Amerikanischer Immobilienmarkt:Gute Nacht, John-Boy

Vom Ende der "McMansion"-Ära: Die Amerikaner entdecken europäische Architektur-Vorzüge - etwa Energieeffizienz und Schlichtheit.

Gerhard Matzig

Der Begriff "McMansion", eine der Mc-Wortschöpfungen, in denen die Verbindung von Schnelligkeit, schierer Quantität und mangelnder Qualität thematisiert wird, tauchte erstmals in den neunziger Jahren in den USA auf.

Amerikanischer Immobilienmarkt: Seit den 50ern hat sich der Bedarf an persönlichem Wohnraum gesteigert, während die Häuser immer einfacher zu finanzieren wurden - und zugleich verspielter.

Seit den 50ern hat sich der Bedarf an persönlichem Wohnraum gesteigert, während die Häuser immer einfacher zu finanzieren wurden - und zugleich verspielter.

(Foto: Foto: iStock Photo)

Gemeint sind damit Häuser, die zwar aus papierdünnen Wänden, schlechten Dämmwerten und surrealen Kreditlinien bestehen - dafür aber auch aus einem Zuviel an Erkern und Gauben, aus Außen- und Innenkamin, aus Haupt- und Nebenterrasse, aus Gesimsstukkaturen, Balustraden und jeder Menge Holz. Vor allem in solchen Häusern lebte, jedenfalls bis zum Platzen der Immobilienkreditblase, von der er sich bestens genährt hatte und immer fettleibiger wurde: der amerikanische Traum. Inklusive SUV.

Der McMansion-Verfall

Dieser Traum aber war schon immer einer des Raums. Denn nichts verkörpert den amerikanischen Geist, in dem sich Unabhängigkeit, Individualismus und die Liebe zur Scholle verbinden, so sehr wie das amerikanische Haus. Zeichenhaft ist deshalb die Krise der USA zunächst als Krise ihrer Immobilien in Erscheinung getreten.

Das betraf zunächst nur die kleinsten und billigsten Häuser - aber inzwischen stehen in Amerika auch die berüchtigten Dachlandschaften zu Dumpingpreisen zum Verkauf: inklusive vieler Schlafzimmer, einiger Bäder und so mancher Verandaschaukel, in denen der alte Südstaatentraum von der Villa, die eigentlich eine Farm ist, noch gerne weiterdösen würde. Wenn man ihn nur ließe - wäre da nicht der McMansion-Verfall, wie er soeben von Bloomberg.com als Folge des amerikanischen Wohnexzesses beschrieben wurde.

Gute Nacht, John-Boy

Seit den fünfziger Jahren hat sich in den USA der Bedarf an persönlichem Wohnraum fast verdreifacht. Dieser Exzess scheint nun vorbei zu sein, bedingt auch durch die Benzinpreise und die damit einhergehende Stagnation der gigantischen Pendlersuburbs. In denen war der so amerikanische wie adipöse Fertighaustraum mit vorgefertigten, normierten Hausmodellen bevorzugt angesiedelt. Nachgefragt werden solche Eigenheime, samt der darin befindlichen Verschwenderkühlschränke und gierigen Klimaanlagen, nur noch selten.

Aus für die Welt der Waltons

Stattdessen hat Amerika eher europäische Wohndimensionen und die Energieeffizienz für sich entdeckt. Das könnte einer Revolution der amerikanischen Wohnästhetik gleichkommen, denn das schnell errichtete, voluminöse Holzhaus, dessen industriell-serielle Bauweise mit verspieltem Laubsägestil und ins Malerische übersteigerten Dachtopographien kaschiert wird, dominiert die Übereinkunft dessen, was "typisch Amerika" zu sein hat. Zu schweigen von all den knarzenden Veranden und losen, klappernden Fliegengittertüren, ohne die ein Teil der Kino-, Fernseh- und Literaturgeschichte gar nicht denkbar ist.

Wobei man auch in Europa "amerikanische Landhäuser" wie aus dem Katalog ordern kann. In gewisser Weise ist das amerikanische Haus das Haus an sich - eben weil es einen Traum der Irrationalität eher als einen rationalen, ökonomischen Raum beherbergt.

Wenn die US-Häuser nun deutsche Solardächer, skandinavische Schlichtheit und dicke Schweizer Wände erhalten, wenn sie zugunsten energieeffizienter, also kompakter Kubaturen auf ihr romantisches Beiwerk verzichten, dann wird dies das endgültige Aus für die Welt der Waltons bedeuten. Nimmermehr werden sich John-Boy und Mary Ellen so anheimelnd ins Zirpen der Nacht hinein "Gute Nacht" sagen. Auch wenn aus dieser Nacht möglicherweise eine bessere Zukunft erwacht.

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