Streit beim Zoll:Steuervorteil Stradivari

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Einfuhrumsatzsteuer müssen alle zahlen. Bekannte Geigerinnen mit sündhaft teuren Instrumenten im Koffer befreit jedoch der Finanzminister selbst. Wir können auch andere Saiten aufziehen, dachten sich da wohl einige Zöllner. Sie sollen ihren Chef angezeigt haben.

Jannis Brühl

Yuki Manuela Janke 2011 bei einem Auftritt in München. (Foto: Catherina Hess)

Das Verhältnis von Musikern und Zöllnern ist traditionell angespannt. Das liegt hauptsächlich an Keith Richards. Demütigend für die Beamten muss seine Prahlerei gewesen sein, er habe sich die Nadel für sein Heroin-Hobby mit einer Feder buchstäblich an den Hut gesteckt und so an ihnen vorbeigeschmuggelt. Vom Spielzeug seines Sohnes, in dem er Stoff transportiert haben soll, ganz zu schweigen.

Dass die jüngsten Vorfälle am Frankfurter Flughafen als Rache an Musikern im Allgemeinen und Richards im Speziellen zu verstehen sind, ist allerdings völlig unbewiesen. Sie zogen diplomatische Verwicklungen und angeblich sogar eine Anzeige gegen Finanzminister Wolfgang Schäuble nach sich. Innerhalb weniger Wochen beschlagnahmten Frankfurter Zöllner Gepäck der - ohne Zweifel stocknüchternen - Top-Geigerinnen Yuzuko Horigome und Yuki Manuela Janke. Die heiße Ware in ihren Koffern dürfte selbst Richards beeindrucken: Die Deutsch-Japanerin Janke hatte eine Stradivari dabei. Wert: sechs Millionen Euro. Bei der Japanerin Horigome fand sich eine Guarneri, benannt nach dem Geigenbauer, der das Handwerk vor dreihundert Jahren ähnlich perfektionierte wie sein Zeitgenosse Stradivari. Wert: 900 000 Euro.

Nach Ansicht der Zöllner hatten Horigome und Janke ihr Arbeitsgerät nicht ordnungsgemäß angemeldet. Der Vorwurf: versuchte Steuerhinterziehung. Wer Ware zum "Verbrauch" in Deutschland einführt, muss Einfuhrumsatzsteuer zahlen. Horigome sollte 380 000 Euro zahlen, Janke 1,2 Millionen - obwohl die Geige gar nicht ihr gehört, sondern einer Stiftung.

Als die 54-jährige Horigome im August über Frankfurt einreiste, wurde ihre Violine einkassiert. "Ich fühle mich, als wäre mir ein Teil meines Körpers und meiner Seele genommen worden", sagte sie dem Wall Street Journal. Auf Facebook forderten 2000 Klassikfans: "Bringt Horigomes Geige zurück!" Das Außenministerium in Tokio schaltete sich ein. Schäubles Amt wies den Zoll an, die Violine freizugeben. Es seien "nicht die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei Reisenden, die im Drittland günstig Waren einkaufen", heißt es in einem Schreiben seines Ministeriums, aus dem Bild zitiert.

Das Blatt behauptet auch, einige verärgerte Zöllner hätten Schäuble nun wegen Strafvereitelung durch Unterlassen angezeigt: Instrumente von Musikprofis sollten nicht bevorzugt werden. Allerdings heißt es auf SZ-Nachfrage in der Berliner Staatsanwaltschaft, es liege gar keine Anzeige vor.

Janke passierte vor wenigen Tagen dasselbe wie Horigome. Die 26-Jährige wollte mit einer Stradivari Muntz 1736 einreisen. Die wurde konfisziert, Schäuble intervenierte. Japan dürfte erneut Druck gemacht haben: Die Geige gehört der Nippon Music Foundation. Die Stiftung verleiht mehr als ein Dutzend Stradivari an Musiker, sie untersteht dem Bildungsminister. Aus der Stiftung heißt es, die Beamten hätten Jankes Leihvertrag, Versicherungspolice und Attest für den Import ignoriert.

Den Streit fechten nun Finanzminister und Zoll aus. Als erstes wurde wohl eine Kommunikationssperre verhängt. Beim Zoll heißt es: "Kein Kommentar". Eine Sprecherin des Ministeriums sagt: "Wir sind zuversichtlich, dass das freundlich und bürgernah gelöst wird." Alles weitere: "Steuergeheimnis."

© SZ vom 09.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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