Verbraucherschutz-Studie:Recycling-Papier kann Lebensmittel belasten

Stiftung Warentest: Mineraloel in Adventskalendern

Handout-Bild der Stifung Warentest: Laut einer Verbraucherschutz-Studie können weitere Lebensmittel außer mit einem Adventskalender-Schokolade belastet sein.

(Foto: dapd)

Viele Lebensmittel können Mineralöle enthalten, nicht nur Adventskalender-Schokolade. Das Problem ist oft die lange Lagerung in Recycling-Papier. Das ergab eine Studie, die das Verbraucherschutzministerium im Internet veröffentlichte - ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Schokolade in Adventskalendern enthält häufig Spuren von Mineralölen - zehn Tage ist es her, dass die Stiftung Warentest die Öffentlichkeit mit dieser Nachricht aufgeschreckt hat. Inzwischen redet niemand mehr von Adventskalendern, denn es hat sich herausgestellt, dass das Problem größer ist: Jede Menge anderer Lebensmittel sind ebenfalls mit Mineralölen belastet. Das geht aus einer Studie hervor (Studie als PDF), die das Bundesverbraucherschutzministerium im Sommer im Internet veröffentlicht hat - allerdings ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wirft Ministerin Ilse Aigner (CSU) deshalb nun vor, die Ergebnisse "verschwiegen" zu haben, was Aigners Sprecher als "bodenlose Unverfrorenheit" zurückweist. Immer höhere Wellen schlägt die Diskussion, und der Verbraucher wird zunehmend ratlos: Muss er das nun ernst nehmen oder nicht? Er muss. Das zeigt die Studie, die man nach längerem Suchen tatsächlich auf der Internetseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung entdeckt - eine Behörde, die Aigners Ministerium unterstellt ist.

Darin hatten Wissenschaftler 119 Lebensmittel untersucht, die in Kartons aus Recycling-Papier eingepackt waren, beispielsweise Semmelbrösel, Jodsalz, Nudeln, Reis und Müsli. Die Forscher wollten herausfinden, ob und wenn ja, in welcher Menge Substanzen aus der Verpackung auf die Lebensmittel übergehen. Es stellte sich heraus, dass mit zunehmender Lagerdauer eine Vielzahl potenziell gefährlicher Stoffe in den Lebensmitteln nachweisbar war. Häufig stammten sie aus Druckerfarben.

Vor allem Mineralöle, die aus gesättigten oder aromatischen Kohlenwasserstoffen bestehen, sind dabei ein Problem. Denn sie enthalten nach Angaben der Wissenschaftler auch krebserzeugende Substanzen. In ihrer Studie weisen die Forscher darauf hin, dass zurzeit auf "nationaler Ebene" darüber diskutiert werde, Höchstmengen für den Übergang dieser Kohlenwasserstoffe aus Verpackungen festzulegen. Doch lägen die in Lebensmitteln gemessenen Gehalte "oft zehnfach, manchmal auch hundertfach über den zur Diskussion stehenden Höchstmengen".

"Wir können nicht zu allen immer eine Pressemitteilung verschicken"

Dass Aigner diese Ergebnisse nicht zum Anlass für eine Pressemitteilung nahm, sondern sie lediglich ins Internet stellen ließ, ist für die Verbraucherschützer von Foodwatch ein Unding. Aigners Sprecher dagegen sagt, das Ministerium habe sehr viele Studien laufen. "Wir können nicht zu allen immer eine Pressemitteilung verschicken." Das Ministerium habe jedoch zwei Verordnungen erarbeitet, die gerade mit den anderen Ministerien abgestimmt würden.

Die sogenannte Mineralöl-Verordnung sieht dabei Höchstmengen für den Übergang von Mineralöl aus Altpapier-Verpackungen auf Lebensmittel vor. Und die sogenannte Druckfarben-Verordnung regelt, dass künftig keine mineralölhaltigen Farben mehr für das Bedrucken von Lebensmittelverpackungen verwendet werden dürfen. Ziel sei, beide Gesetze so bald wie möglich auf den Weg zu bringen und umzusetzen, sagte der Sprecher.

Doch was jetzt nach raschem Handeln klingt, hat in Wahrheit drei Jahre Vorlauf. Denn bereits 2009 hatte das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) gewarnt (Link zum PDF), "dass der Übergang von Mineralölen auf Lebensmittel dringend minimiert werden sollte". Im Ministerium verweist man darauf, dass das Problem sehr komplex sei und es noch viele Fragen in dem Bereich gebe. Deshalb habe es so lange gedauert, die zwei Verordnungen zu erarbeiten. Doch immerhin: "Kein einziges Land in der EU handelt - außer uns", sagt Aigners Sprecher.

Verbraucherschützer wünschen sich auch von der Industrie mehr Engagement. "Es ist möglich, den Übergang von Mineralölen in Lebensmittel zu verhindern", sagt Jutta Jaksche, Lebensmittel-Expertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Bei einer zusätzlichen Innenverpackung aus Aluminium etwa dringen Mineralöle nicht mehr durch." Auch reduzierten bestimmte Plastikinnenverpackungen den Übergang, jedenfalls dann, wenn sie nicht selbst aus Mineralölen hergestellt wurden. "Solche Lösungen kosten. Firmen müssen in den Schutz der Verbraucher investieren", sagt Jaksche.

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