Abkommen mit der Schweiz:Teuer erkaufter Steuerfrieden

Schweizer Banker jubeln: Ihr Land will Schwarzgeld legalisieren, das Abkommen mit Berlin läuft auf eine Amnestie für reiche deutsche Steuersünder hinaus. Schon hofft die nächste Steueroase auf einen ähnlichen Deal.

Wolfgang Koydl und Uwe Ritzer

"Wenn du einen Schweizer Bankier aus dem Fenster springen siehst", soll der französische Philosoph Voltaire empfohlen haben, "dann springe hinterher; er hat sicher eine neue Methode entdeckt, Geld zu verdienen." Viele Jahre lang schien diese Maxime zuzutreffen. Doch seit diesem Mittwoch werden sich wohl immer mehr Banker aus dem Alpenland fragen, ob sie sich einen waghalsigen Sprung aus dem Fenster noch zutrauen.

Swiss and German negotiators have reached agreement on a tax tr

Mit ihren Angriffen auf die Steueroase Schweiz machten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble im vergangenen Jahr keine eidgenössischen Freunde - wie dieses Plakat in Zürich zeigt. Jetzt haben beide Staaten ein Abkommen geschlossen, das Schwarzgeld legalisiert - dafür müssen aber Steuern gezahlt werden.

(Foto: dpa)

Der Grund für die Selbstzweifel ist das von den Regierungen in Bern und Berlin paraphierte Abkommen über die Legalisierung alter Schwarzgeldkonten und die künftige Besteuerung deutscher Vermögen, die in der Schweiz angelegt sind. Es läuft in weiten Teilen auf eine Amnestie für reiche deutsche Steuersünder hinaus. Nun hofft das benachbarte Fürstentum Liechtenstein auf eine gleichgeartete Regelung.

Seit Januar hatten Bern und Berlin verhandelt, meist zäh, oft hart und begleitet von verbalen Entgleisungen. Nun zeigen sich alle Seiten zufrieden mit dem Kompromiss: Der deutsche Fiskus kommt zu Milliardensummen an Steuern, die Schweizer Banken wahren - in einem gewissen Rahmen - die ihnen heilige Anonymität ihrer Kunden. Große Überraschungen gab es nicht: Auf Altgelder wird eine einmalige Steuer erhoben, die je nach Dauer der Einlage und ihrer Gewinnentwicklung zwischen 19 und 39 Prozent beträgt. Diese Vermögen sind damit legalisiert. Künftige Einlagen werden pauschal mit 26 Prozent besteuert, mithin zum selben Satz wie in Deutschland.

Der Unterschied: Der Besitzer des Vermögens bleibt, wenn er es will, anonym.

Die Schweizer Banken wiederum überweisen im Vorgriff auf die zu erwartenden Steuerzahlungen eine Garantiesumme in Höhe von zwei Milliarden Franken an den deutschen Finanzminister. Das Aufatmen am Zürcher Paradeplatz, wo die Großbanken residieren, ist bei diesem Punkt besonders laut zu hören gewesen. Denn Berlin hatte auf einen zweistelligen Milliardenbetrag gehofft. Angesichts der konstant schlechten Geschäftsergebnisse der Schweizer Geldhäuser in letzter Zeit wäre jeder weitere Aderlass eine zusätzliche Belastung gewesen.

Besonders wichtig für die Wahrung des Bankgeheimnisses ist ein Passus im Abkommen, wonach Deutschland nur in bestimmten Fällen stichprobenhaft Auskünfte über verdächtige Anleger in der Schweiz einholen darf und nicht pauschal. Also gleichsam mit der Angelrute statt mit dem Schleppnetz. Damit will Berlin verhindern, dass neues Schwarzgeld in die Schweiz fließt. Einen automatischen Datenaustausch gibt es nicht.

"Weniger schlimm als befürchtet"

Alles in allem, so die übereinstimmende Meinung in Zürich und in Bern, sei das Abkommen "weniger schlimm als befürchtet" ausgefallen. Die Schweizerische Bankiersvereinigung bejubelte es gar als "Meilenstein für den Finanzplatz Schweiz". Vor allem die "Entkriminalisierung" von Banken und Bankmitarbeitern sei wichtig für das Wachstum der Branche. Das betrifft vor allem die Riesen UBS und Credit Suisse, aber auch einflussreiche Privatbanken, deren Managern die amerikanische Justiz mit Anklagen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Nacken sitzt. Nun hoffen sie, dass eine Einigung mit Deutschland für klare Verhältnisse darüberhinaus sorgt.

Es braucht eine Regelung für die Vergangenheit und Rechtssicherheit für die Zukunft", meinte Martin Scholl von der Züricher Kantonalbank. Noch deutlicher formulierte es ein Privatbanker, der um Anonymität bat: "Die Rechtsunsicherheit, die seit Monaten das grenzüberschreitende Geschäft belastet, wirkt auf viele Kunden lähmend. Seit Wochen ist das Geschäft wie eingefroren."

Doch wird das Business nun auftauen? Ein Grund jedenfalls, der wohlhabende Deutsche bisher in die Schweiz lockte, entfällt: Der Anleger hinterzieht keine Steuern mehr. Auch wenn es kein deutscher Finanzbeamter ist, der ihn zur Kasse bittet, sondern sein schweizerischer Bankberater im Auftrag Berlins. Dass Schweizer Banker gleichsam Hoheitsaufgaben deutscher Finanzbehörden übernehmen, war in Deutschland lange Zeit auf Widerstand gestoßen.

Die Zeiten, in denen die Eidgenossen mit ihren verschwiegenen Bankdiensten fast konkurrenzlos waren, sind ohnehin vorbei. Von karibischen Inseln bis zum asiatischen Stadtstaat Singapur reicht die Liste verlockender Steuerparadiese, die keine Abkommen mit Deutschland geschlossen haben. Dennoch ist die Schweiz unangefochten die Nummer eins im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft. Auf rund zwei Billionen Dollar veranschlagte die Boston Consulting Group (BCG) Ende 2009 die ausländischen Einlagen auf Schweizer Konten. An dieser Summe, so ergänzte die BCG im Jahr darauf, habe sich nichts Wesentliches geändert.

Liechtenstein trocknet aus

Zumindest vordergründig macht man sich in der Schweiz keine Sorgen um die Zukunft als Finanzplatz. Gerade deutsche Kunden hätten instinktiv mehr Zutrauen zu Finanzdienstleistern in einem vertrauten Nachbarland. Und für den Fall, dass die Deutschen doch abspringen, ist schon Ersatz in Sicht. Es werden bereits mehr Anlagen aus Russland und dem Nahen Osten registriert.

Auch der Finanzplatz Liechtenstein lebt seit Jahrzehnten wesentlich von deutschen Anlegern. Am kommenden Montag wird dort der Staatsfeiertag zelebriert. Die Fürstenfamilie empfängt ihr Volk auf einer großen Wiese vor dem Schloss hoch über Vaduz. Es gibt Reden und die Hymne wird gesungen. Die Stimmung dürfte diesmal prächtig werden. "Das Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz ist ein guter Ausgangspunkt für unsere Gespräche mit Deutschland", sagte Katja Gey, Verhandlungsführerin der Liechtensteiner Regierung zur SZ. "Ob alle Details daraus identisch übernommen werden, wird man sehen."

Für das Fürstentum wäre es der Durchbruch in seinem Bemühen, nicht mehr als Steueroase am Pranger zu stehen. Der Ruf ist angeschlagen, seit im Februar 2008 aufflog, dass ein Mitarbeiter der fürstlichen LGT-Bank die Kundendaten Tausender Schwarzgeldsünder geklaut und an deren Herkunftsländer verkauft hat. Allein in Deutschland wurden Hunderte Steuersünder enttarnt, allen voran der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel.

Seither versucht die bürgerlich-konservative Regierung in Vaduz ihre Kritiker in Deutschland und den USA zu beschwichtigen. Sie versprach in beschränktem Umfang Rechtshilfe bei Steuerermittlungen. Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist unter Dach und Fach. Liechtenstein bewegt sich aus purer Not, denn der Finanzplatz trocknet langsam aus. Aus Angst aufzufliegen zogen Anleger seit 2008 viele Milliarden Euro ab. Was noch schlimmer ist: Es kommt kaum noch neue Kundschaft.

Nun spricht einiges dafür, dass Liechtenstein mit Deutschland ein ähnliches, wenn nicht sogar identisches Steuerabkommen schließen wird wie mit der Schweiz. Die beiden Staaten sind nicht nur wegen des Franken als gemeinsamer Währung eng verwoben. "Daher sollte ein Regelungsgefälle unbedingt vermieden werden", sagt die Vaduzer Verhandlungsführerin Gey. "Unser Ziel sollte sein, dass die Regelungen mit Liechtenstein zeitgleich in Kraft treten wie mit der Schweiz." Das wäre "der Beginn einer neuen Ära und man würde die Vergangenheit hinter sich lassen."

Darum ging es den Liechtensteinern von Anfang an: Um eine Amnestie, zumindest aber eine günstige Regelung, die denen zugute kommt, die nach dem Fall Zumwinkel starke Nerven bewiesen und ihr Schwarzgeld nicht abgezogen haben. Als probates Versteck gelten von jeher Privatstiftungen, bei denen nur der Liechtensteiner Treuhänder weiß, wer sich dahinter verbirgt und mit wie viel Geld. Experten schätzen, dass mehrere Tausend Deutsche nach wie vor solche Stiftungen unterhalten. Das entsprechende Anlagevermögen geht in die Milliarden, wobei der weit überwiegende Teil des Geldes in Liechtensteiner Stiftungen nicht bei den örtlichen, sondern bei Schweizer Großbanken deponiert ist.

Katja Gey sagt, eine Regelung wie zwischen Deutschland und der Schweiz brächte beiden Seiten Vorteile: Die Privatsphäre des Anlegers bleibe gewahrt und sein Heimatstaat käme zu ihm zustehenden Steuereinnahmen. Kritiker zweifeln hingegen an der deutschen Politik. "Liechtenstein stand mit dem Rücken zur Wand und kurz vor der Kapitulation", sagt ein Experte in Vaduz. "Jetzt begnadigt die konservativ-liberale Regierung in Berlin das Fürstentum und lässt zu, dass deutsche Steuersünder in Liechtenstein weiter anonym bleiben können." In der Tat könnte ein Abkommen wie mit der Schweiz dazu führen, dass die totgeglaubte Liechtensteiner Privatstiftung eine Renaissance erlebt.

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