Automaten verlassen hat. Dann ziehen sie eine Blende vor dem Ausgabeschlitz weg, die sie vorher angebracht haben. Es handelt sich dabei um einfache, leicht gebogene Aluminium-Leisten, wie sie verwendet werden, um zwei Teppich-Enden zusammenzufügen. Sie sind für wenige Euro in jedem Baumarkt erhältlich.

Fliegenfänger am Geldautomat

Die Täter befestigen an die Innenseite der Blende ein beidseitig klebendes Band und kleben die Blende ihrerseits vor den Schlitz. "Das sieht so aus, als würde es zum Automaten gehören", sagt ein Sprecher der Polizei in Dortmund, bei der von Dezember bis Anfang Februar 16 Betrugsfälle registriert wurden. Die Geldscheine bleiben im Inneren der Blende am Klebeband hängen wie an einem Fliegenfänger. Sobald der Kunde den Ort verlassen hat, nehmen die Täter die Blende vom Gerät und holen sich das Geld.

Die Methode heißt "Cash-Trapping" - dem Bargeld eine Falle stellen -, und wurde in Deutschland erstmals im vergangenen Oktober beobachtet. Vor Weihnachten gab es eine größere Zahl von Fällen in Stuttgart und Umgebung. Inzwischen wurde die Masche auch in Nürnberg, Bremen und Mainz angewandt. Den letzten Fall gab es am vergangenen Montag in Willich in Nordrhein-Westfalen, wo ein Bankkunde an einem Automaten der Deutschen Bank um "einige zig Euro" betrogen wurde, wie es im Polizeibericht heißt.

Meist sind es Beträge von 50 bis 200 Euro, die die Täter erbeuten. Es kam aber auch schon vor, dass Bankkunden um 500 Euro gebracht wurden. Da das Geld in der Regel in Bündeln aus dem Automaten kommt, kann es sein, dass nicht alle Scheine an der Innenseite der Aluminium-Blende kleben bleiben. Sie werden vom Automaten wieder eingezogen. "Manchmal bleibt vielleicht nur ein Scheinchen hängen, aber für die Täter lohnt es sich trotzdem: Kleinvieh macht auch Mist", sagt ein Sprecher der Dortmunder Polizei.

Zufallstreffer auf der Autobahn

Die Polizei hat bei der neuen Betrugsmasche bereits einen ersten Erfolg zu verzeichnen: Am 23. Januar erwischte sie bei einer zufälligen Kontrolle auf der Autobahn bei Nürnberg zwei junge Männer aus Ungarn. In ihrem Kofferraum fanden sich 14 der bekannten Aluminium-Blenden, ein Insektenkleber, mit dem die Blenden an Geldautomaten befestigt werden können, beidseitig klebende Bänder und ein vierstelliger Geldbetrag. An den Scheinen befanden sich zum Teil noch Spuren von Klebstoff.

Die beiden Männer sind dringend einer Reihe von Taten in Baden-Württemberg verdächtig. Das belegen auch Kameraaufnahmen von den Geldautomaten. Trotzdem muss es noch eine zweite Tätergruppe geben, da die Fälle nicht aufhörten, nachdem die beiden Verdächtigen aus Ungarn festgenommen waren. Die Polizei in Kempten etwa teilte der SZ mit, dass sie bei anderen Tatverdächtigen, ebenfalls aus Osteuropa, unmittelbar vor dem Durchbruch stehe. Sie wurden ebenfalls von einer Kamera aufgenommen. Möglicherweise sind in anderen Teilen der Bundesrepublik noch weitere Täter unterwegs.

Worauf die Kunden achten sollen

Da sich die Fälle immer mehr ausweiten, rät die Polizei Bankkunden, ab sofort auch am eigenen Bankautomaten auf mögliches Cash-Trapping zu achten. Am leichtesten erkennt man es daran, dass das Ausgabefach nicht frei zugänglich ist. Blenden oder andere Vorbauten vor dem Schlitz sind bei keinem Geldautomaten üblich. Im Zweifelsfall kann der Kunde leicht überprüfen, ob ein Teil zum Geldautomaten gehört, indem er daran rüttelt. "Mit Klebeband befestigte Blenden lassen sich leicht entfernen", heißt es beim Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg.

Stellt ein Bankkunde tatsächlich fest, dass sich vor dem Ausgabeschlitz eine Verblendung befindet, sollte er sofort die Bank oder am besten gleich per Notruf 110 die Polizei verständigen. Dabei ist Vorsicht geboten, denn die Täter befinden sich wahrscheinlich in der Nähe. "Die warten ja nur darauf, dass der Kunde weggeht, um so an den Automaten zu kommen und das Geld an sich zu nehmen", warnt das LKA Baden-Württemberg. Das bedeutet auch, dass es für die Polizei eine große Chance gibt, die Täter zu erwischen.

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