Aktien von Volkswagen:Spekulanten spielen mit VW

Achterbahnfahrt der VW-Aktie: Zeitweise steigt der Kurs um 55 Prozent - um am Ende des Tages im Minus zu schließen. Selbst Experten sind überrascht.

Michael Kuntz

Der Wahnsinn begann morgens um 9 Uhr - und erreichte um kurz vor 13 Uhr seinen Höhepunkt: Binnen vier Stunden schossen die Papiere von Volkswagen um 55 Prozent, von 292 Euro auf 452 Euro, um bis zum späten Nachmittag genauso heftig abzustürzen. VW ging dann mit minus 1,83 Prozent bei 287 Euro aus dem Xetra-Markt. So etwas hat es noch bei keinem Wert im Deutschen Aktienindex Dax gegeben.

Aktien von Volkswagen: Mysteriöser Kurssprung der Volkswagen-Aktie.

Mysteriöser Kurssprung der Volkswagen-Aktie.

(Foto: Foto: ddp)

Zwei Dinge beflügelten Kurs. Zum einen hat Porsche angekündigt, seinen Anteil an Volkswagen auf mehr als 50 Prozent aufstocken zu wollen. Das soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung spätestens bis zur Bilanzvorlage von Porsche am 26. November in Stuttgart geschehen. Derzeit hält die Sportwagenfirma 35 Prozent.

Zum anderen wird die Aktie von VW bereits seit etwa vier Wochen stärker gehandelt als fast alle anderen Dax-Papiere. Auch große Spekulanten haben dabei mitgemischt. Da nicht jede ihrer Wetten auf die Kursentwicklung von VW aufging, müssen einige nun nachkaufen.

Beides habe am Dienstag die Aktie des größten europäischen Autoherstellers nach oben getrieben, vermuten mit der Übernahme von Volkswagen durch Porsche vertraute Personen. Der Sportwagenhersteller hat eigenem Bekunden zufolge den Erwerb der weiteren VW-Anteile über die Schwelle von 50 Prozent hinaus längst abgesichert - mit Optionen. "Wir haben heute außerbörslich ein kleines Aktienpaket erworben", erklärt ein Porsche-Sprecher und ergänzt: "Deutlich unter dem aktuellen Marktpreis."

Dritte müssen also wohl jetzt VW-Anteile kaufen, um an Porsche liefern zu können. Spekulationen darüber, dass Porsche auf 75 Prozent an VW aufstockt, wirken ebenfalls kurstreibend. Dazu sagte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking noch am Wochenende: "Die 75 Prozent sind heute kein Thema; wir treiben den Kurs nicht. Auf Dauer wäre ein so hoher Kurs auch nicht gut."

Für zusätzliche Phantasie sorgt die komplexe Gemengelage beim nach General Motors und Toyota drittgrößten Autokonzern: Wie geht der Streit um die Mitbestimmung der VW-Mitarbeiter in der neuen Holding aus? Kommt ein neues VW-Gesetz? Behält Porsche das Land Niedersachsen mit einem Vetorecht an Bord? Kann sich der Familienclan Porsche/Piëch wieder zusammenraufen? Stockt das Land Niedersachsen - trotz aller Dementis - seinen Anteil auf? Fragen, die nicht nur Spekulanten beschäftigen.

Porsche kauft nicht direkt an der Börse, sondern über raffiniert geschachtelte und zeitlich versetzte Optionen, bestätigt ein Manager aus Zuffenhausen den Plan, der seit mittlerweile drei Jahren umgesetzt wird. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking lobt seinen Finanzvorstand Holger Härter für den geschickten Umgang nicht nur mit Auto-, sondern auch Optionsmodellen: "Der bräuchte das ganze Blech nicht, um Geld zu verdienen."

Unabhängig von Porsche werden wohl auch die ganz gewöhnlichen Spekulanten im aktuellen Spiel dabei sein. "Irgendwelche Hedgefonds müssen sich eindecken", sagt ein Kenner derartiger Vorgänge. Bereits zu den kräftigen Kursgewinnen der VW-Aktie in den vergangenen Wochen hatte Härter erklärt: "Nach meiner Meinung sind da sogenannte Short Seller am Werk, die auf einen sinkenden Kurs der VW-Aktie gesetzt haben und sich nun eindecken müssen."

Short Seller heißen auf Deutsch Leerverkäufer. Sie spekulieren mit Wetten auf sinkende Aktienkurse und verkaufen ein Wertpapier per Termin, das sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wette (noch) gar nicht besitzen. Deshalb müssen sie sich das Papier von einem institutionellen Anleger für eine gewisse Zeit leihen. Der erhält eine Gebühr und verdient so ebenfalls mit. Das reizt zum Betrug. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC ermittelt gegen 50 Hedgefonds wegen des Verdachts, falsche Gerüchte in den Markt gestreut zu haben, um so noch mehr Gewinn machen zu können.

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