Krankenversicherung und Steuer:Mehr Geld vom Fiskus

Ab Januar 2010 dürfen die Beiträge zur Krankenversicherung in voller Höhe von der Steuer abgesetzt werden. Wie viel Geld Arbeitnehmer dann sparen können - ein Überblick mit Tabelle

Marco Völklein

Millionen Steuerpflichtige werden von Januar 2010 an weniger Steuern zahlen: Die Bundesregierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, nach dem Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung künftig in sehr viel größerem Umfang von der Steuer abgesetzt werden dürfen als bisher. Mitte März befasst sich der Bundestag erstmals mit dem neuen Gesetz. Unter dem Strich werden die Bürger um 9,3 Milliarden Euro entlastet, rechnet das Bundesfinanzministerium vor. Der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) hat für die Süddeutsche Zeitung kalkuliert, wie hoch die Entlastung für jeden ausfällt (siehe Tabelle).

Euro, Steuer, istock

Krankenkassenbeiträge sind ab 2010 vollständig von der Steuer absetzbar.

(Foto: Foto: istock)

Warum werden die Regeln geändert?

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Februar 2008. Damals entschieden die Richter, dass die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge steuerfrei sein müssen, sofern sie dazu dienen, eine Grundversorgung für den Fall von Krankheit oder Pflege sicherzustellen. Bislang sind die Beiträge nur in einem sehr begrenzten Umfang von der Steuer abziehbar.

Was galt denn bislang?

Auch jetzt sind Vorsorgeaufwendungen absetzbar, aber nur bis zu bestimmten Höchstbeträgen: Bei Selbständigen lagen diese bei 2400 Euro; bei Arbeitnehmern betrug die Grenze 1500 Euro. Bei zusammenveranlagten Eheleuten werden beide Beträge addiert. Diese Höchstbeträge gelten seit 2005. Davor galt ein höherer Betrag von 5069 Euro (Verheiratete: 10.138 Euro), den bestimmte Gruppen, etwa Selbständige oder Rentner, bis 2019 noch nutzen können; das Finanzamt prüft jeweils, welche Regelung günstiger für die Betroffenen ist.

Lesen Sie im zweiten Teil, ab wann die neue Regelung gilt - und wie sie sich auf privat Versicherte auswirkt.

Mehr Geld vom Fiskus

Wie sehen die neuen Regeln aus?

Krankenversicherung und Steuer: Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung können ab Januar 2010 vollständig bei der Steuer geltend gemacht werden.Rahmenbedingung für die Berechnung in der Tabelle: Berücksichtigt sind nur die gesetzlichen Steuerpauschalen, Steuertarif 2010, absetzbarer Krankenkassenbeitrag um vier Prozent gemindert, zugrunde liegen die Beitragsbemessungsgrenzen 2009 (bei Anhebung in 2010 fällt die Steuerersparnis teils höher aus), bei Ehegatten-Berechnung sind beide berufstätig.

Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung können ab Januar 2010 vollständig bei der Steuer geltend gemacht werden.

Rahmenbedingung für die Berechnung in der Tabelle: Berücksichtigt sind nur die gesetzlichen Steuerpauschalen, Steuertarif 2010, absetzbarer Krankenkassenbeitrag um vier Prozent gemindert, zugrunde liegen die Beitragsbemessungsgrenzen 2009 (bei Anhebung in 2010 fällt die Steuerersparnis teils höher aus), bei Ehegatten-Berechnung sind beide berufstätig.

(Foto: Grafik: SZ)

Grundsätzlich sind die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung künftig als Sonderausgaben absetzbar - und zwar in voller Höhe. Die Beträge reduzieren dann das zu versteuernde Einkommen - und damit die Steuerlast. Allerdings ziehen die Finanzämter bei gesetzlich Krankenversicherten von den geltend gemachten Beiträgen einen Abschlag in Höhe von vier Prozent ab - "damit berücksichtigt der Fiskus die Leistungen zur Finanzierung des Krankengeldes, die steuerlich nicht abzugsfähig sind", erklärt Patricia von Gruchalla, Steuerberaterin bei Ernst & Young.

Gilt das auch für privat Versicherte?

Im Grunde ja. Da das Bundesverfassungsgericht aber nur auf eine "Grundversorgung" abzielt, sollen Privatpatienten auch nur den Teil ihres Versicherungsbeitrags absetzen können, der der Grundversorgung dient. "Diesen Beitragsanteil werden die privaten Versicherungen künftig wohl in der Rechnung getrennt ausweisen", sagt NVL-Geschäftsführer Uwe Rauhöft. Künftig können privat Versicherte die Versicherungsbeträge für Ehegatten und Kinder zusätzlich absetzen; das war zwar auch bisher möglich, wirkte sich aber praktisch nicht aus.

Ab wann wirkt sich die neue Regelung konkret aus?

Voraussichtlich bereits von Januar 2010 an. Das Gesetz sieht vor, dass Arbeitgeber beim Abzug der Lohnsteuer bereits eine Pauschale berücksichtigen. Das heißt: Bereits die Überweisung mit dem Januarlohn 2010 wird mehr Netto bringen als die Überweisung aus dem Dezember 2009 - vorausgesetzt alles andere bleibt gleich. Endgültig abgerechnet wird dann mit der Steuererklärung für das Jahr 2010 - also im Frühjahr 2011.

Lesen Sie im dritten Teil, welche weiteren steuerlichen Vergünstigungen bald nicht mehr gelten - und welche Schonfristen der Gesetzgeber dafür gibt.

Mehr Geld vom Fiskus

Fallen dafür andere Vergünstigungen weg?

Ja. Um die Mehrbelastung für den Staatshaushalt zumindest in Grenzen zu halten, plant die Bundesregierung "eine Gegenfinanzierung durch die Hintertür", kritisiert der Deutsche Steuerberaterverband. So sollen sonstigen Vorsorgeaufwendungen vom kommenden Jahr an nicht mehr absetzbar sein: "Die Beiträge zur Haftpflicht-, zur Arbeitslosen-, zur Berufsunfähigkeits- und einer Unfallversicherung wirken sich dann nicht mehr steuermindernd aus", erläutert Expertin Gruchalla. Der Bund der Steuerzahler sieht das kritisch: Er interpretiert den Spruch der Karlsruher Richter so, dass auch diese Aufwendungen absetzbar sein müssen. Mit den neuen Regeln behandle der Gesetzgeber zwar die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung künftig verfassungskonform; verfassungswidrig gehe er aber mit sonstigen Vorsorgeaufwendungen um. Hier könnten also neue Klagen vor dem Verfassungsgericht drohen.

Interessieren den Gesetzgeber diese Bedenken denn gar nicht?

Doch - und er hat bereits darauf reagiert: Bis zum Jahr 2019 soll daher eine Übergangslösung gelten. Das alte Recht bleibt weiter in Kraft - parallel zum neuen Recht. Die Finanzämter sind verpflichtet, eine "Günstigerprüfung" zu machen. Die Beamten schauen dabei, ob ein Steuerzahler mit der alten oder mit der neuen Regelung besser fährt. "Aus diesem Grund", rät Steuerberaterin Gruchalla, "sollte der Bürger auch künftig sämtliche Zahlungen, also auch die für die Haftpflicht- oder die Unfallversicherung, in der Steuererklärung angeben und die Belege einsenden." Denn nur wenn den Finanzämtern alle Informationen vorliegen, können sie die Günstigerprüfung auch tatsächlich durchführen.

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