Allianz:Die Rebellion der Vertreter

11.000 Verkäufer fiebern diesem Urteil entgegen: Das Oberlandesgericht München entscheidet am Mittwoch über Provisionen, die die Allianz einseitig zu ihrem Nachteil gekappt hat.

Thomas Fromm

Am Anfang einer Geschäftsbeziehung stehen für den Allianz-Vertreter Walter Chorus (Name von der Redaktion geändert) meist Autoversicherungen. Wenn er Glück hat und seine Kunden besser kennt, wird aus dem einfachen Haftpflicht- und Kasko-Eintrag irgendwann ein lukratives Geschäft für andere Sach- oder Lebensversicherungen.

Umso mehr traf es den Vertreter, als sein Unternehmen vor zweieinhalb Jahren das Geschäft mit Kfz-Policen neu ordnete. Lange Zeit hatte es hier ein einziges Standardangebot gegeben, das der Konzern erstmals im Juni 2005 erweiterte: Der sogenannte "Kompakttarif" war deutlich billiger, bot dafür aber auch weniger Leistungen an als der normale Tarif. So wurde die maximale Deckungssumme auf 50 Millionen Euro halbiert.

40 Prozent weniger Provisionen

Für Chorus aber war etwas Anderes entscheidend: Die Vermittlung des neuen Tarifs brachte ihm 40 Prozent weniger Provision. "40 Prozent meines Bestandes an Sachversicherungen sind Kfz-Versicherungen", sagt Chorus. "Da kann man sich vorstellen, dass mir nach der Umstellung der Provisionen langfristig einige Tausend Euro im Jahr fehlen."

Rückendeckung vom Gericht

Für Chorus ist seitdem nichts mehr, wie es vorher war. "Ich habe einen erhöhten Beratungsbedarf bei meinen Kunden und verdiene dennoch weniger als vorher - das ist schizophren", klagt er. So wie Chorus sahen es viele der 11.000 Allianz-Vertreter. Zwei von ihnen klagten gegen die Entscheidung der Allianz - und bekamen im vergangenen Sommer vom Münchner Landgericht Rückendeckung.

Das Argument der Richter: Nur wenn es sich um ein vollkommen neues Versicherungsprodukt gehandelt hätte, hätte die Allianz die Umstellung der Provisionen einseitig entscheiden können. Stattdessen aber habe es sich lediglich um den neuen Tarif eines bestehenden Produkts gehandelt. Folglich habe die Allianz ihre Provisionsbedingungen eigenmächtig geändert und so eine "unangemessene Benachteiligung der Versicherungsvertreter" hingenommen.

Verfahren in die nächste Runde

Vor allem Allianz-Vertreter werden daher am Mittwoch zum Münchner Oberlandesgericht (OLG) ziehen, wo das Verfahren in die nächste Runde geht. Zwar hatte das Gericht bereits im November den Konzern schriftlich darauf hingewiesen, seine Berufung habe "keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung (...) erforderlich."

Die Rebellion der Vertreter

Doch in der Münchner Allianz-Zentrale sieht man das anders - hier ist man inzwischen fest entschlossen, den Kampf mit den Vertretern bis zu Schluss auszufechten.

Dabei geht es inzwischen um mehr als um nachträgliche Abfindungszahlungen für Vertreter, die für aus Ihrer Sicht zu Unrecht entgangene Provisionszahlungen streiten. Das zeigt eine Stellungnahme der Allianz-Anwälte vom Dezember 2007, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin heißt es: "Der vorliegende Rechtsstreit berührt eine der grundlegenden Kernfragen des Betriebs von Versicherungsgeschäft der Bundesrepublik Deutschland.

Musterklage

Es kann überhaupt nicht ernsthaft fraglich sein, dass der Rechtsstreit auch insoweit grundsätzliche Bedeutung hat." Nicht nur die Allianz dürfte sich hierbei um die freie Ausgestaltung von Policen und Provisionen sorgen - längst haben alle Beteiligten erkannt, dass es um eine Musterklage geht.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hätte dies negative Folgen für die gesamte Branche, glauben Experten. Allianz-Vertreter Chorus glaubt dagegen, dass seine Provisionskürzungen bei Kfz-Policen nur ein Präzedenzfall sein könnten, sollte die Allianz am Ende Recht bekommen. "Wenn es beim Kompakt-Tarif funktioniert, wird es früher oder später auch in anderen Versicherungssparten so gemacht. Das hier ist eine Spielwiese für andere Sparten."

Da sich das Oberlandesgericht bereits vor Monaten dezidiert zu dem Fall geäußert hat, gilt es als relativ sicher, dass die Kläger auch in der zweiten Instanz Recht bekommen werden. "Wir gehen davon aus, dass es am Mittwoch eine Entscheidung gibt und wir gewinnen werden", sagt Kläger-Anwalt Michael Köllner von der Münchner Kanzlei Pflanzl & Köllner. Sollte dies der Fall sein, bliebe der Allianz nur noch der Gang vor den Bundesgerichtshof.

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