Neuordnung der Bankenszene:Die Zukunft der Türme

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Aus Grün wird Gelb: Die Commerzbank kauft die Dresdner Bank, doch viele Fragen bleiben offen. Die Folgen für Kunden, Management - und die Türme in Frankfurt.

Tobias Dorfer

Die Würfel sind gefallen, die Tinte unter den Verträgen ist getrocknet, der Deal besiegelt. Die Commerzbank kauft die Dresdner Bank - und vieles wird sich ändern. Viele Mitarbeiter zittern bereits - und auch zahlreiche Kunden sind verunsichert. Die Folgen der Megafusion hat sueddeutsche.de zusammengetragen.

Commerzbank-Chef Martin Blessing (vorne), Allianz-Vorstandsvorsitzender Michael Diekmann (Mitte) und der Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank, Herbert Walter. (Foto: Foto: AP)

Was ändert sich für die Kunden?

Erst einmal relativ wenig: Denn am Privatkundengeschäft, der stärksten Säule der neuen Commerzbank, soll so wenig wie möglich gespart werden. Im Gegenteil: Die Zahl der Filialen wird sich für die Kunden deutlich erhöhen. 1200 Filialen, so verkündete Commerzbank-Chef Martin Blessing stolz, wird das neue Institut haben. Zum Vergleich: Die Dresdner Bank kam bislang mit rund 700 Filialen aus, die Commerzbank mit 800. Trotzdem werden Standorte geschlossen - vor allem, so Blessing, wenn sich Filialen der Dresdner Bank in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Standort der Commerzbank befinden.

Spürbar wird der Zusammenschluss auch für die Konkurrenz. Denn Commerzbank und Dresdner Bank haben zusammen die höchste Kundenzahl im privaten Bankensektor und werden somit zu einem ernsten Konkurrenten für die Sparkassen - zur Freude der Kunden. "Die Fusion wird den Wettbewerb um gute Konditionen und guten Service ankurbeln", glaubt Thomas Hartmann-Wendels, Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Köln.

Auch die Privatkunden der Dresdner Bank können erst einmal aufatmen. Ihre Kontonummern und Bankleitzahlen werden sich nicht ändern. Ungeklärt dagegen ist, was mit der kürzlich gestarteten Direktbank-Tochter direct 24 geschieht. "Da hatten wir noch keine Zeit, darüber nachzudenken", sagt Blessing.

Kunden, die ihre Bankgeschäfte über die Allianz-Vertretungen organisierten, können dies auch weiterhin tun - sie müssen sich nur an einen neuen Namen gewöhnen. Denn für sie wird nun die neu zu gründende Allianz-Bank verantwortlich sein. Das neue Institut nutzt dabei die Infrastruktur der Oldenburgischen Landesbank (OLB), die im Allianz-Konzern verbleibt.

Wer in den Kundenzentren der neuen Großbank eine Versicherung abschließt, dem werden erst einmal Produkte der Allianz angeboten. Der Münchner Versicherungskonzern ist ab dem Jahr 2010 "präferierter Partner" und löst damit die italienische Generali-Gruppe ab. Allerdings, so verspricht Martin Blessing, werde die Allianz "kein Exklusivpartner" sein. Die Commerzbank werde auch andere Produkte verkaufen können.

Für Anleger, die Fonds bei der Gesellschaft cominvest gekauft haben, bleibt erst einmal alles beim Alten. "Es wird sich nichts ändern", sagt ein cominvest-Sprecher. Wer bislang seine Fonds in den Filialen der Commerzbank verwalten ließ, kann dies auch weiterhin tun.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum auf das Hochhaus der Dresdner Bank schwere Zeiten zukommen.

Was passiert mit dem Dresdner-Bank-Hochhaus?

Die beiden Konzernzentralen von Commerzbank und Dresdner Bank prägen das Stadtbild von Mainhatten, wie Frankfurt am Main gerne genannt wird. Die prestigeträchtigen Türme im Herzen der Stadt dienten viele Jahre als Symbol der Macht. Nicht einmal 600 Meter liegen zwischen dem Kaiserplatz (Standort der Commerzbank-Zentrale) und dem Jürgen-Ponto-Platz (Hauptverwaltung der Dresdner Bank).

Doch ob das Management der neuen Commerzbank künftig in beiden Türmen arbeiten wird, ist mehr als fraglich. Schon aus der Architektur würde sich ergeben, welches Gebäude die besseren Überlebenschancen hat. Denn der Commerzbank-Turm ist mit 299 Metern nicht nur das zweithöchste Bürogebäude Europas, sondern mit einem Alter von elf Jahren auch noch relativ jung. Der Turm der Dresdner Bank ist mit einer Gesamthöhe von 166 Metern nicht nur deutlich kleiner, sondern mit 18 Jahren auch älter.

Beide Türme wird die neue Bank nicht brauchen, das deutete Commerzbank-Finanzvorstand Eric Strutz bereits an: "Um es klar zu sagen: Wir brauchen in Zukunft keine zwei Konzernzentralen mehr, in denen zwei Abteilungen das Gleiche machen." Bei der Commerzbank will man sich zur Zukunft der beiden Prestigebauten nicht äußern. "Diese Frage stellt sich nicht", sagte eine Sprecherin. Noch nicht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wann das Logo der Dresdner Bank abgebaut wird.

Welche Marke muss verschwinden?

Zwei Traditionshäuser gehen zusammen, und beide Banken haben deutsche Geschichte geschrieben. 136 Jahre hat die Dresdner Bank auf dem Buckel, die Commerzbank sogar zwei Jahre mehr.

Trotzdem: Zwei Marken bedeutet vor allem höhere Kosten in der Verwaltung und im Marketing. Und das, obwohl die Commerzbank langfristig 1,9 Milliarden Euro an Kosten einsparen möchte. Ein Name wird von der Bildfläche verschwinden - und es liegt nahe, dass das "Grüne Band" der Dresdner Bank den Umbau wohl nicht überleben wird.

Commerzbank-Chef Martin Blessing sagte zwar, er täte sich schwer damit, die Marke der Dresdner Bank verschwinden zu lassen. Immerhin sei er von 1997 bis 2000 für das Privatkundengeschäft der Dresdner Bank verantwortlich gewesen und habe damals sogar den Zusatz "Die Beraterbank" eingeführt. Doch das wird wohl nicht helfen. Eine mögliche Neumarke hat sich Blessing schon ausgedacht: "Commerzbank. Die Beraterbank."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie angemessen der Kaufpreis von 9,8 Milliarden Euro ist.

Ist der Kaufpreis zu hoch?

Über die Kosten der Transaktion sind sich die Experten uneins. "Die Übernahme der Dresdner ist teurer als erwartet. Angesichts des niedrigen Commerzbank-Kurses erscheint die geplante Kapitalerhöhung sehr unattraktiv", sagt Matthias Dürr von der DZ Bank.

Auch Heino Ruland von FrankfurtFinanz sieht schwere Zeiten auf die Commerzbank zukommen. "Die Aktionäre der Commerzbank werden einige Jahre zu leiden haben. Hohe Restrukturierungskosten und die Ausgabe neuer Aktien im Tausch für eine Verluste schreibende Einheit werden die Gewinne der Commerzbank belasten. Die angepeilten Synergien von fünf Milliarden Euro hören sich großartig an, aber die Dresdner Bank hat sich in den vergangenen Jahren ziemlich immun gegen Restrukturierungen erwiesen. Stattdessen hat sie Marktanteile an die Konkurrenz verloren."

Allianz-Chef Michael Diekmann musste sich zuletzt immer wieder vorwerfen lassen, er hätte die Dresdner Bank unter Wert verscherbelt. Dem trat der Manager entschieden entgegen. Schließlich hätten alle Banken durch die Finanzkrise massiv an Wert verloren. Außerdem habe die Allianz aus der Dresdner Bank die Oldenburgische Landesbank sowie die prosperierende Fondsgesellschaft DIT herausgelöst.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso im Vorstand der neuen Commerzbank nur eine Führungskraft der Dresdner Bank sitzen wird.

Wen trifft der angekündigte Jobkahlschlag besonders?

Soviel ist bereits klar - die neue Commerzbank braucht weniger Banker. 9000 Arbeitsplätze der 67.000 Mitarbeiter beider Häuser sollen wegfallen. Ein großer Teil davon, nämlich 6500, in Deutschland. Die Hauptlast muss dabei wohl das Investmentbanking tragen.

70 Prozent der gestrichenen Stellen entfallen auf diesen Bereich, der sowieso stark zurückgefahren werden soll, sowie auf die unterschiedlichen Managementebenen. Ein großer Teil der Arbeitsplätze wird im Investmentbanking gestrichen. Von "individuellen Lösungen" ist die Rede - wie so oft, wenn Jobs wegfallen. Weitgehend unberührt bleiben soll das Privatkundengeschäft, das die große Stütze der Bank werden soll.

Harte Zeiten kommen auch auf das Top-Management zu - vor allem auf die Führungsspitze der Dresdner Bank. Denn sie wird im Vorstand so gut wie gar nicht verteten sein. Dresdner-Bank-Chef Herbert Walter wird in das neue Gremium wohl einziehen - Gerüchten zufolge wird er für Marketing verantwortlich sein. Was aus den restlichen Vorständen der Dresdner Bank wird, ist ungewiss. Allianz-Chef Michael Diekmann hat dafür vollstes Verständnis: "Es muss klar sein, wer das Sagen hat." Und das ist - ganz klar - die Commerzbank um Vorstandschef Blessing, der dieses Amt auch nach der Fusion behalten wird.

Auch im Aufsichtsrat der Commerzbank wird sich einiges ändern. Denn der künftig größte Aktionär Allianz wird knapp 30 Prozent der Anteile halten - und entsprechend will der Versicherungskonzern auch im Kontrollgremium vertreten sein. Gerüchte, wonach Allianz-Chef Michael Diekmann zusammen mit dem bisherigen Commerzbank-Chefkontrolleur Klaus-Peter Müller eine Doppelspitze bilden wird, wurden zurückgewiesen. Diekmann wird lediglich Stellvertreter Müllers. Außerdem wird für die Allianz Helmut Perlet, Vorstand für Controlling, in den Aufsichtsrat einziehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Auswirkungen der Milliardendeal auf den Finanzplatz Deutschland hat.

Wird der Finanzplatz Deutschland durch den Zusammenschluss gestärkt?

Finanzexperten halten den Zusammenschluss von Commerzbank und Dresdner Bank für richtig. "Die Fusion ist sinnvoll und notwendig", sagt Bankenprofessor Hartmann-Wendels. Doch im internationalen Vergleich wird auch die neue Großbank nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Commerzbank wird eine rein deutsche Bank bleiben, glaubt der Kölner Professor Hartmann-Wendels: "Das wird außerhalb Deutschlands kaum ausstrahlen."

Der deutsche Bankenmarkt werde allerdings in Bewegung kommen, sagt der Wissenschaftler. Denn jetzt ist der Branchenprimus unter Zugzwang. "Die Deutsche Bank bekommt ernsthafte Konkurrenz", prognostiziert Hartmann-Wendels. Das hieße auch: Chefbanker Josef Ackermann muss sich noch ernsthafter mit dem Kauf der Postbank beschäftigen.

Dieses Problem hat sein Commerzbank-Kollege Blessing wohl nicht. Denn ein Kauf der Post-Tochter ist offenbar kein Thema mehr. Er habe in den letzten Wochen ein erhebliches Schlafdefizit aufgebaut, sagte Blessing. "In den nächsten Monaten werde ich für solche Themen keine Zeit haben."

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