Altersvorsorge:Die Rente ist unsicher

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Problem Altersvorsorge: Bei privaten Anbietern drohen niedrige Renditen oder Verluste, und die gesetzliche Variante reicht nur für einen geringen Lebensstandard.

Caspar Dohmen

Manch einer ist verunsichert, wenn er an sein Einkommen im Alter denkt. Eben noch waren die Menschen in Deutschland dabei, ein Volk der privaten Vorsorgesparer zu werden, da kam die Finanzkrise. Seitdem schmelzen die Werte von Aktien, Fonds und Immobilien und wachsen die Zweifel. "Geld-Schock! So viel verliert ihre Lebensversicherung", titelte die Bild-Zeitung am 6. April 2009.

Geld wächst nicht auf Bäumen - auch wenn es diese Illustration suggeriert. Vielmehr müssen Anleger oft um ihr Erspartes für die Altersvorsorge bangen. (Foto: Illustration: Stefan Dimitrov/SZ)

Hatte dies eben nicht noch ganz anders geklungen? "Was bei der gesetzlichen Rente später für Sie rausspringt, kann Ihnen keiner sagen (...) Eine Lebensversicherung hält, was sie verspricht. Ein Leben lang." Die Verkäufer von Versicherungen, Aktien, Fonds oder Immobilien warben jahrelang mit vollmundigen Versprechungen um die Spargelder der Menschen.

Und noch im Januar 2006 hatte die Bild getitelt: "Arbeiten bis 67? Bild entlarvt Mogelpackung! Unsere Rente schrumpft, schrumpft, schrumpft (...)." Gemeint war damals die gesetzliche Rente. In den Augen vieler Bürger galt diese gegenüber der privaten Variante als hoffnungslos unterlegen.

"Ich würde stark in Zweifel ziehen, dass die private Altersvorsorge der gesetzlichen Rente weit überlegen ist", sagt Dorothea Mohn, Vorsorgeexpertin beim Bundesverband Verbraucherzentrale, der Süddeutschen Zeitung. Keinesfalls sollten die Verbraucher naiv den Verkäufern von Anlageprodukten glauben, welche diese als überlegen anpreisen.

Sinkende Zinsen

Viele Menschen sparen, sofern sie etwas auf die Seite legen können, für ihr Alter privat vor. Die Gelder addieren sich weltweit zu gewaltigen Beträgen, die von der Finanzindustrie gewinnbringend angelegt werden sollen. Da ein steigender Teil der Altersvorsorge aus privater Vorsorge statt gesetzlicher Rente bestehen soll, muss für immer mehr Geld irgendwo auf dem Erdball eine Anlagemöglichkeit gefunden werden. Angesichts purzelnder Börsenkurse und sinkender Zinsen ist dies ein schwieriges Unterfangen.

Beim Kapitaldeckungsverfahren werden die Beiträge künftiger Rentner einem Kapitalstock zugeführt, der von der Versicherung oder dem Pensionsfonds in Sachwerten, Wertpapieren oder anderen Formen angelegt wird.

Diese Form der Finanzierung bedeutet, dass der Einzahler die volle Last seiner späteren Rentenansprüche in der Gegenwart tragen muss. Beim Umlageverfahren wird dagegen Geld von den Beschäftigten zu den Rentnern umverteilt.

Am Umlageverfahren verdient niemand Geld. Es müssen allein die Verwaltungskosten von etwa vier Prozent getragen werden. Ganz anders bei der privaten Vorsorge: Werbekosten wollen gedeckt sein, ebenso wie die Verwaltungskosten, die beispielsweise bei der Riester-Rente mindestens zehn Prozent betragen. Dazu addieren sich als Kosten für den Verbraucher die Gewinne für die Finanzkonzerne und die Provisionen für die Verkäufer; bei einer Lebensversicherung können dies schon einmal sieben Prozent der Beitragseinnahmen sein.

Steigende Lebenserwartung

In den angelsächsischen Ländern sorgten die Menschen schon länger in größerem Ausmaß privat vor. In Kontinentaleuropa dominiert noch das Umlageverfahren. Deren Gegner verweisen auf die demographische Entwicklung: Das Umlageverfahren sei nicht mehr praktikabel, da die Zahl der Kinder bei steigender Lebenserwartung sinke.

Dass immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner aufkommen müssen, könne dauerhaft nicht funktionieren. Hier soll das Kapitaldeckungsverfahren Abhilfe schaffen. Dabei legt der im Berufsleben stehende Sparer Geld auf die Seite, in Form von Aktien, Renten oder Immobilien. Dieses Geld soll er später verzinst als Rentenzahlung zurückbekommen.

So weit die Theorie. Zu glauben, dass sich der demographische Wandel nicht auf das Kapitaldeckungsverfahren auswirkt, wäre jedoch illusorisch. Wenn sich später zu wenige Käufer für die angesparten Aktien, Investmentfonds oder Immobilien finden, funktioniert das System nicht mehr. "Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren", sagte der Soziologe Gerhard Mackenroth schon in den fünfziger Jahren.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Folgen Wissenschaftler für den Fall einer flächendeckenden Altersvorsorge bei schrumpfender Bevölkerung erwarten.

Es gibt Wissenschaftler, die für den Fall einer flächendeckenden, privat organisierten Altersvorsorge bei schrumpfender Bevölkerung ein Phänomen namens "Asset Meltdown" erwarten. Irgendwann werden viele Verkäufer weniger Käufern gegenüberstehen - und dann werden die Aktien und Rentenpapiere weniger wert sein.

Die US-Ökonomen Gregory Mankiw und David Weil formulierten dieses Szenario 1989 mit Blick auf den Zeitpunkt, wenn die in den frühen sechziger Jahren Geborenen um 2030 in Rente gehen werden. Die Finanzdienstleister kämpfen jedoch mit aller Kraft gegen diese These: Sie verweisen auf die höhere Rendite einer privaten Alterssicherung gegenüber der gesetzlichen Rente.

Anleger konnten zwar in den vergangenen 25 Jahren an den internationalen Kapitalmärkten außergewöhnlich hohe Renditen einstreichen. Allerdings betrug die durchschnittliche Rendite von Aktien von 1921 bis 1996 in Deutschland lediglich 1,91 Prozent, wenn man die Inflationsrate berücksichtigt.

Und im Sommer 2008 konnten alle Aktionäre, die zehn Jahre zuvor in den Deutschen Aktienindex investiert hatten, feststellen, dass sie keinen Gewinn gemacht hatten. Und seitdem ist der Wert weiter gefallen.

Ernüchternde Bilanz

Ernüchternd fällt auch die Bilanz der von Experten gemanagten Fonds aus: Mehr als zehn Jahre lang schaffte es nur ein einziger Fonds in Deutschland, das eingezahlte Geld der Anleger zu erhalten und erzielte gerade eine Rendite von 1,95 Prozent. 34 der 35 Fondssparpläne waren dem Bundesverband der Deutschen Investmentgesellschaften zufolge im Minus. Von 12.000 eingezahlten Euro waren im Schnitt noch 8566 Euro da. Macht eine Rendite von minus 6,64 Prozent.

Abwärts geht es auch bei den Lebensversicherern: Durchschnittlich zahlen sie heute dem Branchenreport Map zufolge 15 Prozent weniger aus, als vor 15 Jahren. Ein Angestellter, der 30 Jahre lang monatlich 100 Euro eingezahlt hat, erhält nach Vertragsablauf im Schnitt 88.673 Euro. Das sind 15.000 Euro weniger als 1999. Dies liegt vor allem daran, dass die Zinsen für Staatsanleihen drastisch gefallen sind, in welche die Lebensversicherer den Löwenanteil der Spargelder investieren. Seit 2001 haben sie etwa die Hälfte ihres Zinsgewinns verloren.

In der gesetzlichen Rentenversicherung bekamen Männer 3,5 Prozent Rendite auf ihre Beiträge, wenn sie durchschnittlich verdient hatten und Anfang 2008 nach 45 Jahren in den Ruhestand gegangen sind. Frauen kommen wegen ihrer höheren Lebenserwartung auf eine Rendite von 4,1 Prozent.

Die gesetzliche Rentenversicherung prognostiziert für Frauen beim Renteneintritt Anfang 2030 eine Rendite von 3,2 Prozent, bei Männern von 2,7 Prozent. Diese Rente reicht auch in den Augen ihrer Befürworter nur für einen geringen Lebensstandard aus. Jeder sollte sich also erkundigen, ob er eine echte und damit sicherere Altersvorsorge abgeschlossen hat, sagt Udo Reifner, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen.

© SZ vom 22.04.2009/kaf/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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