Akte Hoeneß:Bayerische Offenheit der Finanzbehörden

"Das ist ein unhaltbarer Zustand": Steuerfachleute reagieren aufgebracht über das Vorgehen der Finanzbehörden im Fall Hoeneß. In anderen Bundesländern ist der Zugriff auf Steuerakten deutlich restriktiver als im Freistaat Bayern.

Von Guido Bohsem und Claus Hulverscheidt, Berlin

Sogar Finanzbeamte haben es mitunter nicht gern, wenn die Kollegen wissen, was sie so verdienen. Es könnte ja für Klatsch und Tratsch sorgen, wenn man neben seinen Bezügen noch ein hübsches Erbe verwaltet oder erfolgreich an der Börse spekuliert. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber vorgesorgt. Die Finanzbeamten haben die Möglichkeit, ihre Steuererklärung im benachbarten Finanzamt einzureichen. Dort kennt einen keiner, und das Steuergeheimnis bleibt auch vor den lieben Kollegen gewahrt.

"Das ist ein unhaltbarer Zustand"

Wie man weiß, galt dieses Geheimnis für den ehemaligen FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß nicht. Informationen aus seiner Steuerakte landeten bei der Presse. Wer die Einzelheiten verriet, ist nicht mehr festzustellen. Zu viele kommen infrage. 2949 "personen- oder funktionsbezogene Zugriffsberechtigungen" stellte die Staatsanwaltschaft fest. So steht es im Einstellungsbescheid zu den Ermittlungen wegen Geheimnisverrats. Das bayerische Landesamt für Steuern widerspricht dem. Seinen Angaben nach hatten "nur" 1165 Personen Zugriffsmöglichkeiten.

Egal, welche Zahl richtig ist - sie ist eindeutig zu hoch. Bei Steuerfachleuten stößt der offenkundig laxe Umgang der bayerischen Finanzverwaltung mit Hoeneß' Akten auf heftige Kritik. "Das Steuergeheimnis ist essenziell für das Funktionieren unseres Rechtsstaats.

Nur wenn sich der Steuerzahler hundertprozentig darauf verlassen kann, dass seine Daten intern bleiben, ist ihm auch zuzumuten, alle Einkünfte offenzulegen", sagte Markus Deutsch, Präsidiumsmitglied des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg. "Das Datenleck im Fall Hoeneß unterläuft das Vertrauen in die Verwaltung. Das könnte verheerende Wirkung auf die Steuermoral haben", ärgert sich Deutsch.

Ähnlich aufgebracht ist Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine (NVL): "Der Staat geht ganz offensichtlich mit den Steuerdaten seiner Bürger nicht so sorgfältig um, wie es sein müsste. Das ist ein unhaltbarer Zustand", erklärte er. Aus seiner Sicht sollte es grundsätzlich so sein, dass nur der zuständige Sachbearbeiter und dessen Vorgesetzter Einblick in eine Akte nehmen können - "und nicht die halbe bayerische Finanzverwaltung".

Andere Länder, andere Sitten

Das klare Bekenntnis der Experten zum Steuergeheimnis hat seinen Grund, denn nirgendwo in der Verwaltung geht der Auskunftsanspruch des Staats so weit wie beim Finanzamt. So muss jeder Bürger sämtliche Einkünfte angeben - theoretisch sogar solche aus kriminellen Geschäften. In manchen Fällen dürfte der zuständige Finanzbeamte damit besser über die finanzielle Situation eines Bürgers Bescheid wissen als dessen Ehepartner.

Dennoch hatte es zuletzt auch in Brandenburg den Verdacht gegeben, dass Beamte in Akten hineingeschaut haben, die sie gar nichts angehen. Um das zu verhindern, fordert NVL-Geschäftsführer Rauhöft, dafür zu sorgen, dass künftig jeder einzelne Zugriff auf eine Steuerakte nachvollzogen werden kann. In der Vergangenheit, zu Papier-Zeiten also, sei es für Finanzbeamte schon rein organisatorisch kaum möglich gewesen, an Akten heranzukommen, für die sie gar nicht zuständig sind. Daran dürfe sich nichts ändern, nur weil Datensätze heute elektronisch verfügbar seien.

In anderen Bundesländern scheinen die Zugriffsmöglichkeiten auf die Akten deutlich eingeschränkter zu sein. "Bei uns erhalten in der Regel nur der Vorsteher des Finanzamtes, der Sachgebietsleiter und der Sachbearbeiter Zugriff auf eine Steuerakte", sagte der rheinland-pfälzische Finanzstaatssekretär Salvatore Barbaro (SPD). Diese Berechtigung werde nur individuell erweitert, falls der Steuerfall komplizierter werde und noch andere Fachleute daran arbeiten müssten. "Diese Mitarbeiter sind aber alle namentlich bekannt", sagte Barbaro.

Es seien einfach zu viele Stellen zuständig gewesen

Auch in Nordrhein-Westfalen ist der Zugriff nach Angaben des dortigen Finanzministeriums eingeschränkt. "Bei uns ist genau definiert, wer wo reinschauen kann", sagte eine Sprecherin. Wenn es zum Beispiel eine Urlaubsvertretung gebe, verliere diese Vertretung die Berechtigung nach Ende des Urlaubs wieder. Zudem lasse sich leicht nachvollziehen, wer alles in die Steuerakte hineingeschaut habe. "Das wird alles protokolliert."

Der Chef der deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, nahm die Beamten in Schutz. Im Fall Hoeneß sei die Anzahl der Personen mit Zugriff auf die Steuerakte ausgedehnt worden, "weil er nicht nur von verschiedenen Stellen im zuständigen Finanzamt, sondern auch von der Betriebsprüfung, der Steuerfahndung und der Strafsachenstelle bearbeitet wurde". Zudem sei es unter Umständen möglich, über die Rechenzentren Zugriff auf die Dokumente zu erhalten. Grundsätzlich müsse der zuständige Amtsleiters dafür sorgen, dass der Zugriff auf die Steuerakte begrenzt bleibe.

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