Absturz von Dubai:Renditen aus 1001er Nacht

Finanzzentrum, Verkehrsader, Touristenziel, Dubai wollte alles auf einmal sein. Nun platzt die Blase - und das Desaster lenkt den Blick darauf, dass die Krise noch nicht überstanden ist.

Alexander Hagelüken

Es sah doch schon wieder so gut aus. Die konjunkturelle Erholung, sie kommt. Asiens Boom hilft dem Westen. Immer mehr Unternehmen in Europa freuen sich erneut über gute Geschäfte. Die Bundesrepublik könnte nächstes Jahr bereits stärker wachsen. Mitten in diese Zuversicht platzen Nachrichten vom Persischen Golf: Dubai bleibt Schulden in Milliardenhöhe schuldig. Unsicherheit kriecht in die Anleger, Aktien stürzen weltweit. Da hebt sie wieder ihr hässliches Haupt, die Krise, die den Erdball seit fast zweieinhalb Jahren terrorisiert. Das Monster ist zurück.

Dubai, Foto: AP

Wolkenkratzer in Dubai: Zu erfolgreich, um wahr zu sein.

(Foto: Foto: AP)

Dubai war das nächste große Ding, zu erfolgreich, um wahr zu sein. Wolkenkratzer vom Fließband, der höchste Turm der Welt, künstliche Palmeninseln im Meer. Finanzzentrum, Verkehrsader, Touristenziel, das kleine Emirat wollte alles auf einmal sein. Weiter, höher, schneller, die Milliardenkredite flossen, die Preise stiegen. Es war wieder einmal der menschliche Traum, aus fast nichts viel Geld zu machen, aus der Wüste ein Paradies, vermeintlich blühende Landschaften.

In der Krise ließ sich das Scheitern dieses Traums schon einige Male besichtigen. Das winzige Island wollte eine globale Bankenmacht werden und endete knapp vor der Staatspleite. Lettland, Ungarn, Russland bliesen sich wirtschaftlich zu schnell auf und mussten zusammenfallen. Amerikanische Banker bündelten schlechte Immobilienkredite zu blütenweißen Wertpapieren, schufen damit aber wie die Alchemisten früherer Jahrhunderte kein Gold, sondern Giftmüll.

Wie in den anderen Fällen hätten Investoren ahnen können, dass die Geschichte zu schön war, dass niemand ganz so viele Bürotürme und Hotelbetten in Dubai braucht. Doch sie wollten lieber an Renditen aus 1001er Nacht und den ewigen Preisanstieg glauben. Wie der regierende Scheich Muhammad bin Raschid in kurzer Zeit eine Staatsschuld so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung anzuhäufen, davon mehr als die Hälfte fällig in den nächsten drei Jahren - das konnte nicht gutgehen. Ist es auch nicht.

Während größenwahnsinnige Fürsten mit ihren Fehlkalkulationen früher meist nur ihre Untertanen quälten, verbreitet sich heute jeder Fehler durch die Blutbahnen der Finanzmärkte global. Anleger verlieren Ersparnisse. Europas Banken, vor allem britische, liehen Dubais Firmen womöglich bis zu 40 Milliarden Dollar. Jeder Ausfall verzögert die Gesundung und die Rückzahlung staatlicher Hilfen. Industriekonzerne von Daimler bis VW haben arabische Investoren und müssen Nachteile fürchten, falls Dubai die ganze Region mitzieht, was auf mehrere Arten geschehen kann. Zum Beispiel teilen die sieben Länder der Vereinigten Arabischen Emirate eine gemeinsame Zentralbank, die dem expansiven Scheich bereits häufiger unter die Arme gegriffen hat. Auf die eine oder andere Weise wird die gescheiterte Gigantomanie auch deutsche Arbeitnehmer und Steuerzahler treffen.

Zur Panik besteht aber kein Anlass. Dubais Nachbarn verfügen über mehr Öl, ihre Strategien sind weniger gewagt, sie können den schwachen Bruder stützen. Und allein ist das Emirat zu klein, sind die Probleme nach derzeitiger Kenntnis nicht monströs genug, um einen Flächenbrand à la Lehman Brothers auszulösen. Die Erholung der Weltwirtschaft dürfte sich also fortsetzen.

Die Zahlungsprobleme sind aber ein mächtiges Warnzeichen, dass die Finanzkrise keineswegs Geschichte ist - und was den globalen Aufschwung bedroht. In Dubai war zu viel Geld unterwegs, das leichtfertig in risikoreiche Projekte floss. Auf ähnliche Art wird noch die eine oder andere Spekulation aus den Jahren vor der Krise auffliegen, Schaden anrichten und die Rückkehr zu wirtschaftlichem Wachstum verzögern.

Vor allem lenkt das Desaster am Golf den Blick darauf, welche Gefahren weltweit lauern. Überall auf dem Erdball bilden sich schon wieder kleinere oder größere Blasen, gibt es Zweifel an unsoliden Praktiken. Geldhäuser jagen sich Banker mit übertriebenen Gehältern ab, die Risikogeschäfte wieder einspielen sollen. Griechenland muss mehr für seine Schulden bezahlen, weil es über die Jahre viel zu hohe staatliche Ausgaben hatte. Immobilienkredite schlechter Schuldner stellen in Amerika nach manchen Studien schon wieder einen Marktanteil wie vor der Krise. Und das sind nur Beispiele.

Besonders auffällig ist es, wie teuer Aktien und Immobilien in China geworden sind. Um einer Rezession zu entgehen, haben die Banken auf Geheiß der Regierung in Peking hunderte Milliarden Euro Kredite in die Wirtschaft gepumpt. Jetzt glänzt das Riesenreich durch Wachstum, doch der Aufschwung droht zu überhitzen, Preise und Kurse abzustürzen. Sowohl der Internationale Währungsfonds als auch die Zentralbank in Peking mahnen zur Vorsicht.

Jetzt wird sich zeigen, was die Ankündigungen der mächtigsten Weltpolitiker wert sind, zu handeln, bevor das nächste Finanz-Desaster kommt. Es fehlt nicht an Warnungen vor größeren und kleineren Fehlern verschiedener Länder. Die großen Industriestaaten müssen rasch die Ideen von Pittsburgh umsetzen und die Finanzmärkte schärfer kontrollieren. Und sie sollten Regierungen angehen, die die Probleme ignorieren. Es gibt keine nationale Wirtschaftspolitik mehr, die andere Staaten nicht berührt. Vom Paradies in der Wüste zu träumen ist menschlich. Blind in die nächste Krise zu taumeln ist dämlich.

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