Georg Schramm:"Drei Kinder - da braucht man keinen Anlageberater"

Kabarettist Georg Schramm über sein Leben als Arbeiterkind unter Millionären, Pyjamapartys im Tennisklub und sein Investment in Faltboote.

A. Mühlauer und D. Sürig

Wir treffen Georg Schramm, 60, in einem Schwabinger Café. Dorthin ist er aus seinem Hotel geflüchtet, weil er nicht mit Teilnehmern eines BMW-Golfturniers frühstücken möchte. Er versteckt sein Gesicht hinter einer Zeitung, damit ihn ja keiner anspricht - nach all seinen Rollen in der ZDF-Kabarettsendung "Neues aus der Anstalt", wo er als Sozialdemokrat August, als Oberstleutnant Sanftleben oder als Rentner Lothar Dombrowski auftritt. "Ich esse noch mein Croissant", sagt Schramm. Zwei Stunden hat er Zeit. Danach ist er zum Kaffee bei Altmeister Dieter Hildebrandt eingeladen.

Georg Schramm, Foto: Baumgart

Kabarettist Georg Schramm wuchs als Arbeiterkind in Bad Homburg auf - dort prägte der Geldadel das Stadtbild.

(Foto: Foto: Ulla Baumgart)

SZ: Herr Schramm, reden wir über Geld. Sie sind als Arbeiterkind in Bad Homburg mit wenig Geld aufgewachsen.

Georg Schramm: Als Hilfsarbeiterkind mit noch weniger Geld.

SZ: Das Geld war immer knapp?

Schramm: Meine Eltern haben dafür gesorgt, dass mein Bruder und ich das nicht mitkriegen. Mein Vater war Hilfsarbeiter der Peters-Pneu Reifenfabrik und hat das Geld versoffen. Meine Mutter hat ihn deswegen freitagnachmittags am Fabriktor abgeholt und ihm die Lohntüte abgenommen. Eines Tages hat sie einen Fernseher gekauft. Weil sie dachte, mein Vater gehe dann nicht mehr so oft trinken, und das Geld komme dadurch wieder rein.

SZ: Hat der Trick geholfen?

Schramm: Überhaupt nicht, sie hat das Gerät in 25-Mark-Raten abbezahlt. Aber immerhin: Wir haben fernsehen können.

SZ: Sie waren Hilfsarbeiterkind in einer reichen Stadt.

Schramm: Bad Homburg hatte damals die höchste Millionärsdichte Deutschlands. Das hat für meine Sicht der Welt sicher eine große Rolle gespielt. Diese Gegensätze: Der Geldadel prägte das Stadtbild. Wir haben im Hinterhof mitten in der Stadt gewohnt, vorne ein Schuhgeschäft - das war unser Vermieter. Mit dem war es schwierig, weil mein Vater Sozialdemokrat war und der Vermieter ein eingeschworener FDP-Mann. Der Alkoholismus meines Vaters war stets eine offene Flanke. Unser Mietverhältnis war immer latent bedroht.

SZ: Klingt schwierig.

Schramm: Ach, es gab auch schöne Dinge. Auf der anderen Seite unserer Straße war eine Buchhandlung, die haben mich als Kind Bücher lesen lassen, weil die wussten, dass es bei uns kein Geld gibt. Ich musste mir vorher die Hände waschen und durfte die Bücher nicht richtig aufklappen, damit man sie verkaufen konnte.

SZ: War es ein Problem für Sie, auf eine höhere Schule zu gehen?

Schramm: Es gab das Bildungsbürgertum und die Oberschicht, die haben sich verstanden. Leute wie ich waren Exoten. Aber die Lehrer haben mich das nicht merken lassen.

SZ: Und die Klassenkameraden?

Schramm: Die haben Pyjamapartys im Tennisklub veranstaltet. Da wäre ich gerne mal dabei gewesen. Aber das war illusorisch. Die erzählten mir alle immer, wie toll man da an Mädchen rankam.

SZ: Bitte? Sie wurden nicht eingeladen, weil Sie nicht zur richtigen Schicht gehörten?

Schramm: Genau. Auf dem Mädchengymnasium nebenan waren die drei Töchter der Millionärsfamilie Quandt. Als die erste ihren Führerschein hatte, haben alle drei einen Mini Cooper geschenkt gekriegt. Das zu sehen, das war schon ein Knaller. Auf meinem Schulweg gab's außerdem eine Spielbank, damals "die Mutter von Monte Carlo" genannt. Schräg gegenüber war der Tennisklub, außerdem ein Golfklub. Und weiter hinten das Gestüt Erlenhof von der Gräfin Batthyany, die in ein SS-Massaker im Burgenland verwickelt war, wie sich später herausstellte. Das war das Grundklima.

"Meine politische Bildung habe ich von Dieter Hildebrandt"

SZ: Wann wurden Sie politisch?

Schramm: Relativ spät. Ich bin im sozialdemokratischen Klima aufgewachsen. Meine politische Bildung habe ich von Dieter Hildebrandt aus dem Fernsehen. Ich war aber nicht politisch aktiv. Ich habe den Kriegsdienst verweigert, aber auch erst nach der Bundeswehrzeit.

SZ: Warum waren Sie beim Bund?

Schramm: Ich habe mir Geld fürs Studium verdient. Es war absehbar, dass mein Abitur schlecht wird. Ich hatte auch keine Ahnung, was ich studieren soll. Ich habe mir also ausrechnen lassen, was ich da an Abfindung kriegen würde, wenn ich freiwillig drei Jahre mache. Das wären 15.000 Mark gewesen. Hab ich aber nicht bekommen.

SZ: Wie das?

Schramm: Ich bin fünf Minuten nach meiner Entlassung noch zum Leutnant der Reserve befördert worden. Meine Abfindung habe ich deswegen als Fähnrich und nicht als Leutnant gekriegt. Da war ich stinksauer.

SZ: Und dann haben Sie verweigert?

Schramm: Nein. Erst als der Nato-Doppelbeschluss mit der atomaren Nachrüstung kam. Ich habe mit Argumenten aus Willy Brandts Nobelpreisrede den Dienst verweigert. Das wurde mit der Begründung abgelehnt, dass ich keine moralische Gewissensentscheidung herbeigeführt hätte, sondern eine politische.

SZ: Bevor Sie Kabarettist wurden, haben Sie noch Psychologie studiert.

Schramm: Ja. Ich dachte: Reden kann ich, sonst habe ich nicht viel Ahnung. Also studiere ich Psychologie.

SZ: Aha.

Schramm: Das Studium sah dann doch etwas anders aus, und ich habe ja danach auch vergleichsweise ernsthaft zwölf Jahre an einer Neurologischen Klinik gearbeitet.

SZ: Warum haben Sie da 1988 aufgehört?

Schramm: Ich habe gemerkt, dass ich in meinem Beruf immer schlechter werde. Ich suchte Alternativen. Fast wäre ich sogar Gewerkschaftsfunktionär geworden. Ein Angebot der ÖTV hatte ich im letzten Moment ausgeschlagen.

SZ: Keiner kannte damals den Kabarettisten Georg Schramm. Wie konnten Sie Ihre damalige Frau und die beiden Kinder über Wasser halten?

Schramm: Meine erste Frau arbeitete halbtags, und es gab ein Starterpaket vom Arbeitsamt, wenn man sich selbständig macht. Aber die Engagements waren richtig lausig. Wenn ich auf der Bühne total gescheitert wäre, hätte ich nach zwei Jahren an die Klinik zurückgehen können, das war meine Bedingung.

SZ: Mussten Sie aber nicht.

Schramm: Kurz bevor ich komplett pleite war, hat mich der damalige SFB-Redakteur Uwe Römhild gefragt, ob ich nicht in einer Fernsehsendung des SFB, dem Satirefest, auftreten will. Danach kamen Engagements aus Norddeutschland, und ich dachte, es könnte doch gehen. Und es ging dann mit einem bescheidenen Lebenswandel ja auch. Es wurde immer besser.

SZ: Das Fernsehen hat Sie also bekannt gemacht. Ebenjenes Medium, das Sie für die meisten Inhalte verachten.

Schramm: Das war leider so, das hat mir selber gar nicht so gepasst. Nur mit dem, was ich auf der Bühne gemacht habe, wäre ich als Nobody zurückgegangen und wahrscheinlich im Beruf völlig resigniert, Trinker geworden, Querulant.

"Ich werde Klepper-Faltboote-Aktien kaufen"

SZ: Haben Sie einen Anlageberater?

Schramm: Ich habe drei Kinder, ein Kind großziehen kostet sechsstellig, da braucht man keinen Anlageberater.

SZ: Die Finanzkrise hat Ihr Geld also in Ruhe gelassen.

Schramm: Ja. Ich habe für meine Kinder Bauminvestitionen in Costa Rica gemacht. Das werde ich gar nicht mehr erleben, wenn die abgeholzt werden. Demnächst werde ich Klepper-Faltboote-Aktien kaufen.

SZ: Faltboote?

Schramm: Vorige Woche hatte ich ein Angebot von Klepper Faltboote im Briefkasten. Ob ich nicht Aktien kaufen wolle, Stück 1,95 Euro. Ich will mir seit Jahren ein Faltboot kaufen. Nun werde ich vielleicht Klepper fördern und mir dazu noch ein Boot kaufen.

SZ: Sie paddeln aus dem Strudel. Was ärgert Sie denn an der Finanzkrise am meisten?

Schramm: Wenn man sieht, mit welch scheinwissenschaftlicher Akribie falsch prognostiziert wurde vor dieser Krise, da fragt man sich. Und dann heißt es, das konnte man nicht voraussehen. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um das Gefühl zu haben, dass wir systematisch hinters Licht geführt worden sind.

SZ: Warum das?

Schramm: Eine Menge Leute hat ja bis zum letzten Moment irrsinnig daran verdient.

SZ: In Ihrem Programm setzen Sie sich viel mit Geld und Wirtschaft auseinander. Wie kam das?

Schramm: Ich hab den Wirtschaftsteil früher immer auf die Seite gelegt. Nach dem Motto: Versteh' ich eh nicht, geht mich nichts an. Dann habe ich gemerkt, man kann mir alles erzählen, und ich kann es nicht beurteilen. Und dass Wirtschaft einen größeren Einfluss auf unseren Alltag hat, als das, was ich immer gelesen habe.

SZ: Wann kam diese Einsicht?

Schramm: Beim Platzen der New-Economy-Blase.

SZ: Haben Sie damals Geld verloren?

Schramm: Nein, keinen Cent. Und heute hilft mir meine Frau, auf dem Teppich zu bleiben und nicht zu sehr dem Spieltrieb zu folgen. Ich habe im Moment 40 BP-Aktien mit einem Gesamtwert von 1300 Euro. Ansonsten habe ich Aktien einer Wasserkraftfirma in Freiburg, die weltweit Anlagen baut. Da interessiert mich der alternative Energiegedanke.

SZ: Und warum BP?

Schramm: Die haben damit geworben, dass sie in den regenerativen Markt eingestiegen sind. Ich habe dann aber gemerkt, das war nur ein Reklametrick.

SZ: Kann man überhaupt ethisch korrekt Geld anlegen?

Schramm: Andere werfen ihr Geld in den Klingelbeutel und beruhigen sich. Mein Gewissen beruhigt sich nicht übermäßig, aber man kann Geld auch schlechter anlegen. Ich habe noch etwas in Mikrokrediten angelegt. Für kleine Leute, die von keiner Bank was kriegen oder zu Wucherzinsen. Da entstehen Jobs.

SZ: Diesen Sommer ziehen Sie sich zurück und arbeiten an einem neuen Programm. Welche Rolle wird die Finanzkrise spielen?

Schramm: Ich würde gerne wissen, ob es Alternativen zum Zins und Zinseszins gibt. Versuche wie Regionalgeld, um von diesem ruinösen Zinssystem wegzukommen, werden einfließen. Aber auch, wie wir mit den Alten umgehen. Zum Beispiel die Zwangsernährung über eine Magensonde, um Personal zu sparen - bei Leuten, die noch selber essen könnten. Dahinter steckt auch ein irrwitziges Geschäft für die Pharmaindustrie.

SZ: Wie viel Zeit nehmen Sie sich fürs Schreiben?

Schramm: Ich kann es mir finanziell leisten, mich ein Jahr lang auf das neue Programm vorzubereiten. Das ist ein wunderschöner Luxus.

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