IWF: Deutschland:Im Rausch des Aufschwungs

Der Internationale Währungsfonds hat die Wachstumsprognose für Deutschland drastisch nach oben gesetzt. Zugleich warnt IWF-Präsident Strauß-Kahn eindringlich vor einem Währungskrieg.

Nikolaus Piper

Die deutsche Wirtschaft wächst viel stärker als noch vor kurzem erwartet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) setzte seine Wachstumsprognose für Deutschland von 1,4 auf 3,3 Prozent herauf. Gleichzeitig nehmen jedoch die globalen Probleme zu. Der IWF warnte vor einem "Währungskrieg".

IWF-Chef warnt vor Währungskrieg

Dominique Strauss-Kahn: "Es breitet sich ganz deutlich die Idee aus, dass Währungen als politisches Druckmittel genutzt werden können."

(Foto: dpa)

Wie es im neuen Weltwirtschaftsausblick des IWF heißt, wächst die deutsche Wirtschaft schneller als die fast aller anderen großen Industrieländer. Für die USA setzten die Experten des Fonds ihre Prognose sogar deutlich von 3,3 auf 2,7 Prozent herab. Unverändert stark wachsen dagegen viele Entwicklungs- und Schwellenländer. Für China rechnet der Fonds mit 10,5 Prozent, für Indien mit 9,7 Prozent und für Brasilien mit 7,5 Prozent. Im kommenden Jahr wird sich laut IWF das Wachstum auch in Deutschland wieder abschwächen. Trotzdem bleiben die Zahlen mit 2,0 Prozent besser als zunächst erwartet (1,6 Prozent). Gleichzeitig haben die Deutschen Chancen, wieder "Exportweltmeister" zu werden: Der Überschuss in der Leistungsbilanz wird von 4,9 auf 6,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen, der Chinas leicht auf 4,1 Prozent sinken.

Druck auf Berlin

Der Rekord ist aber nicht unbedingt günstig für die deutsche Politik. Berlin dürfte bei der IWF-Jahrestagung am kommenden Wochenende in Washington unter massivem Druck stehen, die Inlandsnachfrage zu beleben und die Exportabhängigkeit der Bundesrepublik zu verringern. Die Bundesregierung wird ihre nächste Wachstumsprojektion am 21. Oktober veröffentlichen.

Die Weltwirtschaft insgesamt zieht nach Meinung des IWF 2010 um 4,8 Prozent an, das sind 0,2 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Prognose im Sommer gedacht. Im kommenden Jahr dürfte sich das Wachstum jedoch verlangsamen. Die Experten kürzten ihre Prognose von 4,3 auf 4,2 Prozent. Gleichzeitig warnt der IWF vor wachsenden Problemen. "Der Finanzsektor bleibt anfällig für Schocks und das Wachstum scheint nachzulassen, da die Wirkung der Konjunkturprogramme ausläuft", heißt es in dem Bericht. Eine neue Krise der Staatsfinanzen könnte den Aufschwung gefährden. Der Fonds nennt dabei keine Namen, es ist jedoch klar, dass damit vor allem die mit extremen Schulden und einer scharfen Rezession kämpfenden Euro-Staaten Irland, Griechenland, Spanien und Portugal gemeint sind.

Der Generaldirektor des IWF, Dominique Strauss-Kahn, warnte gleichzeitig ungewöhnlich deutlich vor einem globalen Währungskrieg. Ein Abwertungswettlauf könne die Erholung der Weltwirtschaft von der schwersten Krise seit Generationen abwürgen und enormen Schaden anrichten, sagte er der Financial Times. "Es breitet sich ganz deutlich die Idee aus, dass Währungen als politisches Druckmittel genutzt werden können." Wenn Staaten versuchten, mit Hilfe der Währung den Aufschwung in Gang zu setzen, sei die Stabilität der Weltwirtschaft in Gefahr. "Jeder solche Ansatz würde einen negativen und sehr schädlichen Langzeiteffekt haben", sagte Strauss-Kahn. Hintergrund dieser Äußerungen sind der anhaltende Währungsstreit zwischen China und den Vereinigten Staaten und die jüngsten Eingriffe der Bank von Japan in den Devisenmarkt, um die Aufwertung des Yen zu stoppen. Wegen der Erwartung, dass die US-Notenbank Fed weiter Geld druckt, fällt Kurs des Dollars gegenüber dem Euro seit mehreren Wochen beständig; am Mittwoch kostete ein Euro knapp 1,39 Dollar. Gegenüber einem Korb von Währungen sank der Dollar auf den tiefsten Stand seit fast neun Monaten.

Ziel verfehlt

Hauptschuldige an dem Währungschaos sind nach Ansicht des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz die Fed und die Europäische Zentralbank. Die von ihnen mit ihren Anti-Krisenmaßnahmen ausgelöste "Liquiditätsflut" destabilisiere die globalen Devisenmärkte, sagte Stiglitz in New York. "Die Ironie ist, dass die Fed für all diese Liquidität in der Hoffnung sorgt, dass sie die Wirtschaft belebt." Doch das Ziel werde verfehlt.

Der Investor George Soros machte dagegen die Bundesregierung indirekt für die Probleme in Europa und der Weltwirtschaft insgesamt verantwortlich. Es sei ein Fehler, in der jetzigen Phase der Weltkonjunktur auf Sparen zu setzen und zu versuchen, Fiskaldisziplin in der Euro-Zone durchzusetzen, sagte Soros.

Die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland wurden am Mittwoch durch die neuesten Wirtschaftszahlen unterstrichen: Nach einer neuen Schätzung wurden im September netto 39.000 Arbeitsplätze in US-Unternehmen abgebaut und damit mehr als erwartet. In Deutschland dagegen spiegelte sich die positive Konjunktur in den Auftragsbüchern der deutschen Industrie wider. Im August erhielten die Firmen 3,4 Prozent mehr Bestellungen, vor allem aus dem Ausland.

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