Bafin-Chef Jochen Sanio:"Bankvorstände sind ahnungslose Jungs"

Jochen Sanio, Chef der Bankenaufsicht Bafin, kritisiert die Branche. Er sieht keine Pleiterisiken in Deutschland mehr, warnt aber vor weltweiten Risiken.

Markus Zydra

Das Angenehme an Jochen Sanio ist, dass er Klartext redet und sich als Behördenchef nicht hinter Behördenprosa versteckt. So kam es zu der klaren Aussage, dass die deutschen Banken trotz der andauernden globalen Finanzkrise keine existenziellen Sorgen mehr haben. "Wir haben die Portfolios gesichtet, und mir ist seit längerem kein Institut bekannt, bei dem es Liquiditätsprobleme gibt", sagte der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

Bafin-Chef Jochen Sanio: "Die Aufsicht trifft keine Schuld" - Jochen Sanio bezieht Stellung zur Finanzkrise.

"Die Aufsicht trifft keine Schuld" - Jochen Sanio bezieht Stellung zur Finanzkrise.

(Foto: Foto: AP)

Gleichzeitig warnte er allerdings vor einer Ausweitung der Krise. "Es besteht die Gefahr, dass sich die Finanzkrise weiter verschärft und stärker als zunächst erwartet auf die Realwirtschaft durchschlägt", sagte er. "Der Start ins Jahr 2008 war sehr holprig." Bis zum Jahresende sei keine durchgreifende Besserung an den internationalen Kapitalmärkten zu erwarten. Sanio forderte die Kreditinstitute erneut auf, ihre Risiken offenzulegen.

"Die Aufsicht hat keine Schuld"

Die Bafin legte just ihren Jahresbericht 2007 vor. Erstmals saß Sanio als einer von fünf auf dem Podium. Vier Direktoren sind ihm seit diesem Monat gleichberechtigt beigestellt: Karl-Burkhard Caspari, Thomas Steffen, Sabine Lautenschläger und Michael Sell. Dennoch machte Sanio die Show, vielleicht weil er immer noch eine Besoldungsstufe über den Kollegen steht, eher aber, weil er es liebt, mit seiner klaren Sprache Schneisen in der Diskussion zu schlagen.

"Die Aufsicht hat an der Krise keine Schuld'", sagte er kategorisch auf die häufig geäußerten Vorwürfe, die Bafin und andere nationale Aufseher hätten die Subprime-Krise schlicht verschlafen. "Wir haben den Urteilen der Ratingagenturen genauso geglaubt wie viele Investoren", sagte er und nahm dabei auch die wegen der Krise entlassenen Bankenvorstände in Schutz. "Ich würde sie nicht als böse Jungs bezeichnen, sondern vielmehr als ahnungslose Jungs."

Zufrieden mit stärkerer Regulierung

Hauptschuld an der Krise tragen seiner Meinung nach die Ratingagenturen. "Sie haben sich mit den Verbriefungen eine goldene Nase verdient, nun müssen sie sich das Vertrauen neu erarbeiten." Ende Mai will die Internationale Organisation der Wertpapieraufseher den neuen, überarbeiteten Verhaltenskodex vorlegen. "Wenn sich eine Agentur dem Kodex verweigert, muss sie in aller Öffentlichkeit gebrandmarkt werden", forderte Sanio.

Zudem zeigte sich der Bafin-Präsident zufrieden darüber, dass nun der Finanzsektor stärker reguliert werde und verwies auf den jüngst veröffentlichten Report des Financial Stability Forums. Es empfahl ein besseres Risikomanagement, eine umfassendere Liquiditätsplanung und eine frühere Information der Notenbanken durch die Kreditinstitute. "Die systematische Deregulierung der vergangenen Jahre hat sich als gefährlicher Irrweg erwiesen", sagte Sanio.

Wie weit die Aufsicht gehen darf

Als größtes Problem sieht es der Bafin-Chef, künftig die Marktschwankungen in gewissen Korridoren zu halten. "Das ist schwierig, weil die aktuelle Regulierung mit Basel II stark prozyklische Züge trägt", so Sanio zur SZ. Prozyklik bedeutet, dass Finanzinstitute in Boomzeiten bei hohen Bewertungen viele Freiheiten haben. "In Spanien ist es anders: Dort müssen Banken gerade in guten Zeiten höhere Reserven bilden, als Puffer für die schlechten Zeiten", sagte Sanio.

Kernfrage ist auch, wie weit die Aufsicht bei der Begrenzung von Marktturbulenzen gehen kann. In der US-Notenbank Fed gibt es Diskussionen darüber, in Krisenzeiten direkt in die Geschäftspolitik der Banken einzugreifen, beispielsweise durch höhere Kapitalunterlegung von Krediten oder den Verkauf von risikoreichen Positionen. "Das wäre in Deutschland rechtlich nicht machbar", sagte Sanio.

Zur Frage, ob man Institute, die sich verspekuliert haben, nicht pleitegehen lassen soll, sagte Sanio: "Der Fall Bear Stearns hat eine neue Doktrin ins Leben gerufen. Too connected to fail - zu stark vernetzt, als dass man ein Institut untergehen lassen könnte." Die US-Investmentbank Bear Stearns stand vor der Pleite und wurde unter Einschaltung der Fed an JP Morgan verkauft. Es bestand die Gefahr, dass eine Pleite der Bank aufgrund ihrer vielen Geschäftsverbindungen die globale Finanzkrise verschärft hätte.

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