Afrika: Börsen:Ghana - erfolgreichster Aktienmarkt der Welt

125 Euro Umsatz in einer Woche und gehandelt wird nur dienstags und donnerstags für wenige Stunden - warum Afrikas Börsen einfach anders ticken.

Michael Bitala

Danach ist man immer schlauer, zumindest an der Börse. Denn wer hätte vor einem Jahr schon gewusst, dass Ghana 2008 der erfolgreichste Aktienmarkt der Welt werden wird? Dass man, bevor man in der Elfenbeinküste investiert, sich genau über die Fälligkeit von Schulgebühren informieren muss? Oder dass man im Kongo in wenigen Monaten 600 Prozent Plus machen kann? Überhaupt, der Kongo: Wer Victor Kasongo, den stellvertretenden Bergbauminister, nicht kennt, ist als Aktionär eh schon verloren.

Kongo, Goldsuche, Foto: Reuters

Goldsuche im Kongo: Ein Mann hebt einen mit Schlamm gefüllten Eimer. Rohstoffunternehmen sind die wichtigsten Werte, die an den afrikansichen Börsen gehandelt werden können.

(Foto: Foto: Reuters)

Allgemeine Börsentipps zu Afrika sind demnach wenig wert. Es ist erst ein Jahr her, die Finanzkrise hatte weltweit schon für schwere Kursverluste gesorgt, da wurde auf einmal eine Region als Anlageziel angepriesen, die weder politisch noch wirtschaftlich eine große Rolle spielt. "Investoren gehen auf Entdeckungsreise in Afrika", hieß es, oder "Aktienwetten auf einen unentdeckten Kontinent". Gerade die Abgeschiedenheit der Länder südlich der Sahara galt als besonders gewinnversprechend. Wenn es überall bergab geht, hier wird es bergauf gehen, verkündeten die Experten. Afrikanische Börsen hätten ein Eigenleben, sie seien von der Weltwirtschaft abgekoppelt, außerdem gebe es dort immens viele Rohstoffe. Wer in Afrika investiere, könne wenig falsch machen.

Richtige Analyse, falsche Schlussfolgerung

Die Analyse war richtig, die Schlussfolgerung aber stellte sich trotzdem als falsch heraus. Afrika ist abgeschieden, die Börsen haben ein Eigenleben, und Rohstoffe gibt es auch im Überfluss. Aber die meisten Fonds und Zertifikate, die mit dem Label "Afrika" auf den Markt kamen, mussten 2008 aufgrund der vielen Rohstoffwerte im Portfolio ebenso hohe Verluste hinnehmen wie andere Anlagen im Rest der Welt auch. An den afrikanischen Erfolgsgeschichten, die es in diesem Jahr tatsächlich gab, nahmen Aktionäre außerhalb des Kontinents kaum teil. Kaum ein ausländischer Investor profitierte 2008 vom Weltrekord in Ghana, deren Börse im Katastrophenjahr 28 Prozent Plus machte. Die wenigsten westlichen Anleger wussten auch, dass es in Kenia die aussichtsreichste Neuemission in der Geschichte des ostafrikanischen Landes geben könnte. Und im zentralafrikanischen Kongo fahren nach wie vor nur Insider und Extrem-Spekulanten astronomische Gewinne ein.

Wer in der Elfenbeinküste, in Kenia, Malawi, Sambia, Nigeria oder Ghana als Aktionär Geld verdienen möchte, muss sich nicht nur sehr gut auskennen, er muss auch sehr viel Glück haben. An den afrikanischen Aktienmärkten werden - ohne die Johannesburg Securities Exchange - in einem Jahr weniger Anteile gehandelt als an der Wall Street in einer Stunde. In Tansania zum Beispiel gab es schon Handelswochen mit einem Volumen von von insgesamt 125 Euro. In Uganda sind gerade mal neun Unternehmen notiert, und gehandelt wird nur dienstags und donnerstags für ein paar Stunden. Und der Börsenplatz Nairobi ist mit mehr als 50 notierten Unternehmen und einer Marktkapitalisierung von knapp 13 Milliarden US-Dollar schon der Riese unter den Zwergen.

Das geringe Handelsvolumen ist dann auch der Grund für den Erfolg in Ghana. Zu Beginn des Jahres legte die Accra Stock Exchange zu, danach hat sie den Absturz ganz einfach verschlafen. Manchmal reicht nämlich schon eine halbe Stunde am Tag, dann ist der Handel in der Liberia Road in der Hauptstadt Accra wieder vorbei. An manchen Tagen liegt der Umsatz gerade mal bei 5000 US-Dollar. Und da die Börse jetzt erst auf Computer umgerüstet wird, standen 2008 die Händler vor den Tafeln und hatten mit ihren Filzstiften nichts zu notieren. Niemand verkaufte, niemand kaufte, als die Kurse an den anderen Börsen weltweit nach unten rauschten.

In Kenia ging es bis zur Jahrtausendwende ähnlich gemächlich zu. Wer aber damals in Nairobi wohnte und einen kenianischen Broker hatte, der konnte zum Beispiel Anteile an der Fluglinie Kenya Airways erwerben. Die war bis 1996 ein marodes, hochverschuldetes Staatsunternehmen, doch dann folgte die Privatisierung über die Börse, und die Fluggesellschaft wurde zu einem der profitabelsten Unternehmen in Afrika. 1999 kostete ein Anteilsschein sieben Kenya-Shilling, das waren umgerechnet ein Euro. Am 1. September 2006 wurde die Aktie dann zu 131 Kenya-Shilling gehandelt, was zu diesem Zeitpunkt 17 Euro entsprach. Kein 9/11, kein Afghanistan- oder Irak-Krieg hatte Auswirkungen auf den Aktienwert. 2007, als weltweit die Kurse nach oben gingen, fiel die Aktie von Kenya Airways auf 22 Kenya-Shilling, das sind heute weniger als 25 Cent. Warum das so war, kann niemand wirklich erklären, denn noch immer gilt die Fluglinie als eine der besten Afrikas, und sie macht jedes Jahr Gewinn.

Mein Haus, meine Kuh, mein Auto

Das Beispiel Kenya Airways war es dann auch, das im vergangenen Jahr zu einem Sturm auf die Aktien von Safaricom führte. Das Mobilfunkunternehmen ist hochprofitabel, deshalb war die Neuemission im März 2008 vierfach überzeichnet. Auch kenianische Bauern und Tagelöhner wollten auf einmal Anteilsscheine haben, denn im Gegensatz zu früher hatte sich in der Bevölkerung herumgesprochen, dass man mit Aktien Geld verdienen kann, ohne dafür zu schuften. 1999 gab es zwar auch schon viele Menschen, die sich Aktien hätten leisten können, aber fast niemand wollte sein Geld für so etwas Dubioses ausgeben. Francis Wambugu, der damals Investoren an der Börse von Nairobi ausbildete, sagte dazu: "Die meisten Kenianer wollen lieber etwas zum Anfassen, ein Haus, eine Kuh oder ein Auto. Denen kann ich nicht vermitteln, dass Aktien einen Wert haben, noch dazu einen, der sich ständig verändert."

Das hat sich inzwischen geändert, wie der Ansturm auf die Safaricom-Aktien zeigte. Fünf Kenya-Shilling war der Ausgabepreis an der Börse von Nairobi, und der Wert der Anteilsscheine stieg noch am selben Tag um 50 Prozent. Alles sah danach aus, als ob sich das Börsenwunder von Kenya Airways wiederholen würde. Doch nach ein paar Monaten ging es dann nur noch steil bergab. Heute ist die Aktie nur noch drei Kenya-Shilling wert und weiterhin nur an der Börse von Nairobi zu erhalten.

Die Krux mit den Eigenheiten

Der schwere Zugang, die mangelnde Transparenz, die schlechte Börsenaufsicht und die sehr hohen Währungsschwankungen sind die Hauptgründe, warum sich fast kein außerafrikanischer Investor an den kleinen Börsen südlich der Sahara findet. Hinzu kommt, dass es oft keine unabhängige Rechtssprechung gibt, die ausländische Anleger schützen könnte. Und wer selbst diese Hürden überwindet, der wird nicht selten von landestypischen Eigenheiten überrascht.

Afrika: Börsen: Ein Händler an der Börse in Harare, Zimbabwe.

Ein Händler an der Börse in Harare, Zimbabwe.

(Foto: Foto: AP)

In der Elfenbeinküste zum Beispiel, wo es bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs sehr viele Kleinanleger gab, gerieten die Kurse immer dann erheblich ins Schwanken, wenn wieder einmal die Schulgebühren für die Kinder bezahlt werden mussten und die Eltern ihre Aktien verkauften.

Kursplus in Höhe von sieben Millionen Prozent

Und was an der Börse in Simbabwe in den vergangenen Jahren passiert ist, können selbst die größten Spezialisten nicht mehr richtig erklären. So stieg in Harare zum Beispiel der Aktienkurs des Mischkonzerns TA Holdings in nur sechs Monaten um sieben Millionen Prozent. Doch kaum ein Investor wurde damit reich, die Börsenkurse spiegelten lediglich die Inflationsrate wider. Auf dem Parkett ging es oft nur noch um Milliarden, Billionen und Trillionen, und als dann im November 2008 gefälschte Schecks für Aktienkäufe über einige Trillionen Zimbabwe-Dollar kursierten, machte die Börse kurzerhand zu. Inzwischen ist die Landeswährung abgeschafft und der US-Dollar die Hauptwährung in Simbabwe, und mit ihm wird auch an der Börse gehandelt. Seit der Wiedereröffnung der Harare Stock Exchange im März dieses Jahres stieg der Index um 66 Prozent.

Solche Margen aber lassen Extrem-Spekulanten kalt. Sie gehen lieber in den Kongo. In diesem Dschungelstaat gibt es zwar keine Börse, aber man kann über die Toronto Stock Exchange in ausländische Unternehmen investieren, die Kupfer, Kobalt, Gold oder seltene Mineralien in Zentralafrika ausbeuten. Und dort gab es in den vergangenen Jahren Firmen, deren Aktienwerte innerhalb von nur wenigen Wochen auf Euro- oder US-Dollar-Basis um mehrere Hundert oder gar Tausend Prozent gestiegen sind. Jeder Kongo-Investor aber muss nicht nur frei von allen moralischen Bedenken sein, weil unter anderem der gewaltige Rohstoffreichtum des Landes zum verheerendsten Krieg der Gegenwart geführt hat, er sollte auch auf jedes Wort von Victor Kasongo hören.

Es ist schon eine Weile her, da meinte der stellvertretende Bergbauminister, dass es bei der Vergabe der Minen-Lizenzen nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Alle Firmen, die sich während des Bürgerkriegs Schürfrechte gesichert haben, hätten diese nur aufgrund von Chaos und Korruption bekommen. Deshalb würden alle Verträge überprüft. Schon diese Ankündigung Kasongos ließ die Kurse von Firmen wie Katanga Mining, Moto Goldmines, Lundin Mining, Tiger Resources oder Central African Mining nach unten rauschen. Aber als Kasongo ein paar Monate später ankündigte - es war an einem Freitagnachmittag -, dass wohl einem großen Teil der Unternehmen die Lizenzen entzogen würden, verloren deren Aktien in nur wenigen Minuten bis zu 70 Prozent an Wert.

Drei Tage später ging es mit den Kursen in der gleichen Geschwindigkeit wieder nach oben, denn am Montagmorgen meinte Kasongo, dass seine Aussage wohl falsch interpretiert worden sei. Natürlich waren all diejenigen, die panikartig verkauft hatten, schwer verärgert. Und natürlich wird nicht zuletzt deshalb Kasongo und anderen Regierungsmitgliedern bis heute vorgeworfen, sie hätten sich am Freitagabend noch mit den extrem verbilligten Aktien eingedeckt.

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