Absicherung gegen Flutschäden:Branche wehrt sich gegen Pflichtversicherung

Eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden schont die Staatsfinanzen. Ihre Kehrseite wäre ein Annahmezwang für die Versicherer - mit allen Risiken. Eine Versicherungspflicht ist deshalb ohne staatliche Beteiligung kaum möglich.

Ein Kommentar von Herbert Fromme

Als der preußische König Friedrich I. 1706 mal wieder völlig pleite war, führte er eine Zwangs-Feuerversicherung für Gebäude ein. Die Feuerkasse war zutiefst unbeliebt. Sie verlangte hohe Beiträge und zahlte spät, Geschädigte mussten kräftige Selbstbehalte leisten.

Vor allem aber wussten die Untertanen genau, dass der König die Versicherung in erster Linie als Einnahmequelle sah. 1711 musste Friedrich wegen des "unnachläßigen Klagen und Lamentiren Unserer Lande und Provintzen" die Kasse wieder schließen. Erst sein Sohn, der besser wirtschaftende Friedrich Wilhelm I., konnte Jahre später den Widerstand gegen die Pflichtversicherung brechen.

Das System hielt mehrere Jahrhunderte - erst vor 20 Jahren wurden die letzten Pflichtversicherungen für Gebäude abgeschafft. Geht es nach den Finanzministern der Länder, werden sie bald wieder eingeführt. Dann sollen sich alle Gebäudebesitzer gegen die Folgen von Hochwasser, Erdbeben, Lawinen, Schneedruck, Erdrutschen und anderen Gefahren absichern, die in normalen Feuer- und Sturmversicherungen ausdrücklich ausgeschlossen sind. Alle würden zur Kasse gebeten, auch Eigner einer Eigentumswohnung im vierten Stock in einer flut- und lawinenfernen Region.

Den Finanzministern geht es wie dem König um die Staatsfinanzen. Sie ärgern sich über die Milliarden, mit denen sie nach der Flut den Wiederaufbau finanzieren müssen. Das Argument klingt eingängig - statt der Steuerzahler zahlen Hausbesitzer. International ist das gar nicht so selten. Die Schweizer haben die Pflicht, in Frankreich gibt es einen Zuschlag für "unversicherbare Risiken" auf alle Gebäudeversicherungsverträge. In Spanien gilt eine umfassende Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Die ordnungspolitisch unverdächtigen Amerikaner haben zwar keine Pflicht, wohl aber ein staatliches Flutversicherungsprogramm.

Die Versicherungschefs wehren sich gegen Einmischen aus Berlin

Die Versicherungswirtschaft wehrt sich mit Zähnen und Klauen. Rund 99 Prozent aller Gebäude in Deutschland seien versicherbar, betont sie. Wenn nur 32 Prozent der Gebäudebesitzer die Zusatzdeckung gegen Elementarschäden abschlössen, sei das kaum Schuld der Anbieter - sondern der Politiker, die den Anrainern durch Milliardengaben nach der Flut den Anreiz nähmen, sich zu versichern.

Verbraucherschützer bezweifeln die 99 Prozent. Sie verweisen darauf, dass Hausbesitzern in stärker exponierten Regionen zwar Deckung angeboten wird, aber nur mit geringen Summen und sehr hohen Selbstbehalten. Außerdem haben Gesellschaften auch nach der Flut 2002 Betroffenen gekündigt. Das Versprechen, 2013 keinem Flutgeschädigten den Vertrag zu nehmen, kam bislang nicht über die Lippen der Branchenvorsteher.

Allerdings führen die Unternehmen auch bedenkenswerte Argumente ins Feld. Sie weisen darauf hin, dass eine Pflichtversicherung die Bebauung von flutgefährdeten Lagen erleichtern könnte. Die Antwort: Auch bei einer Pflichtversicherung müssten hohe Selbstbehalte für besonders exponierte Lagen gelten.

Nein, in Wirklichkeit geht es den Versicherungschefs um etwas anderes. Sie sehen mit Grausen, dass die in den Neunzigerjahren eingeläutete Liberalisierung ihrer Branche Schritt für Schritt zurückgedreht wird. Die Einführung von Unisex-Tarifen, Eingriffe in die private Krankenversicherung, die Diskussion um Provisionshöhen - Berlin mischt sich wieder ein.

Kehrseite der Versicherungspflicht ist der Annahmezwang

Auch bei einer staatlich vorgeschriebenen Elementarschaden-Versicherung würden Bund und Länder mitreden wollen, bei Prämienhöhe, Schadenabwicklung, Verwaltungs- und Vertriebskosten. Dies alleine schon deshalb, weil eine Pflichtversicherung ohne staatliche Beteiligung ökonomisch kaum darstellbar ist.

Denn die Kehrseite der Versicherungspflicht ist der Annahmezwang - jeder Versicherer muss jedes Risiko annehmen. Das könnte für einzelne Anbieter, die regional besonders stark sind, zu Problemen bis hin zur Insolvenz bei einer großen Flut führen. Also muss die Branche untereinander alle Risiken oberhalb einer bestimmten Schwelle über einen Pool ausgleichen. Für diesen Rückversicherungspool muss dann der Staat in letzter Instanz eine Garantie übernehmen, weil sonst eine Serie von großen Fluten die Branche ruinieren könnte.

Es war diese ultimative staatliche Deckung, vor der die Finanzminister 2004 zurückschreckten. Schon damals hatten sie über das Thema diskutiert. Bei ihrem neuen Anlauf sollten sie aus der Pleite des Preußenkönigs lernen. Das System muss einfach, transparent und billig sein - jeder Anschein, der Staat bediene sich hier nur selbst mittels einer neuen Gebäudesteuer, gefährdet den Erfolg.

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