Anklage gegen Goldman Sachs:Eine teuflische Wette

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Kann es sein, dass eine Bank gegen die eigene Kundschaft wettet? Die Antwort: leider ja. Die Konsequenzen sind verheerend.

Hans von der Hagen

Lange war unklar, was Goldman-Chef Lloyd Blankfein tatsächlich gemeint haben könnte, als er die Arbeit der Banken im Allgemeinen und die von Goldman Sachs im Besonderen als Gottes Werk rühmte.

Nun, möglicherweise hatte er das Buch Hiob vor Augen gehabt. Darin schließen Gott und der Teufel eine Wette ab: Der Teufel behauptet, dass Hiob nur gottesfürchtig sei, weil es ihm außergewöhnlich gut ginge. Darum erhält er, der Teufel, die Vollmacht, Hiob alles zu nehmen - die Familie und den Besitz. Beide wollen sehen, wie es um Hiobs Glauben im Ernstfall bestellt ist.

Die US-Börsenaufsicht SEC hat Goldman Sachs aufs Korn genommen, weil die Investmentbank ebenfalls Abmachungen im Verborgenen getroffen haben soll, die für die Kunden dramatische Folgen hatten. Sie verloren ihr Geld.

Auf den ersten Blick hat das Geldinstitut nur das getan, was andere in den vergangenen Jahren auch gemacht haben: Es verkaufte Papiere, mit denen die auf die Wertentwicklung von Anleihen gewettet wurde, die durch Ramsch-Hypotheken gedeckt waren.

Solche Papiere waren legal, doch eines dieser synthetischen Konstrukte hat das Misstrauen der SEC geweckt: Ein Hedgefonds unter der Führung von John Paulson soll bei der Strukturierung dieses Papiers erst mitgearbeitet und anschließend auf dessen Kollaps gewettet haben.

Dafür hat Goldman jetzt eine Klage wegen Betrugs am Hals, denn die Kunden sind offensichtlich nicht über den gefährlichen Interessenkonflikt informiert worden.

Die Börse reagierte panisch: Die Goldman-Papiere verloren am Freitag knapp 13 Prozent. Ganz offensichtlich bestürzt diese Klage die Anleger weit mehr als viele andere Bemühungen der Regierung, die Finanzkrise aufzuarbeiten und Verantwortliche für die Krise zu finden.

Es scheint fast, als habe die SEC den Nerv der Wall Street getroffen. Jetzt wächst die Furcht, dass es richtig wehtun könnte. Die Finanzwelt weiß: Mit der SEC ist nicht zu spaßen - sofern sie denn einmal in Fahrt kommt.

Bisher wirken alle Bemühungen, die Folgen der Finanzkrise aufzuarbeiten und Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen, hilflos. Neue, schärfere Regeln fürs Bankgeschäft? Werden vielleicht eingeführt. Bezahlung für die angerichteten Schäden? Ja, da gab es ein paar Vorschläge. Und der Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zur Aufarbeitung der Finanzkrise ist längst zur Farce verkommen. Nach der Krise Anfang der Dreißiger Jahre hatte sich vieles verändert. Nach der aktuellen Finanzkrise lässt sich bislang nur feststellen: Es ist über vieles geredet worden.

Aber nun geht es um einen konkreten Fall und Goldman muss sich im Falle eines Schuldspruchs auf empfindliche Bußen einstellen. Weit mehr aber noch fürchtet Goldman den enormen Verlust an Reputation.

Dass das Institut solche Geschäfte abgeschlossen hatte, war bekannt. Doch dass nun auch die SEC zum Schluss gekommen ist, dass Abmachungen, wie sie Goldman getroffen hat, illegal sein könnten - damit hatten offenbar viele Börsianer nicht gerechnet. Das Geschäft der Finanzunternehmen untereinander ist eben anerkannt ruppiger als das Geschäft mit den privaten Kunden.

Paulson hatte gezielt nach Banken gesucht, mit deren Hilfe er auf den Niedergang des Immobilienmarktes wetten konnte. Unter den wenigen Instituten, die dazu bereit waren, befand sich neben Goldman wohl auch die Deutsche Bank.

Paulson, Goldman, Deutsche Bank - es sind jene Namen, die vielerorts dafür gefeiert wurden, dass sie gut, ja teils glänzend durch die Krise gekommen sind.

Man kann Paulson und diesen Instituten nicht vorwerfen, dass sie rascher als andere erkannten, dass der schon so lange befürchtete Einbruch am US-Immobilienmarkt sich 2007 konkretisierte. Verheerend ist nur, dass zumindest Goldman seine Kunden offenbar leichtfüßig übertölpelte. Schuld an der Finanzkrise tragen eben nicht nur jene, die so dumm waren, ihr Geld zu verlieren. Sondern auch jene, die so klug waren, die anderen in die Falle laufen zu lassen.

Es ist schon zynisch genug, dass die Bankindustrie mit einer Flut neuer Produkte der Kundschaft - auch der professionellen - vorgaukelt, sie würden von Innovationen profitieren. Anders als in der Welt der realen Güter, wo ein neues Auto vielleicht besser fährt als ein altes Modell oder ein neuer Computer schneller ist als der alte, zahlen bei den Finanzinstituten die Kunden viel Geld dafür, dass ein altes Produkt lediglich neu zusammengeschraubt wurde.

Jetzt wissen die Kunden auch noch, dass hinter den Kulissen schon mal gegen sie gewettet wird, ohne dass sie davon Kenntnis haben. Wenn das in Zukunft unterbunden werden könnte, wäre das eine noch wichtigere Konsequenz als manche geplante Eigenkapitalregel: Wenn die eigene Bank heimlich gegen einen wettet, hat man keine Chance mehr.

Hiob wurde am Ende belohnt, die Goldman-Kunden hingegen haben ihr Geld verloren. Die Arbeit dieser Bank, da dürfen sich die Kunden sicher sein, ist zu 100 Prozent irdisch - mag Blankfein sie noch so sakral verklären.

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