Bankberatung:Abschied vom kleinen Plausch

Mit dem Bankberater einfach ein bisschen schwätzen, geht nicht mehr. Seit 2010 muss alles protokolliert werden. Das Verbraucherministerium überprüft jetzt, wie sinnvoll das ist.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Es gab Zeiten, da konnte man in der Bank noch ein Schwätzchen halten. Während man ein, zwei Überweisungen ausfüllte, plauschte man nebenher mit dem Bankberater über dies und das - und vielleicht auch darüber, welche Geldanlage sich denn gerade besonders lohnt. Diese Zeiten liegen lange zurück. Und zwar nicht nur, weil es mittlerweile kaum noch möglich ist, eine lohnende Geldanlage zu finden. Sondern vor allem, weil man mit seinem Anlageberater nicht mehr plauschen kann. Jedenfalls nicht über Geld.

Sobald es um dieses Thema geht, muss der Berater sofort das ganze Gespräch schriftlich protokollieren. So will es das Gesetz seit 2010. Ziel war, Anlegern im Zweifelsfall den Beweis zu erleichtern, dass sie falsch beraten wurden. Doch inzwischen wird immer häufiger Kritik an dieser Pflicht laut. "Mittlerweile geht oft mehr Zeit für die Protokollierung drauf als für das eigentliche Anlagegespräch", sagt Lars Gatschke, Finanzexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Zumal die Kunden kaum etwas davon hätten. "Die Banken arbeiten da häufig so geschickt mit Textbausteinen, dass das Protokoll am Ende dem Anleger gar nichts nützt, sondern nur dazu dient, den Berater von jeder Haftung freizustellen."

Auch wenn der Kunde nicht will, mitgeschrieben wird trotzdem

Bundesverbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) hat das Problem bereits auf dem Schirm. Er will die Beratungsprotokolle auf ihre Praxistauglichkeit überprüfen und weiterentwickeln. In Kürze wird das Ministerium zudem eine Studie vorlegen, aus der hervorgeht, wie die Banken derzeit mit den Protokollen umgehen. Nach allem, was bislang zu hören war, fällt die Bilanz nicht gerade positiv aus.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Protokolle auch bei den Banken unbeliebt sind. "Der Aufwand, der betrieben werden muss, ist einfach immens", sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). "Und das, obwohl die Kunden ohnehin bereits den Eindruck haben, sie bekämen von ihrer Bank zu viele Papiere ausgehändigt."

Er würde sich wünschen, dass es wenigstens eine Opt-out-Möglichkeit gibt. "Erfahrene Anleger sollten sagen dürfen: Lasst mich mit dem Schmarrn in Ruhe! Ich brauche kein Protokoll." Zurzeit ist das nicht möglich. "Der Kunde kann es zwar sagen, der Bankberater ist aber trotzdem verpflichtet, ein Protokoll anzufertigen."

Ohnehin hat Kemmer den Eindruck, dass die Politik im Bestreben, die Finanzkrise aufzuarbeiten, "an der ein oder anderen Stelle über das Ziel hinausgeschossen ist". Als weiteres Beispiel sieht er das Beschwerderegister, das die Finanzaufsicht Bafin seit November 2012 führt. Darin sind die Namen aller gut 160 000 Anlageberater von Banken und Sparkassen gespeichert. Beschwert sich irgendwo in Deutschland ein Kunde über einen dieser Berater, muss die Beschwerde unverzüglich an die Bafin weitergeleitet werden. Ziel ist, dass die Aufsicht so früh wie möglich erfährt, wenn sich die Beschwerden über eine Filiale oder einen Berater häufen.

Weder Protokolle noch Beschwerderegister schützen vor Skandalen

"Die Idee mag ja nicht verkehrt sein", sagt Kemmer. Aber man müsse sich mal eines vor Augen halten: "Bislang gab es alles in allem gut 14 000 Beschwerden. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Berater mindestens drei Beratungsgespräche pro Tag führt, dann macht das bei 200 Arbeitstagen 800 Gespräche seit Inbetriebnahme des Registers. Das Ganze multipliziert mit 160 000 Beratern ergibt 128 Millionen Anlagegespräche." Natürlich sei jede einzelne der 14 000 Beschwerden eine zu viel.

"Setzt man sie aber in Relation zur Zahl der tatsächlich geführten Gespräche, dann sind die Beschwerden doch verschwindend gering. Auf etwa 10 000 Beratungen kommt eine Beschwerde", sagt Kemmer. "Jedenfalls steht der Aufwand, der mit diesem Register verbunden ist, in keinem Verhältnis zum Ergebnis."

Dass weder Protokolle noch Beschwerderegister Anleger vor Skandalen schützen können, zeigte jüngst der Fall Prokon. Der Windparkfinanzierer hatte durch den Verkauf von Genussrechten etwa 1,4 Milliarden Euro von rund 75 000 Anlegern eingenommen. Es ist ungewiss, ob sie jemals ihr Geld zurückbekommen. Doch waren die Genussrechte nicht von Banken, sondern von Prokon selbst vertrieben worden. Daher musste auch nichts protokolliert werden, und es gab keinen Berater, über den sich die Anleger beschweren konnten.

Selbstverantwortung gehört in der freien Wirtschaft dazu

"Der Fall zeigt, dass es höchste Zeit ist, den grauen Kapitalmarkt strikter zu regulieren und ihn endlich der Kontrolle der Bafin zu unterstellen", sagt Kemmer. Doch sieht er auch die Anleger in der Pflicht. "Ich darf von einem Kunden erwarten, dass er sich mit einem Finanzprodukt auseinandersetzt, bevor er es erwirbt." Das mache man beim Kauf einer Waschmaschine oder eines Autos ja auch. "Eine gewisse Selbstverantwortung gehört zu einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung einfach dazu."

Unbehagen äußert Kemmer auch, wenn es um freie Vermittler von Graumarkt-Produkten wie etwa geschlossenen Fonds geht. "Leider hat sich die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht dazu durchgerungen, die freien Vermittler genau wie Banken und Versicherungen von der Bafin kontrollieren zu lassen." Stattdessen würden sie von den Gewerbeaufsichtsämtern überwacht, "die auch für Kioske und Gaststätten zuständig sind". Dabei gebe es dort gar nicht die nötige Finanzkompetenz, um den Vertrieb von riskanten Produkten zu überwachen.

"Das sind Aufgaben, die ganz klar die Bafin übernehmen müsste", sagt Kemmer. "Nur dort ist die Fachkompetenz vorhanden, um effektiv einzuschreiten und im Zweifelsfall Bußgelder zu verhängen." Noch im April wollen Justiz- und Finanzministerium die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe vorlegen, die den Finanzskandal Prokon aufgearbeitet hat - und darlegen, was sie gesetzlich verbessern wollen.

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