Axel Weber und die EZB:Bundesbank-Chef brüskiert die Kanzlerin

Mit voller Wucht gegen Merkel: Axel Weber will nicht mehr Präsident der Europäischen Zentralbank werden, obwohl er der Kandidat der Kanzlerin ist. Jetzt hat Europas mächtigste Politikerin ein Problem.

Guido Bohsem, Helga Einecke und Claus Hulverscheidt

Bundesbankpräsident Axel Weber will offenbar nicht mehr Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung kündigte er bankintern an, auf eine Kandidatur zu verzichten. Er stieß damit Kanzlerin Angela Merkel vor den Kopf, die ihn im Frühsommer als Nachfolger von Jean-Claude Trichet hatte vorschlagen wollen. Spekulationen, Weber werde neuer Chef der Deutschen Bank, wurden zunächst nicht bestätigt.

Den SZ-Informationen zufolge hatte der Ökonom am Mittwochmorgen seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit sowie auf eine Bewerbung für die EZB-Präsidentschaft offiziell bekanntgeben wollen. Die Bundesbank stoppte jedoch die Veröffentlichung der bereits fertig formulierten schriftlichen Erklärung in letzter Minute. Ob ein Telefongespräch Webers mit Merkel dafür den Ausschlag gab, war zunächst unklar. Aus Regierungskreisen verlautete, die Kanzlerin wolle den Bundesbank-Chef von seinem Entschluss abbringen. Gelingt ihr das nicht, steht sie ohne EZB-Kandidat da: "Es gibt nur einen Deutschen, der für das Amt des EZB-Präsidenten in Frage kommt - und das ist Axel Weber", hieß es in den Kreisen.

Zweite Amtszeit? Nicht unbedingt

Im Kanzleramt war man bisher fest davon ausgegangen, dass es in der Euro-Zone zwar Widerstand gegen eine Berufung Webers zum obersten Währungshüter geben würde, Merkel ihn aber letztlich durchsetzen werde. Dass Weber den Posten wollte, galt als unbestritten. Um ihm das Feld zu bereiten, hatte die Kanzlerin im vergangenen Jahr die Ernennung des Portugiesen Vitor Constâncio zum Vizechef der EZB maßgeblich vorangetrieben. Durch die Wahl des Südeuropäers waren die Chancen des einzigen Weber-Konkurrenten, des italienischen Notenbankpräsidenten Mario Draghi, auf die Trichet-Nachfolge stark gesunken.

Die Bundesbank wollte sich auf Anfrage nicht offiziell zur Zukunft ihres Präsidenten äußern. Aus Kreisen der Behörde war nur zu hören, Weber habe in kleiner Runde erklärt, er wolle nicht unbedingt eine zweite Amtszeit als Bundesbankpräsident antreten. Sein derzeitiger Vertrag läuft bis Ende April 2012, Trichets Platz wird am 1.November 2011 frei. Weber hatte in den vergangenen Monaten mehrfach Kritik an der seiner Meinung nach zu generösen Anti-Krisen-Politik der EZB sowie an den Plänen der EU-Staats- und Regierungschefs für eine Reform des Stabilitätspakts und eine europäische Wirtschaftsregierung geübt. Damit schuf er sich sowohl notenbankintern als auch unter den EU-Regierungen Feinde, insbesondere in Paris.

In Frankfurt und Berlin, aber auch in London, kursierten am Mittwoch Gerüchte, Weber solle "nach einer Karenzzeit" Nachfolger von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann werden. Ob dies formal überhaupt so einfach möglich wäre, war zunächst unklar, schließlich ist der Bundesbankpräsident gemeinsam mit dem Chef der Bafin der oberste Aufseher über die deutschen Kreditinstitute. Wechsel zwischen Bundesbank und Deutscher Bank hat es in der Vergangenheit schon gegeben, allerdings in umgekehrter Richtung: Karl Klasen wechselte 1970 von der Deutschen Bank zur Bundesbank und übernahm dort für gut sieben Jahre das Amt des Präsidenten.

Die Berichte über Webers EZB-Verzicht setzten den Euro zunächst heftig unter Druck. Später erholte sich der Kurs aber wieder deutlich. Händler sprachen von einer "kurzzeitigen Irritation". Aus Webers Umfeld verlautete am Mittwochnachmittag, der Bundesbankpräsident werde schon bald eine persönliche Erklärung abgeben.

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