Banken an der Börse:Von Tief zu Tief

Gemetzel an der Börse: Die Aktien deutscher Kreditinstitute sind zuletzt dramatisch gefallen. Die Deutsche Bank ist mittlerweile "nur noch" 20 Milliarden Euro wert, das allerdings obwohl sie ein Eigenkapital von 50 Milliarden Euro ausweist. Ist das gerechtfertigt?

Harald Freiberger

Der Mittwoch war ein ungewöhnlicher Tag für die Aktien von Commerzbank und Deutscher Bank - ein Tag, an dem die Kurse stiegen. So etwas haben beide Unternehmen in den vergangenen Wochen selten erlebt. Seit Anfang August die Börsenturbulenzen ausbrachen, haben die Kurse etwa ein Drittel ihres Werts verloren. Die Deutsche Bank rückte ihrem Tiefkurs von rund 17 Euro in den Monaten nach der Lehman-Pleite bedrohlich nahe, die Commerzbank fällt von einem Tief zum nächsten und notierte zeitweise unter 1,50 Euro.

Banken an der Börse

Die Aussichten, dass es in nächster Zeit aufwärts geht, sind gering. "Es handelt sich um eine rein politische Börse", sagen Experten.

(Foto: dpa)

Bankaktien werden nur noch als Risiken gesehen und um jeden Preis verkauft", sagt Michael Seufert, Analyst bei der NordLB. Niemand schaue mehr auf die Ertragsstärke oder die Zukunftsaussichten der Bank, es gebe ausschließlich ein Thema: die europäische Schuldenkrise. Ihre Ausweitung hätte für deutsche Banken gravierende Folgen, stellte die Ratingagentur Standard & Poor's am Mittwoch fest. "Ein potenzieller Vertrauensverlust im Falle einer Ausbreitung der Krise könnte wie schon nach Lehman einen Unterstützungsbedarf auslösen", sagte Analyst Stefan Best. Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers mussten Institute wie die IKB oder Hypo Real Estate mit Staatsgeld gerettet werden. Die Gewinnaussichten für die deutschen Banken seien derzeit negativ, aber noch nicht bedrohlich, sagte Best. Das könne sich ändern, wenn sich die Krise verschärfe oder es zu einer Rezession in Deutschland komme.

Gefahr für die Commerzbank

Griechenland hat gezeigt, dass Staatsanleihen nicht mehr risikolos sind und eventuell hohe Schuldenschnitte drohen, bis hin zum Totalverlust", sagt Dieter Hein, Analyst bei Fairesearch. Das werde nicht mehr nur auf Griechenland, Irland und Portugal bezogen, sondern auch auf Spanien und Italien. Sollte es dazu kommen, reiche das Kapital vieler Banken nicht mehr aus. Diese Möglichkeit habe die Börse in den letzten Wochen in die Kurse eingepreist.

Hilfe aus den USA?

Der Kursverfall ist dramatisch. Die Deutsche Bank hat ein Eigenkapital von 50 Milliarden Euro ausgewiesen, die Marktkapitalisierung aber liegt nur noch bei 20 Milliarden Euro. Das bedeutet: Die Börse unterstellt, dass die Bank in der Krise noch 30 Milliarden Euro verlieren kann. "Zwar hat die Bank in den fünf europäischen Schuldenstaaten nur 3,7 Milliarden Euro in Staatsanleihen investiert, das wäre verkraftbar", sagt Hein. Hinzu komme aber ein Vielfaches davon, das an Banken, Unternehmen und Privatleute verliehen ist. Das Geld sei gefährdet, wenn der Euro auseinanderbricht.

Die Commerzbank ist über ihre Tochter Eurohypo mit fast 15 Milliarden Euro in den fünf europäischen Schuldenstaaten engagiert. Käme es zu einem größeren Schuldenschnitt, könnte sie das mit eigenen Mitteln kaum mehr bewältigen. Das Bedrohungsszenario liegt auf der Aktie wie ein Mühlstein. Dabei hatte die Commerzbank im Mai und Juni mit einer gewaltigen Kapitalerhöhung zum Befreiungsschlag ausgeholt und einen großen Teil der Staatshilfe zurückgezahlt. Die Hoffnungen, dass es danach mit der Aktie aufwärts geht, sind dahin.

Im eigentlichen Geschäft sieht es gar nicht so schlecht aus. Bei der Commerzbank läuft das Mittelstandsgeschäft schon länger gut, das Privatkundengeschäft zieht langsam an. Die Deutsche Bank erreichte im ersten Halbjahr mit 5,5 Milliarden Euro vor Steuern bereits mehr als die Hälfte des Ziels von zehn Milliarden. "Die Aussichten im dritten und vierten Quartal sind zwar schlechter, aber es dürfte immer noch einen deutlichen Gewinn geben", so Seufert. Wenn Vorstandschef Josef Ackermann die zehn Milliarden nicht erreiche, werde ihm das niemand verübeln, da sich seine Aussage auf "normale Zeiten" bezogen habe. Es seien aber keine normalen Zeiten.

Ein kleiner Lichtblick kam am Mittwoch aus den USA: An der Börse kursierte das Gerücht, Investoren-Legende Warren Buffett sei an einem Anteil von zehn Prozent an der Deutschen Bank interessiert, genauso wie er seinen Elf-Prozent-Anteil an der Münchener Rück aufstocken wolle. Offenbar gibt es noch Leute, die an deutsche Finanzinstitute glauben. Doch ein Investor allein hilft wenig, wenn sich alle anderen von Bankaktien verabschiedet haben.

Die Aussichten, dass es in nächster Zeit aufwärts geht, sind gering. "Es handelt sich um eine rein politische Börse", sagt Analyst Seufert. Alles hänge davon ab, ob die Politik eine Lösung für Griechenland und die anderen europäischen Schuldenstaaten finde. Und da dies nicht in Sicht sei, dürften Bankaktien noch lange unter Druck bleiben.

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