Abstimmung im US-Senat:Obama boxt Finanzreform durch

Es ist die größte Neuordnung der Bankenaufsicht in Amerika seit der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren: Der US-Senat verabschiedet Obamas Finanzreform, die vor allem strengere Regeln für alle Kreditinstitute vorsieht.

Nikolaus Piper, New York

Zwei Jahre nach dem Beinahe-Zusammenbruch des Weltfinanzsystems haben die USA weitreichende Konsequenzen gezogen. Der amerikanische Senat verabschiedete mit der Mehrheit von 60 zu 39 Stimmen die größte Reform der Bankenaufsicht in den USA seit den dreißiger Jahren. Das Votum ist ein entscheidender Sieg für Präsident Barack Obama, der das Gesetz vermutlich Anfang nächster Woche unterzeichnen wird.

Entscheidend für den Erfolg war, dass es den Demokraten gelang, drei Republikaner zu einem "Ja" zu dem 2300 Seiten dicken Entwurf zu bewegen. Dadurch konnten sie die Opposition daran hindern, durch Dauerreden ("Filibustern") eine Abstimmung immer wieder hinauszuzögern. Das Repräsentantenhaus hatte der Reform bereits im Juni zugestimmt.

Ein Demokrat im Senat votierte mit "Nein", weil ihm der Entwurf nicht weit genug ging. Das Gesetz trägt den Namen "Dodd-Frank-Gesetz" nach den beiden Hauptautoren, dem demokratischen Senator Christopher Dodd und dem Vorsitzenden des Bankenausschusses im Repräsentantenhaus, Barney Frank.

Schärfere Regeln als erwartet

Dem Votum des Senats waren fast einjährige, zähe Verhandlungen und aggressive Versuche der Banken-Lobby vorausgegangen, den Inhalt in ihrem Sinne zu beeinflussen. Obwohl einige Vorschriften in letzter Minute noch verwässert wurde, ist das Dodd-Frank-Gesetz deutlich schärfer, als die meisten Beobachter bei Beginn der Verhandlungen erwartet hatten. Es wird die Regeln in fast allen Bereichen des amerikanischen Bank- und Kreditwesens verändern.

Am wichtigsten für das Weltfinanzsystem sind drei Maßnahmen: Erstens bekommt die Regierung das Recht, bei einer drohenden Pleite eine große Bank unter Kuratel zu stellen und dann geordnet abzuwickeln. Damit steht der Staat nicht mehr vor der fatalen Alternative, entweder einen Bankrott mit systemgefährdenden Konsequenzen hinzunehmen oder aber die Bank mit Steuermitteln zu retten. Zweitens wird der Handel mit komplexen Finanzprodukten ("Derivaten") strengen Regeln unterworfen. Sie müssen auf transparenten Plattformen behandelt werden, ein Clearing-Haus soll zwingend eingeschaltet werden, das bei Zahlungsunfähigkeit eines Geschäftspartners einspringen kann. Drittens werden für die Banken bestimmte Spekulationsgeschäfte begrenzt. Sie dürfen nicht mehr als drei Prozent ihres Kernkapitals in Hedgefonds investieren. Dies wird dazu führen, dass einige Banken Teile ihres Geschäfts abstoßen müssen. Für die Umsetzung der Regeln gelten zum Teil längere Übergangsregeln.

Zum Schutz der Verbraucher wird bei der Notenbank Federal Reserve eine neue Behörde eingerichtet, das "Consumer Financial Protection Bureau" (CFPB). Es soll verhindern, dass Kreditnehmer durch undurchsichtige Finanzprodukte in die Irre geführt werden, so wie dies während des Immobilienbooms in den USA bis 2006 immer wieder geschehen ist.

Keine Bankenabgabe

Nicht enthalten in dem Gesetz ist die von Präsident Barack Obama gewünschte Bankenabgabe. Der Entwurf hatte ursprünglich eine Gebühr enthalten, mittels derer die Finanzbranche für die Kosten der Neuregulierung aufkommen sollte. Sie fiel jedoch dem Kompromiss mit den Republikanern zum Opfer. Die Obama-Regierung ist jedoch nach Berichten amerikanischer Medien mit dieser Streichung durchaus zufrieden. Sie erhofft sich nun größere Chancen, eine andere Bankenabgabe durchzusetzen, die über zehn Jahre 90 Milliarden Dollar einbringen soll. Mit ihr sollen die Kosten für die Bankenrettung wieder hereingeholt und zudem große Finanzinstitutionen von riskanten Geschäften abgeschreckt werden.

Wie sich das Gesetz im Einzelnen auf die Finanzbranche auswirken wird, ist noch nicht abzusehen. Die verschiedenen Regulierungsbehörden bekommen einen erheblichen Spielraum bei der Umsetzung der Vorschriften. Die Reform sieht einen zehnköpfigen Regulierungsrat unter Vorsitz des Finanzministers vor, der über mögliche Risiken für das Finanzsystem wachen soll. Ebenso wichtig sind die internationalen Verhandlungen über neue Eigenkapitalregeln für die Banken, die derzeit in Basel verhandelt werden. Unstrittig ist dabei, dass die Finanzinstitute künftig mehr Kapital vorhalten sollen, um besser gegen Schocks gewappnet zu sein. Die Banken versuchen jedoch zu erreichen, dass neue Vorschriften so milde wie möglich ausfallen.

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