Ausgaben in wichtigen Lebensmomenten:Planlos, kraftlos, Geld los

Ausgaben in wichtigen Lebensmomenten: Babymessen, teure Mini-Klamotten, Pekip-Kurse: Kinder zu haben ist heutzutage ein Projekt, ein teures.

Babymessen, teure Mini-Klamotten, Pekip-Kurse: Kinder zu haben ist heutzutage ein Projekt, ein teures.

(Foto: Stefan Dimitrov)

Es gibt Situationen im Leben, in denen zahlen wir beinahe jeden Preis, der von uns verlangt wird: für Beerdigungen, Kinder, Heirat, bei Krankheit oder wenn wir Fan sind. Fünf Momente, die ins Geld gehen.

Kinder zu bekommen ist heute für viele ein Projekt. Erst die Ausbildung oder das Studium fertigkriegen, ein Jahr im Ausland verbringen, die Karriere planen und starten, in der unermesslichen Auswahl des Lebens und des Internets den perfekten Partner suchen - und dann! Endlich! Das Kind! Die emotionale Erfüllung. Irgendwann so mit Mitte 30. Oder auch später, wenn noch der perfekte Job oder die noch bessere Wohnung dazwischenkommt. Für manche Frauen ein gefährliches Spiel mit der biologischen Uhr. Egal, geht schon noch.

Umso größer die Erleichterung, die Freude, wenn es dann wirklich geht und das Projekt startet. Ein Kind. Kaum vorstellbar, wie diese Wesen früher groß geworden sind. Ohne Babymessen, ohne Baby-Blogs im Internet, ohne Pekip-Kurse (ja, das ist das, wo die Babys in überhitzten Räumen nackt rumkrabbeln und auf den Boden pinkeln) - und ohne die neueste Junior-Kollektion von Burberry. Mittlerweile gibt es kaum eine teure Marke mehr, die keine eigene Junior-Baby-Kids-Mini-Kollektion hat.

Dolce & Gabbana stylt Jogginghosen mit kleinen Mini-Totenköpfen oder mit Leopardenprint. Kosten 200 Euro. Tommy Hilfiger bietet den amerikanischen Look mit einem Baby-Parka für, hey, 180 Euro. Und von Burberry gibt es natürlich den klassischen beigefarbenen Trenchcoat für lockere 575 Euro. Die Stars machen's vor und lassen ihre Kleinsten in feinster Kleidung herumkrabbeln. Aber wer denkt, dass es nur die Stars sind, die sich diese Preise leisten, der irrt. Burberry zum Beispiel macht mittlerweile Milliardenumsätze mit den Mini-Klamotten. Solche Summen können nicht nur von den Käufen der Schauspielerin Katie Holmes stammen, die ihr und Tom Cruise' Kind Suri selbstredend in den Trenchcoat verpackt. Mit farblich abgestimmtem Schnuller, natürlich.

Nein, auch Normalmenschen kaufen, egal wie teuer. Konsumieren haben wir ja gelernt in den ersten 35 Jahren unseres Lebens. Außerdem zeigt man: Mein Kind ist mir was wert. Und sowieso - sagt ein so hübsch angezogenes Wesen nicht viel darüber aus, wie toll ich selbst bin? Vergessen, verdrängt, egal, dass das Kleine das Zeug nur einige Wochen trägt und dann rauswächst. Was das Kind davon hat? Hübsche Kinderfotos für die Abi-Zeitung oder für die Enkel. Mehr kaum. Stattdessen wird es wohl irgendwann schmerzhaft werden. Wenn das Projekt dann trotzdem lieber mit Freunden in Urlaub fahren möchte oder mit 18 auszieht. Und eventuell Vorwürfe kommen wie: "Mensch, Mama, war ich eigentlich jemals mehr als ein Projekt für dich?"

Hanna Wilhelm

Beerdigung: der größte Kranz

Ausgaben in wichtigen Lebensmomenten: Kaum weilt ein Mensch nicht mehr unter uns, steigt die Bereitschaft, Geld für ihn auszugeben.

Kaum weilt ein Mensch nicht mehr unter uns, steigt die Bereitschaft, Geld für ihn auszugeben.

(Foto: Stefan Dimitrov)

Als Margaret Thatcher ihren letzten Weg ging, begleiteten sie 700 Soldaten, die Militärparade kostete zehn Millionen Pfund. Mancher Brite ärgerte sich über den Popanz, doch die Eiserne Lady ist nicht die Erste, die in Glanz und Gloria ging. Ganz gleich, ob jemand viele Freunde hatte oder bei Familienfesten alleine saß, kaum weilt er nicht mehr unter uns, steigt die Bereitschaft, Geld für ihn auszugeben: Obwohl Bestattungen schon in der einfachen Version viel kosten - bis zu 1100 Euro ein Urnengrab, das Abspielen einer CD bis zu 50 Euro -, beerdigen die meisten Menschen ihre Liebsten unter Kränzen in Lkw-Reifengröße, zu Live-Musik und mit mehrgängigen Menüs. Gelegentlich geht es an die Grenze zur Verschuldung.

Die Gründe sind so unterschiedlich wie die Trauerkarten, die bei solchen Gelegenheiten erworben werden. Natürlich spielen Trost und Ablenkung eine Rolle. Aber genau diese Aspekte zeigen schon: Eichenholz und Wagnerklänge entsprechen vielleicht noch Wünschen des Verstorbenen, doch schon beim Leichenschmaus geht es oft weniger darum, ob der tote Onkel Jägerschnitzel liebte, sondern darum, dass die lebendige Tante ihren Matjes bekommt. Die Beerdigung findet nicht für den Verstorbenen, sondern für die anderen statt: die verzweifelten Hinterbliebenen, die entfremdeten Verwandten, die neugierigen Nachbarn.

Dabei wird man gelegentlich den Eindruck nicht los, dass im Nachhinein kompensiert wird, was zu Lebzeiten verpasst wurde: Der Patenonkel hat nur einen Anruf pro Jahr bekommen? Okay, größerer Kranz, "Für meinen geliebten Onkel" auf die Bordüre. Die Oma hat sich einen Spaziergang gewünscht, aber irgendwas war immer wichtiger? Eine Todesanzeige im A5-Format sollte drin sein.

Das Unterfangen, die vernachlässigten Verstorbenen zu besänftigen, ist natürlich sinnlos. Selbst wenn man vom Leben nach dem Tod überzeugt ist: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Onkel das Band oder die Oma die Anzeige liest, ist gering. Doch vielleicht geht es ohnehin nur auf den ersten Blick um postmortale Versöhnung. Vermutlich steckt hinter explodierenden Ausgaben die Beruhigung des eigenen Gewissens. Das scheint jedenfalls in dem Maß kleiner zu werden, in dem sich die Ausgaben nach außen sichtbar steigern. Wer diese Möglichkeiten nicht hat, kann es dann übrigens immer noch machen wie ein Besucher der Militärzeremonie für Frau Thatcher. Der Mann hielt damals ein Transparent hoch, darauf stand in Großbuchstaben: "But we loved her."

Lea Hampel

Krankheit: zahlen für die Hoffnung

Ausgaben in wichtigen Lebensmomenten: Wer unter einer Krankheit leidet, sucht Linderung, Geld ist ihm ziemlich egal.

Wer unter einer Krankheit leidet, sucht Linderung, Geld ist ihm ziemlich egal.

(Foto: Stefan Dimitrov)

Jeden Winter bemühen sich Experten, den volkswirtschaftlichen Schaden, der durch Krankheit und die daraus folgenden Fehltage zustande kommt, zu beziffern. Das klingt dann alarmierend (130 Milliarden Euro!) und irgendwie so, als sei das Krankwerden eine egoistische Laune von Menschen, die erstens faul und zweitens derart undiszipliniert sind, dass sie noch nicht einmal den eigenen Magen-Darm-Trakt unter Kontrolle haben. In Wirklichkeit sind Krankheiten natürlich in erster Linie ein Problem für den Kranken. Er hustet, hat Kopf- und Gliederschmerzen - und muss in die Apotheke laufen, Nasenspray, Halstabletten und was immer die Verkäufer dort noch empfehlen, kaufen. Außerdem Zitronen, Tee, Hühnersuppe, Taschentücher. 50 Euro ist er schnell los.

Wenn man richtig krank ist, zum Arzt muss oder ins Krankenhaus, springt in Deutschland die Versicherung ein. Wie teuer das Kranksein werden kann, merkt man, wenn einen Bettelbriefe erreichen, Kettenmails aus den USA oder Afrika, verzweifelte Eltern, ein todkrankes Kind, eine einzige Therapie, die hundertsiebenundzwanzig Millionen Dollar kostet. Warum die Behandlung derart kostspielig sein muss? Teuer ist Medizin vor allem, wenn sie seltene Krankheiten heilen soll: Die Forschungsaufwendungen pro Medikament sind enorm. Doch auch weitverbreitete Medikamente können sehr viel Geld kosten. Die Logik dahinter ist simple, grausame Betriebswirtschaft: Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Wer leidet, sucht Linderung, Geld ist ihm ziemlich egal. Er ist bereit, fast jeden Preis zu bezahlen.

Diesen Umstand machen sich viele Menschen zunutze: Zum einen die Pharma-Industrie, die in den USA selbst Nasensprays, Salben und Verbände für mehrere Hundert Dollar verkaufen kann. Zum anderen selbst ernannte Gurus, die Produkte anbieten, deren Wirksamkeit nicht belegt ist. Die Verzweiflung schwerkranker Menschen nutzen sie, um ihnen beispielsweise alternative Krebstherapien anzudrehen, Immunmodulatoren aus der Raumfahrt für Zehntausende Euro, Kräuteremulsionen, Geräte, die einen bestimmten Darmegel aus dem Körper locken sollen. Dass das vermutlich nur wirkt, wenn man sehr fest daran glaubt, ahnen wohl auch die Kranken. Viele zahlen trotzdem. Irrational? Ja. Und nein. Wer nur noch hoffen kann, dass er überlebt, zahlt vielleicht auch 50 000 Euro für dubiose Kräuterlotionen. 0,5 Prozent Erfolgschance sind besser als nichts. Wofür soll er schließlich sparen? Gegen solche Geschäftsmodelle helfen nur: strenge Gesetze.

Charlotte Theile

Hochzeit: der perfekte Tag

Ausgaben in wichtigen Lebensmomenten: Im Planungschaos zwischen einem Kleid, das einige Tausend Euro kostet, und der Frage, ob man nicht für einen Euro und 50 Cent Ersparnis pro Gast auf die Käseplatte verzichten könnte, schaltet das Gehirn aus.

Im Planungschaos zwischen einem Kleid, das einige Tausend Euro kostet, und der Frage, ob man nicht für einen Euro und 50 Cent Ersparnis pro Gast auf die Käseplatte verzichten könnte, schaltet das Gehirn aus.

(Foto: Stefan Dimitrov)

Dass ein Ehering teuer sein muss, ist ein Mythos. 39,90 Euro kosten die Trauringe Bicolor aus Titan mit Goldplattierung im Onlineshop Rakuten.de. Dazu sechs Euro Versandkosten, eine E-Mail mit Ringgröße und Gravurwunsch, fertig. Der User Thomas G. ist "positiv überrascht vom hochwertigen Aussehen der Ringe", er hat fünf Sterne gegeben. Weitere Bewertungen gibt es nicht. Die Ringe sehen selbst im vorteilhaft ausgeleuchteten Onlineshop furchtbar aus.

Wer nicht für den Rest seines Lebens mit Bicolor von Rakuten herumlaufen möchte, gibt vermutlich ein bisschen mehr aus. 500 bis 1500 Euro veranschlagt das Portal hochzeit-perfekt-geplant.de für Ringe, auch bei Rakuten kann man mehrere Tausend Euro ausgeben. Ähnlich teuer ist das Brautkleid. Selbst wenn man es nicht für den Rest seines Lebens tragen wird, sondern nur ein paar Stunden, in denen so mancher Anwesende betrunken ist - dass es für 19,99 Euro bei Ebay in der Kategorie "Hochzeitskleid, weiß, neu" Treffer gibt, wird vermutlich keinen Run auslösen.

Doch auch ohne Frauenzeitschriften und Hollywoodfilme, die vorschreiben, was man am "schönsten Tag des Lebens" ausgeben und leisten muss: Natürlich soll es ein schönes Fest werden. Mit leckeren Drinks, gutem Essen, hübschen Fotos. Das kostet. Alles in allem 5450 Euro, wenn man Planungsportalen glauben darf. Frauenzeitschriften schreiben, es seien "10 000 bis 15 000 Euro". Und: "Nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt."

Also rechnet und spart man, fragt Eltern und Großeltern, was sie zuschießen können, streitet, ob 60 Gäste reichen und ob es ein Profi-Fotograf sein muss. Der Cousin des Trauzeugen studiert ja Fotografie. Und überhaupt: Eine vegetarische Hochzeit wäre doch zeitgemäß. Oder? Irgendwann, im Planungschaos zwischen einem Kleid, das einige Tausend Euro kostet, und der Frage, ob man nicht für einen Euro und 50 Cent Ersparnis pro Gast auf die Käseplatte verzichten könnte, schaltet das Gehirn aus.

Es kapituliert einfach. Vor der Wucht der Entscheidungen, vor den Summen, mit denen jongliert wird. Vor der Bedeutungsschwere, mit der allein die Farbe des Blumenschmucks am Kindertisch aufgeladen sein kann. Spätestens jetzt wird ein "Wedding Planner" engagiert - der, wenn man Hollywood glauben darf, am Schluss entweder den Bräutigam oder die Mutter der Braut verführt - oder man findet sich mit dem ab, was vorher alle gesagt haben: Heiraten ist verdammt teuer. Es sei denn, man hält es wie User Thomas G.: Seinem Kommentar nach zu urteilen, freut er sich bis heute an der "guten Verarbeitung" seines 40-Euro-Rings.

Charlotte Theile

Fan sein: Fußball ist alles

Für ihn gab es nur Fußball. Keine Freunde, keine Frau, nur Fußballer. Die deutschen Nationalspieler, denen reiste er nach. Nach Albanien, nach Finnland und ins verdammte Uruguay, zu allen Partien der Nationalmannschaft reiste der Arzt aus dem Ruhrpott. Im In- und Ausland. In der Maschine des Nationalteams. Im gleichen Hotel. Das lief unter Sponsoring, das kostete Unmengen, das war es ihm wert. Wie weit geht die Begeisterung für den Fußball? Während bei der Weltmeisterschaft die halbe Nation am Schirm hängt, wirkt das wie eine seltsame Frage. Na klar finden (viele) Menschen Fußball toll.

Ausgaben in wichtigen Lebensmomenten: Der geliebten Fußballmannschaft hinterherreisen kostet nicht Hunderte Euro, sondern Tausende.

Der geliebten Fußballmannschaft hinterherreisen kostet nicht Hunderte Euro, sondern Tausende.

(Foto: Stefan Dimitrov)

Aber es gibt Fans, bei denen geht die Begeisterung weit darüber hinaus, dass sie die Freizeit in Beschlag nimmt. Sie leben für ihr Team. Sie ordnen ihr Sozialleben dem Fußball unter. Sie reisen der Mannschaft hinterher, sie planen ihre Wochenenden und manchmal ganze Wochen nach dem Rhythmus der Auftritte. Ob die nun gerade in Hannover oder Hoffenheim, bei Paris Saint-Germain oder Sankt Petersburg stattfinden.

Und das schlägt auf ihre Finanzen durch: Tickets, Flüge, Übernachtungen, Souvenirs kosten nicht Hunderte Euro, sondern Tausende. Bei dem Arzt aus dem Ruhrpott war es so, dass der Fußball auf einem Podest thronte wie nichts anderes in seinem Leben. Die Auftritte der Nationalmannschaft waren die Fixpunkte seiner Existenz. Der Kampf um die immer nächste Europa- und Weltmeisterschaft war der Takt seines Daseins. Es gibt ja immer eine nächste Meisterschaft. Jedes noch so zweitrangige Freundschaftsspiel ist im Grunde eine Etappe für das nächste Ziel. Eine wichtige Etappe, wenn man es sich schönredet. Der Arzt lebte für die Nähe zu den Nationalspielern, doch die Objekte entzogen sich der Begierde. Seine raren Gesprächspartner außerhalb des Balluniversums ließ der Arzt schon mal wissen, der Verteidiger X sei stoffelig, der Mittelfeldregisseur Y arrogant. Konnte einer, der so viel Geld ins Gekicke investierte, nicht etwas mehr Aufmerksamkeit erwarten, Dankbarkeit gar? Konnte er nicht. Los kam er trotzdem nicht davon.

Schmal ist der Grat zwischen Fantum und Fanatismus. Mancher mit zu wenig Geld kauft teure Tickets, bis es ihm und seiner Familie nicht mehr zum Leben reicht. Mancher mit zu viel Geld kauft sich einen Fußballclub, der dann doch nicht die Champions League gewinnt. Bei dem Arzt aus dem Ruhrpott war es so, dass er am Ende überschuldet war, seine Praxis verlor. Seine letzten Jahre regierte der Alkoholnebel, fern aller Stadien.

Alexander Hagelüken

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