Geschäftsführer des Mieterschutzbundes im Gespräch:"Kinder sind okay, aber woanders"

Babys schreien, Kinder rennen und Eltern sind gestresst - Vermieter vergeben ihre Wohnungen nur ungern an Familien. Oft ziehen sie andere Bewerber vor. Der Geschäftsführer des Mieterschutzbundes erklärt, warum das so ist, und wie Eltern ihre Chancen auf eine Zusage trotzdem erhöhen können.

Pia Ratzesberger

Vor mehr als 20 Jahren gründete Claus O. Deese den Mieterschutzbund, seit 1993 ist er Geschäftsführer. Der Verein berät seine Mitglieder bei mietrechtlichen Fragen und Problemen, vertritt mehr als 25.000 Mieter in ganz Deutschland, darunter auch viele Familien. Die haben oft besondere Probleme bei der Wohnungssuche.

Süddeutsche.de: Herr Deese, warum haben es Familien so schwer auf dem Immobilienmarkt?

Claus O. Deese: Ein wichtiger Grund ist natürlich das Budget. Meistens haben Familien kein doppeltes Einkommen, einer arbeitet Teilzeit oder gar nicht. Gegenüber zwei Vollverdienern ziehen sie dann den Kürzeren. Außerdem brauchen Familien viel größeren Wohnraum. Die durchschnittliche Wohnungsgröße in Deutschland beträgt 80 Quadratmeter. Wenn man für jede Person 42 bis 45 Quadratmeter berechnet, reicht eine solche Immobilie gerade einmal für zwei Leute aus. Die kleinen Wohnungen stammen noch aus der Nachkriegszeit, als möglichst schnell möglichst viel gebaut wurde.

Sind nicht die Kinder selbst oft ausschlaggebender Grund für eine Absage?

Auf jeden Fall ist die Intoleranz gegenüber Kindern in unserer Gesellschaft gestiegen. Viele denken: Dass sie da sind, ist okay, aber bitte woanders. Es gab in den vergangenen Jahren genügend Klagen gegen den Bau von Spielplätzen. Wenn in einem Haus, in dem nur alte Leute wohnen, eine Wohnung frei wird, dann ist klar: Wenn da jetzt eine Familie einzieht, gibt es nur Ärger. Die kriegen Besuch, die Kinder rennen herum. Also lassen die Vermieter es.

Claus O. Deese, Mieterschutzbund

Claus O. Deese, Geschäftsführer des Mieterschutzbundes

(Foto: Mieterschutzbund)

Wo haben Familien denn die besten Chancen?

Sicher nicht bei Privatvermietern, sondern eher bei Wohnungsbaugesellschaften. Die müssen ja nicht selbst in den Häusern wohnen - also ist es ihnen oft egal, wer einzieht, solange das Geld stimmt. Auch auf dem Land sieht es für Familien besser aus: Hier steht viel leer und man wohnt nicht dicht an dicht.

Was raten Sie Familien bei der Suche nach einer Immobilie?

Eigentlich kann ich nichts raten, das Problem ist eben da. Wenn es eine hohe Arbeitslosigkeit gibt, sag ich ja auch nicht "Ach, zieh dich zum Bewerbungsgespräch nett an, dann klappt das." Allerdings kann ich empfehlen, wirklich alle möglichen Kanäle zu nutzen. Das heißt, nicht nur im Internet zu suchen - da landet meist nur der überteuerte Schrott - sondern auch die Zeitungen durchzusehen und im Freundeskreis zu fragen. Und vor allem kompromissbereit sein: Den karierten Marienkäfer gibt es nicht.

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